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Politik

2012 war immer noch ein Jahr mit viel Schatten

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Das erste Jahr nach dem Arabischen Frühling, das in den Reformländern zum Teil weitreichende Entscheidungen nötig machte, brachte zwar manche Fortschritte, war aber überwiegend immer noch von Stagnation und anhaltenden Konflikten geprägt. (Foto: ap)

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2012 war immer noch ein Jahr mit viel Schatten
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Das DTJ hat in seiner Berichterstattung dem arabischen Raum und dabei insbesondere den Ländern des Arabischen Frühlings breiten Raum eingeräumt. Heute ist es Zeit, im einzelnen Bilanz zu ziehen.

Ägypten

Anfang 2012 bewies das alte Regime bei den Ausschreitungen während eines Fußballspiels in Port Said, bei dem über 70 Anhänger eines die Revolution unterstützenden Vereins ums Leben kamen, dass es immer noch über viel Macht in Ägypten verfügt.

Die Verurteilung Husni Mubaraks am 2. Juni 2012 zu lebenslanger Haft beendete jedoch ein düsteres Kapitel in der modernen ägyptischen Geschichte.

Mohammad Mursi, der Kandidat der Muslimbrüder, setzte sich Mitte Juni 2012 in einer Stichwahl gegen seinen mit dem Mubarak-Regime verflochtenen Mitbewerber durch und wurde auf diesem Wege zum neuen ägyptischen Staatspräsidenten gewählt.

Die jahrzehntelang unterdrückte Partei der Moslembruderschaft sah sich erstmals in der Lage, ihre Vision von einem durch den Islam bestimmten Ägypten zu verwirklichen. Der am 29. November beschlossene Verfassungsentwurf und der eigenmächtige Machtausbau Mursis führten zu jedoch heftigen Protesten seitens liberaler, linker und säkularer Kräfte.

Trotz des Protests wurde der Verfassungsentwurf bei der Wahl im Dezember von einer klaren Mehrheit der Ägypter bestätigt. Auch wenn massenhafte Unterstützung auf der Straße nicht immer gleichbedeutend ist mit massenhafter Unterstützung in den Abstimmungslokalen: Die ägyptische Gesellschaft bleibt weiterhin tief gespalten.

Während die internationale Gemeinschaft um die junge Demokratie im Land am Nil besorgt ist, hat sich das Verhältnis zwischen Ankara und Kairo sogar verbessert, seitdem Mursi und mit ihm die Muslimbruderschaft an der Macht ist.

Syrien

In einem anderen arabischen Land dominierten jedoch im Besonderen traurige Ereignisse die Berichterstattung: nämlich in Syrien.

Hatte der syrische Präsident Baschar al-Assad zu Beginn des Jahres noch ein Ende der Gewalt in seinem Land versprochen, zeichnete sich in weiterer Folge jedoch das Gegenteil ab.

Nachdem sowohl Vermittlungsversuche der Arabischen Liga als auch eine Einigung im UN-Sicherheitsrat scheiterten, glitt das arabische Land immer schneller in einen brutalen Bürgerkrieg ab. Das syrische Regime konnte im Frühjahr, politisch vor allen Dingen von Russland, China und dem Iran gestützt, militärische Erfolge gegen die bewaffnete Opposition vermelden. So wurde das weltweit bekannte und von den Rebellen bis dato kontrollierte Viertel Baba Amr in Homs zurückerobert.

Im Mai fanden die vom Regime angekündigten Parlamentswahlen trotz der anhaltenden Gewalt im Land statt.

Die zersplitterte syrische Opposition sollte sich zwar innerhalb ihrer einzelnen Fraktionen besser organisieren, blieb jedoch weiterhin ohne allgemein anerkannte Führung. Einzelne Forderungen nach Waffenlieferungen und aktiver militärischen Unterstützung wurden von der internationalen Gemeinschaft nicht erhört.

