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Politik

20 Vorschläge zur Vermeidung eines Staatsputsches

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Mit einem Forderungskatalog aus 20 Punkten möchte die Kommission zur Untersuchung vergangener Staatsstreiche Vorkehrungen anregen, um Ereignisse dieser Art für alle Zukunft ausschließen zu können. (Foto: epa)

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20 Vorschläge zur Vermeidung eines Staatsputsches
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Die vom türkischen Parlament gegründete Kommission zur Vermeidung eines Putsches in der Türkei hat nun ihre Arbeiten zu einem Ende gebracht (DTJ berichtete). In ihrem Endbericht werden Vorschläge erhoben wie etwa, der Nationale Sicherheitsrat solle künftig nur noch Empfehlungen geben. Der privilegierte Status des Generalstabs solle beendet werden. Alle Spionagedaten sollen vernichtet werden. Am Interessantesten klingt der Vorschlag, eine Kommission solle ins ominöse und geheime „kosmische Zimmer” dürfen.

Die seit dem 2.Mai dieses Jahres tätige Untersuchungskommission der Militärputsche hat ihren Bericht abgeschlossen. Im Rahmen ihrer letzten Versammlung wurden die Arbeiten der drei Unterkommissionen zusammengefügt und zu 20 Punkten zusammengefasst. Als erste und wohl auch vordringlichste Forderung in dem Bericht sticht jene nach einer zivilen Verfassung hervor. Außerdem solle eine weitere, dauerhafte Kommission gegründet werden, die die Wahrheiten und Hintergründe in noch breiterem Umfang untersuchen solle. Ihre Befugnisse sollen erweitert werden. Daten und Akten, die bislang immer noch als Staats-, Unternehmens- oder Bankengeheimnisse behandelt werden, sollen an die Öffentlichkeit, insbesondere sollen sie auch durch Änderung der Verfassung für diese Kommission schneller zugänglich werden.

Politische Morde und dubiose Ausschreitungen der Vergangenheit aufarbeiten!

Die Ereignisse vom 1.Mai 1977 (Schüsse auf Demonstranten in Istanbul) sowie jene von Maraş (Pogrom gegen Aleviten von 1978), Çorum (Tätigkeit eines Agent provocateur) , Malatya (Mord an christlichen Missionaren 2007) und Sivas (Massaker an Aleviten 1993) sollen durch zwei weitere Kommissionen untersucht werden. Auch sollen laut dem Bericht vermeintliche oder tatsächliche ungesetzliche Aktivitäten der heimlichen Organisation „Özel Harp Dairesi“ (Spezialabteilung für Kriegsführung, die türkische „Gladio“-Sektion), welche direkt dem Generalstab der Türkei untergeordnet war, untersucht werden und die geheimen, sogenannten „Kozmik Odalar“ (kosmischen Zimmer) und die darin sich befindenden Dokumente näher analysiert werden.

Unter dem Punkt „Die Geschädigten/Opfer eines Putsches bzw. des Staates“ wird gefordert, dass alle Militärputsche als in schwerem Maße gesetzes-und demokratieverletzend gewertet werden sollen. Den eigentlichen Tätern soll ein gesetzlicher Rahmen eingeräumt werden, der es ihnen ermöglicht, sich bei den Betroffenen zu entschuldigen. Der Übergang zum professionellen Militär soll erleichtert werden, die Militärschulen sollen künftig ihre Lehrpläne dem Bildungsministerium vorlegen.

Der Hohe Militärverwaltungsgerichtshof soll abgeschafft werden und damit eine Einheit in der Justiz geschaffen werden. Die Geheimdienste sollen reorganisiert werden. Hierbei wird dem MIT, dem sogenannten türkischen Nachrichtendienst, empfohlen, sich auf Außenangelegenheiten zu konzentrieren. Weiter wird in dem Bericht, welcher auch eine Überarbeitung des Parteien-, Wahl- und obersten Wahlratsgesetz, kurz YSK, vorsieht, vorgeschlagen, Betroffenen und Geschädigten eines Putsches, hierunter auch Adnan Menderes, beim Wiedererwerb ihres Ansehens zu helfen bzw. sie offiziell zu rehabilitieren. Die Umsetzung der EU-bedingten Reformen soll weiterhin erfolgen.
 
Um künftig einen Putsch zu verhindern, stellte die Kommission folgende 20 Punkte in den Raum:
1. Eine zivile Verfassung soll ausgearbeitet werden.
2. Unter dem Dach des Parlaments soll eine Putschkommission gegründet werden, welche zweifelhafte Ereignisse wie jene vom 1.Mai 1977, Çorum und Maraş, politische Ermordungen, geheime Organisationen wie Özel Harp Dairesi, JITEM, sowie die Arbeit des der Geheimdienstes und der Terrorabwehr der Gendarmerie untersuchen sollen.
3. Zur Entschädigung der vom Putsch Betroffenen soll eine vorübergehende Kommission, die sich auf dieses Thema spezialisiert hat, errichtet werden.
4. Die Funktion des Nationalen Sicherheitsrates, kurz MGK, soll auf ein international übliches Level gebracht werden, wie das einer Beratungskommission.
5. Der Generalstab der Türkei soll zu einer Einrichtung nach europäischen Standards umgewandelt und dem nationalen Sicherheitsministerium untergeordnet werden.
6. Die Gendarmerie soll ihre Dienste nur im ländlichen Bereich ausüben.
7. Der Übergang zu einer Berufsarmee soll erleichtert werden.
8. Die Militärschulen sollen künftig ihre Lehrpläne dem Bildungsministerium vorlegen.
9. Der Hohe Militärverwaltungsgerichtshof soll abgeschafft werden und stattdessen eine Einheit innerhalb der zivilen Justiz geschaffen werden. Das Militärgericht soll nur interne, disziplinäre Angelegenheiten bearbeiten.
10. MIT, der sogenannte türkische Nachrichtendienst, soll sich auf Außenangelegenheiten konzentrieren. Der Innen-und Außengeheimdienst soll reorganisiert werden.
11. Die Sammlung von persönlichen Daten zum Zwecke der Spionage soll abgeschafft werden.
12. Die Begriffe „Staatsgeheimnis“ und „Unternehmensgeheimnis“ sollen neu definiert werden.
13. Die Definition der nationalen Gefahren (Gefahren aus dem Inland) sollen überarbeitet werden.
14. Die Parteien-, Wahl- und Wahlratsgesetze sollen überarbeitet werden.
15. Das Gesetz zur Oyak (eine Art Genossenschaft von Militärangehörigen) soll ebenfalls überarbeitet, Privilegien aufgehoben und die Einrichtung wie alle anderen Wirtschaftsunternehmen behandelt werden.
16. Das Ansehen verurteilter Betroffene wie Adnan Menderes sollen rehabilitiert und ggf. Entschädigungen an die Angehörigen gezahlt werden.
17. Der Paragraf 35 des Gesetzes zu den internen Befugnissen des Militärs soll mit frühestmöglicher Wirkung aufgehoben werden. Weitere Paragraphen, die einen eventuellen Putsch begünstigen können, sollen überarbeitet werden.
18. Alles beschlagnahmte Stiftungs-, Vereins- und Zivilorganisationsvermögen soll den Eigentümern zurückgegeben werden.
19. Die durch die EU geforderten Reformen sollen weiterhin umgesetzt werden.
20. Urteile aus der Putschzeit sollen erneuert werden. Schulen, Spitäler und soziale Einrichtungen, die Namen solcher Putschisten tragen, sollen umbenannt werden.