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Gesellschaft

18 Stunden fasten und in 5 Minuten satt

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Seit knapp einer Woche begehen weltweit Muslime den Fastenmonat. Jede abrahamitische Weltreligion kennt ihre Fastengebote. Dabei steht nicht der Verzicht auf Essen und Trinken im Vordergrund, sondern die umfassende Reinigung der Seele. (Fotos: zaman)

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18 Stunden fasten und in 5 Minuten satt
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Es ist wie ein Sprung ins kalte Wasser. Zuerst scheut man sich davor, doch dann gewöhnt sich der Körper schnell daran. 18 Stunden Fasten, Hungern bis etwa 21:30 Uhr. Eigentlich kann man es nicht mal Hungern nennen, denn es ist ein Phänomen. Der Körper bekommt nichts zu essen und trinken und hält das am Ende besser aus, als wenn er um 8 Uhr frühstückt und um die Mittagszeit schon eine Hungerkrise erlebt. Das Fasten symbolisiert die Anteilnahme bzw. das sich Hineinversetzen in Menschen, wie beispielsweise ganz aktuell in Somalia, die Hunger leiden. Damit ist es nicht getan, ehrenvoller ist es, das Hungern im Fastenmonat mit der Verteilung von „Fitre“ (Almosen) zu kombinieren.

Meist kommt dann die Frage: „WAAAS, und ihr dürft auch nicht trinken??“. So ist es aber. Wir leben dann ohne zu trinken, ohne Nasentropfen, ohne Injektionen, ohne Medikamente, denn all das bricht nämlich das Fasten ab. Warum heißt es eigentlich „FASTENBRECHEN“, wenn am Abend die Zeit reif ist und wieder gegessen werden darf? Im islamischen Sprachgebrauch gibt es das „IFTAR“, im Türkischen sogar „IFTAR acmak“ (= „Iftar eröffnen“), was ungefähr heißen soll: „Das Buffet ist eröffnet“.

Wenn die Straßenlaternen in Berlin angehen, ist es so weit. Das Fastenbrechen kann beginnen. Wenn ich gerade keine Uhr bei mir habe oder keinen Imsakiye (Fastenkalender) oder einfach die genaue Uhrzeit des Fastenbrechens für den Abend nicht kenne, kann ich mich auf die Straßenlaternen verlassen. Diese gehen nämlich genau zur Abenddämmerung an.

Am liebsten eröffne ich mein Iftar mit dem Çift-Adhan, dies ist ein Muezzinruf im Duoformat, den ich von YouTube heruntergeladen habe.

Adhan vom Band oder selbst übernehmen?

Manche Gelehrte sagen jedoch, es gelte nicht als Eröffnung des Iftar, den Adhan aus dem Rekorder, vom Laptop etc. zu hören. Man müsse ihn entweder live vom Minarett der Stadt hören oder jemand müsse zu Hause den Adhan-Ruf übernehmen. Dies macht meiner Meinung nach Sinn, ansonsten würde ja der Muezzin (Gebetsrufer) faktisch obsolet gemacht.

Am ersten Tag des Ramadan habe ich das Iftar-Essen mit der gesamten Familie verbracht. Sogar meine 11-jährige Nichte fastete mit, natürlich freiwillig. Ich konnte es nicht fassen, aber sie hat es tatsächlich geschafft, durchzuhalten. Dabei haben wir ihr zwischendurch angeboten, das Fasten abzubrechen, weil sie noch ein Kind ist und ihr gesagt, dass wir in der Hinsicht nicht penibel sind. Sie ging zur Nachbarstochter und spielte dort.

„Spielen ist die ernsthafteste Tätigkeit von Kindern“, heißt es, dabei mögen sie es nicht, gestört zu werden. Als es dann so weit war und alle am Tisch saßen, haben wir ihr alle für ihr Durchhaltevermögen applaudiert und ihr nochmal die Gewissheit gegeben, dass sie am nächsten Tag nicht auch noch fasten muss. Nach fünf Minuten wurde sie nicht nur satt, sondern wollte sich hinlegen. Das war ihr dann doch zu viel – nicht mal den Nachtisch, eine Himbeer-Torte, die ich extra für sie gemacht hatte, konnte sie abwarten.

Vielleicht wollte sie ihrem Bekenntnis zum Fasten Ausdruck verleihen oder es ist ein typisches Verhalten im Sinne des „Lernens am Modell“ von Albert Bandura. Kinder machen viel nach (Imitationslernen), vor allem nehmen sie sich bis zu ihrem 12. Lebensjahr die Familienangehörigen als Vorbild. Es war höchst unerwartet, dass sie es durchhält, doch das Resultat beantwortete die Frage nach der Zumutbarkeit eines solchen Gebotes an mündige erwachsene Menschen – es ist sozusagen kinderleicht.