Vor allem die Zivilbevölkerung wurde immer stärker in Mitleidenschaft gezogen, da es immer öfter zu Gefechten in Wohnvierteln und auch zu Massakern kam, wie etwa in der Ortschaft Hula. Die Gewalt machte immer mehr Syrer zu Flüchtlingen, die zu Hunderttausenden in Lager in der Türkei, Jordanien und dem Libanon strömten.

Nachdem am 22. Juni ein türkischer Kampfjet nahe der syrischen Grenze abgeschossen worden war, drohte eine offene militärische Konfrontation zwischen der Türkei und dem syrischen Regime.

Die Türkei reagierte auch auf den wiederholten Beschuss türkischer Grenzdörfer von syrischem Gebiet aus mit der Entsendung von Truppen an die Grenze.

Ab dem Spätsommer konnten die Rebellen immer wieder militärische Erfolge erringen, so eroberten sie bis zum Ende des Jahres große Teile der Provinzen Idlib, Dair az-Zur und Aleppo.

Der Bürgerkrieg droht sich indessen immer mehr zu einem konfessionell bzw. ethnisch motivierten Konflikt entwickeln und sich auch auf die Nachbarstaaten Syriens auszuweiten.

Radikale Gruppen wie die Al-Nusra-Front (Dschabhat al-Nusra) gewinnen immer mehr an Boden innerhalb der Opposition.

Die internationale Gemeinschaft betrachtet mit wachsender Sorge auch das Chemiewaffen-Arsenal des syrischen Regimes und die NATO beschloss, zum Schutze ihres Bündnispartners Türkei sog. „Patriot“-Raketen an der syrischen Grenze zu stationieren.

Der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte in Bezug auf Syrien auf seiner Jahrespressekonferenz in New York: „In Syrien ist die Situation Monat für Monat schlimmer geworden (…) Dörfer und Städte wurden zerstört, mehr als 500.000 Syrer sind ins Ausland geflohen. Ich spüre Angst und Wut über die Angriffe auf so viele Zivilisten.“

Libyen

Nachdem sich das libysche Volk 2011 gewaltsam von seinem langjährigen Herrscher Muammar al-Gaddafi befreit hatte, begannen die Vorbereitungen zu den ersten freien Parlamentswahlen. Jedoch war die immer noch große Macht der Bürgerkriegsmilizen ein Instabilitätsfaktor.

Teilweise kontrollierten Milizen ganze Städte und Landstriche und es kam vereinzelt zu Gefechten zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen. Vor allem die Erstürmung des US-Konsulats und die damit verbundene Ermordung des Botschafters und dreier Mitarbeiter in Benghazi am 11. September stellte die unkontrollierbare Macht der Milizen in Frage. Während einige Medienberichte davon ausgingen, dass ein spontaner Mob, der sich infolge eines Schmähfilms gegen den Propheten Mohammed auf youtube gebildet hatte, hinter der Attacke steckt, sprechen andere von einem gezielten Al-Qaida-Angriff.

Der neu gewählte Ministerpräsident Mustafa Abu Schagur war Anfang Oktober mit seinem Kabinettsvorschlag im Parlament gescheitert. Daraufhin war der als liberal geltende Ali Seidan mit der Regierungsbildung beauftragt worden.

Bahrain und Kuwait

In den beiden arabischen Anrainerstaaten des Persischen Golfs kam es abseits der Weltöffentlichkeit 2012 ebenfalls zu politischen Protesten. In Bahrain demonstrierte hauptsächlich die schiitische Bevölkerungsmehrheit für mehr politische Rechte. Das sunnitische Herrscherhaus des kleinen Landes reagierte jedoch mit Gewalt auf die Forderungen und ließ die Proteste auch mithilfe saudischer Truppen niederschlagen.

Auch im Golfstaat Kuwait kam es im Oktober 2012 zu politischen Protesten, nachdem im Februar das neugewählte Parlament, in dem die Opposition die Mehrheit erlangt hatte, aufgelöst wurde. Mehr als 100.000 Menschen demonstrierten gegen eine Wahlrechtsänderung und boykottierten die Neuwahlen am 1. Dezember.