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Gesellschaft

200.000 Muslime in Athen, aber immer noch keine Moschee

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Obwohl die griechische Regierung wiederholt beteuert hat, hinter dem Vorhaben der Errichtung einer Moschee für die 200 000 Muslime* der griechischen Hauptstadt zu stehen, verzögert sich die Umsetzung des Projekts hartnäckig. (Foto: cihan)

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200.000 Muslime in Athen, aber immer noch keine Moschee
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In zwei großen Stadien und mehreren anderen, kleineren Sporthallen werden die muslimischen Einwohner Athens das große Gemeinschaftsgebet zum Ramadan-Fest am 8. August verrichten. In Athen, der „Metropole des Südens“, wie der bedeutende griechische Dichter Manolis Rasoulis die Stadt nannte, leben ungefähr 200 000 Muslime. Diese verfügen aber über keine offizielle und vom Staat anerkannte Moschee und sind gezwungen, informelle Religionsstätten zu gestalten in unbenutzten Werkstätten, Garagen, Kellern und Cafés.

Nicht selten sind solche inoffizielle Moscheen Ziele von Angriffen durch Rechtsradikale mit Steinen und Brandsätzen gewesen. Es ist Berichten von Gläubigen zufolge auch nicht selten, dass diese nach dem Gebet auf dem Weg nach Hause mit rechtsradikalen Parolen beschimpft und geschlagen werden. Dem Vorsitzenden der Pakistanischen Gemeinde, Dschawed Aslam, zufolge ist die Zahl der Angriffe allerdings in den letzten sechs Monaten deutlich gesunken.

Die neueste Ausschreibung für die Einreichung von Angeboten von Bauunternehmern zum Bau einer Moschee in der griechischen Hauptstadt scheiterte am 9. Juli offiziell mangels Interesses, es wird aber hinter vorgehaltener Hand darüber spekuliert, dass die Angst vor einer Mobilisierung von Rechtsradikalen der eigentliche Grund für die Entwicklung wäre. Dass von griechischen Bürgern eine Klage gegen den Moscheebau beim Symvoúlio tis Epikratías (Staatsrat, das griechische Äquivalent zum Verfassungsgerichtshof) eingereicht wurde, stützt diese These.

Auch die beiden wiederholten Ausschreibungen am 18. und 26. Juli erbrachten bislang kein Ergebnis.

„Ihr schließt Schulen und Krankenhäuser und öffnet Moscheen?“

Auf den ersten Blick war die Mobilisierung seitens der Nazis nicht groß. Nicht mehr als 20 Rechtsradikale und christliche Fundamentalisten hatten sich vor dem Gebäude der EYDEK (Sonderbehörde für öffentliche Bauwerke) im Athener Stadtteil Votanikós versammelt, welche die Ausschreibung durchzuführen plante. Sie wehten mit griechischen Fahnen und entrollten ein Transparent mit der Botschaft an die Regierung: „Ihr schließt Schulen und Krankenhäuser und öffnet Moscheen?“ Die Polizei hielt sich diskret im Hintergrund, es kam zu keinen Auseinandersetzungen.

Demo gegen Moscheebau in Athen 9.Juli 2013.jpg

Der Abgeordnete der linken Oppositionspartei „Syriza“, Hasan Hüseyn Zeybek aus dem thrakischen Wahlkreis von Xanthi, forderte von der Regierung, die Bauarbeiten zur Errichtung der Moschee schnellstmöglich in Gang zu setzen. Zeybek sagte dem DTJ, dass es ein auf Menschenrechte gestütztes Bedürfnis ist, eine Religionsstätte für die muslimische Bevölkerung Athens zu errichten. Darüber hinaus weist er darauf, dass die Ausübung religiöser Aufgaben in der Öffentlichkeit und in transparenter Weise die Verbreitung von Radikalismus verhindere.

Dschawed Aslam deutete die wiederholte Verschiebung der Ausschreibung eigentlich nicht als ein Zeichen des mangelnden Interesses am Bau der Moschee, für den das Infrastrukturministerium immerhin ca. 1 Mio. Euro zur Verfügung stellte. Vielmehr sei es die Unwilligkeit der griechischen Regierung, den Bau tatsächlich fortzusetzen.

Angst vor dem braunen Rand?

Sowohl Aslam als auch zahlreiche Publizisten und Menschenrechtler mutmaßen, die Regierung möchte den rechtsradikal, islamfeindlich bzw. christlich-fundamentalistisch gesinnten Teil der Wählerschaft für sich gewinnen oder zumindest nicht verprellen. Politikwissenschaftler und Experten der griechischen Politik weisen permanent darauf, es existiere eine Gruppe von Wählern, die sich ideologisch und politisch zwischen der Regierungspartei Nea Demokratia und der Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“ befände. An dieses Publikum, so manche Publizisten, adressiere sich die unterschwellige Verzögerung bzw. Nichtverwirklichung des Moscheebaus.

Die Bereitstellung der Sporthallen und der zwei größten Stadien Athens seitens der Kommunal- und Staatsbehörden für die Muslime stellt aber aus Sicht der Vertreter von Migrantengemeinden aus islamischen Ländern schon eine Verbesserung dar. Denn die Muslime waren in der Vergangenheit gezwungen, ihre Gebete auf Plätzen und Straßen zu verrichten.

Angebote zur Finanzierung des Projekts seitens der Türkei und arabischer Staaten, die als eine Form des politischen Drucks angesehen werden, stoßen auf Ablehnung. Der griechische Staat, so das griechische Außenministerium im letzten Februar, bevorzuge das Werk ungeachtet der Eurokrise mit eigenen Mitteln zu finanzieren. Unter dem Strich bleibt es fraglich, ob eine Moschee, die für 300 Leute geplant ist, den Bedarf von 200 000 Athener Muslimen überhaupt decken kann.

* Es gibt keine offizielle Daten für die Anzahl der muslimischen Einwohner Athens und Griechenlands, weil viele unregistriert sind bzw nicht am Zensus teilgenommen haben. Manche befinden sich auch illegal im Land. Die oben genannte Angabe geht auf eine Einschätzung von Migrantengemeinden und von NGOs (Medicins sans frontieres, Medicins du monde) zurück. Die Gesamtzahl der Muslime in Griechenland, von der Minderheit in Thrakien abgesehen, beläuft sich auf ca. 500.000.