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Nun ist der theologische Rahmen für das Fasten der Koran. Darin gibt es mehrere Verse, die das Fasten für Pflicht erklären. Diese sind:

„Esst und trinkt, doch verrichtet die Formen der Anbetung, die euch helfen, eure Seele im Zaum zu halten wie das Fasten. Und verschlingt nicht euren Besitz untereinander auf falsche Art durch Nichtigkeiten, Sünden und Verbrechen wie Diebstahl, unberechtigte Aneignung, Bestechung, Wucher und Glücksspiel und bietet ihn nicht den Herrschenden an, um dadurch einen Teil vom Besitz anderer Menschen auf sündige Weise zu verschlingen, und das wissentlich.“ (Sure 2, Vers 188)

„O ihr, die ihr glaubt! Das Fasten ist euch vorgeschrieben, so wie es denen vorgeschrieben war, die vor euch waren, damit ihr Gottes Schutz (vor der Versuchung durch körperliche Begierden) verdient und Gottesfürchtigkeit erlangt.“ (Sure 2, Vers 183)

Was aber allgemein gilt, ist folgender Vers, wenn es um das Essen geht:

„O ihr Kinder Adams! Zieht euch für jede gottesdienstliche Handlung sauber und schön an; und (ohne Dinge, die Gott euch erlaubt hat, für unerlaubt zu erklären) esst und trinkt, doch seid nicht verschwenderisch (indem ihr euch überesst oder etwas auf unnötige Weise zu euch nehmt), denn Er liebt wahrlich nicht die Verschwenderischen.“ (Sure 7/31).

Auch zu üppiger Lebensmitteleinkauf sollte vermieden werden

Dies ist auch ein Hinweis auf das Problem des üppigen Lebensmitteleinkaufs, der vermieden werden soll. Alles, was übrig bleibt oder auch vom Magen im Überfluss absorbiert wird, ist per se Verschwendung.

Die Hermeneutik des Fastens ist allumfassend, denn die Pflicht bezieht sich zwar primär auf den Monat Ramadan, doch findet sie auch in vielerlei Hinsicht Anwendung in den restlichen Monaten. Der Prophet Muhammad hat z.B. in der Woche an zwei Tagen gefastet, nämlich immer montags und donnerstags. Das Fasten gehört mitunter auch zu einer modernen, gesunden Art zu leben. Die Enthaltsamkeit kann dabei nicht nur gott-, sondern auch menschengewollt sein, wie es die Fastendiäten zeigen. Hierbei soll beispielsweise der Magen seine Rast vor bestimmten Lebensmitteln, aber auch Alkaloiden wie Coffein, Teein und Nikotin bekommen. Etwa im Rahmen einer Reinigung, die beispielsweise eine Woche dauern und den Körper entgiften soll.

Dass das Fasten nicht nur zum Islam gehört, dürfte klar sein. Auch im Christentum sowie im Judentum gibt es Fastengebote: Die Apostelgeschichte berichtet von Gläubigen, die fasteten, bevor sie Entscheidungen trafen (Apg. 13:4; 14:23). Fasten und Gebet sind oft miteinander verknüpft (Lukas 2:37; 5:33). Jom Kippur ist der große Versöhnungs- und Fastentag im Judentum. An diesem Tag darf weder gegessen noch getrunken oder geraucht werden. Man wäscht sich nicht, ist enthaltsam und geht nicht zur Arbeit, alle zuvor begangenen Sünden sollen an diesem Tag gesühnt werden.

Im Wesentlichen war das Herabsenden der Fastenpflicht auch eine Sternstunde für die Sklaven. In der Großen Fastenzeit wurden Sklaven oft in die Freiheit entlassen oder von der Arbeit befreit (Tertullian).

Es gibt eine weit verbreitete Überlieferung, wonach ein unentschuldigtes Abbrechen oder gar eine Versäumnis des Fastens, die nicht an den Koranklauseln festzumachen sind, mit 61 Tagen Nachfasten bestraft wird. Im Koran gibt es jedoch in jedem Fall das über zwei Monate hintereinander vorgeschriebene Fasten für diejenigen, die jemanden versehentlich getötet haben, die zusätzlich dafür ein Wergeld an die Angehörigen zahlen und einen Sklaven befreien sollen. Bei Ausfall des Letzteren gilt es als Ersatzpflicht, zwei Monate hintereinander zu fasten (Sure 4, Vers 92, Koran).

Diejenigen, die körperlich im Stande sind, zu fasten und es dennoch nicht tun, müssen ersatzweise einen Armen speisen und für diejenigen, die krank oder auf Reise sind, gilt das Gleiche (Sure 2, Verse 183-187, Koran).

Unterschiedliche Auffassungen zum exakten Beginn und Ende

Wann beginnt das Fasten eigentlich? Bei Sichtung des Halbmondes geht es los und bei der nächsten Sichtung des Halbmondes – genannt auch Neumond, Sichel – wird Fastenzeit beendet (die einschlägigen Hadithen hiefür sind Buhari, Savm: 11; Müslim, Sıyâm: 9; Muvatta, Sıyâm: 1; Ebu Dâvud, Savm: 4; Nesâi, Savm: 10, 11). In der Regel feiern wir Muslime nach 29-30 Tagen den Abschluss des Ramadan und dieser wird dieses Jahr hoffentlich auch für alle Muslime der Welt am gleichen Tag sein. Die Differenzen um einen Tag bei Beginn und auch bei Beenden des Fastens entstehen aufgrund der unterschiedlichen Praxis, entweder die Mondsichel selbst zu sichten oder sich auf Kalenderberechnungen von Astronomen zu verlassen. Dabei gibt es auch die Divergenz, ob man sich nach der Vorgeburt der Mondsichel oder nach dem Erscheinen der Mondsichel richten solle.

Im Fall der Fälle, wie z.B. wenn eine Wolke die Sicht des Halbmondes zum Schluss des Ramadans hindert, sind 30 Tage zu fasten (Ebu Dâvud, Savm: 6).

Ich wünsche allen einen segenreichen, friedlichen und vor allem köstlichen Ramadan und hoffe, dass wir bei all den politischen Absurditäten, die zurzeit passieren, wo es so viele Spaltungen unter den Menschen und viele Tote in muslimisch bevölkerten Ländern gibt, einen schönen Ramadanabschluss erreichen.