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Politik

Abbruch der Beitrittsgespräche: Erdoğan pfeift auf die Entscheidung des EU-Parlaments

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Das EU-Parlament hat noch gar nicht abgestimmt über ein Einfrieren der Beitrittsgespräche mit der Türkei, da macht Präsident Erdoğan schon deutlich, was das Ergebnis für ihn bedeutet: nichts.

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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan misst der bevorstehenden Abstimmung im EU-Parlament über ein Einfrieren der Beitrittsgespräche mit seinem Land keinerlei Bedeutung bei. „Ich rufe allen, die uns vor den Bildschirmen zusehen, und der ganzen Welt zu: Egal wie das Resultat ausfällt, diese Abstimmung hat für uns keinen Wert“, sagte Erdoğan bei der 32. Wirtschaftskonferenz der Organisation für Islamische Zusammenarbeit am Mittwoch in Istanbul. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kritisierte Erdoğans Politik bei einer Ansprache im Bundestag scharf, sprach sich aber gegen einen Abbruch der Kontakte aus.

Die größten Fraktionen im Europaparlament einigten sich darauf, ein „vorübergehendes Einfrieren“ der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei zu fordern. „Das heißt, wir hören auf, über offene Verhandlungskapitel zu sprechen, und öffnen keine neuen“, sagte die Türkei-Berichterstatterin des Europaparlaments, Kati Piri. Über die Resolution soll an diesem Donnerstag abgestimmt werden. Die EU-Kommission, die die Verhandlungen führt, ist nicht daran gebunden.

„Alleine dass das Europaparlament sich an so eine Abstimmung macht, ist Ausdruck dafür, dass es Terrororganisationen in Schutz nimmt und sich an deren Seite stellt“, sagte Erdoğan. Er kritisierte erneut, die PKK könne in der EU ungehindert agieren. „Ohnehin laufen im Moment in vielen europäischen Ländern Terroristen frei herum. Viele europäische Länder helfen Terroristen und gewähren ihnen Unterschlupf.“ Entsprechende Vorwürfe hatte Erdoğan zuvor besonders an Deutschland gerichtet.

Merkel: Gesprächsfaden nicht abreißen lassen

Die deutsche Bundeskanzlerin wies diese Beschuldigungen zurück. Die Bundesregierung sei genauso wie jeder in Europa dem Kampf gegen Terrorismus verpflichtet. Die Kanzlerin fügte hinzu, die Einschränkung der Pressefreiheit und die Verhaftung von Abertausenden von Menschen seien nicht zu rechtfertigen. „Insofern müssen wir das deutlich kritisieren.“ Zugleich werbe sie aber dafür, den Gesprächsfaden mit der Regierung in der Türkei nicht abreißen zu lassen. „Das schließt aber nicht aus, dass das, was alarmierend zu sehen ist, klar angesprochen wird.“

Die PKK ist auch in der EU als Terrororganisation eingestuft. Erdoğan wies am Mittwoch Kritik aus der EU an den Massenfestnahmen und Entlassungen in der Türkei nach dem Putschversuch Mitte Juli zurück. „Bis heute haben wir unzählige Male gezeigt, dass wir mehr als viele Mitgliedsstaaten für die Werte der Europäischen Union eintreten.“ Erdoğan hatte kürzlich von der EU eine Entscheidung über einen Abbruch der Beitrittsverhandlungen bis zum Ende des Jahres gefordert und andernfalls ein Referendum über deren Fortsetzung angekündigt.

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann warf Erdoğan eine systematische Aushöhlung der Demokratie vor. Wer Richter, Staatsanwälte, Journalisten und Oppositionsabgeordnete ins Gefängnis stecke, „zerstört die Demokratie, auch die moderne Türkei“, sagte Oppermann im Bundestag. „Dazu darf Europa nicht schweigen.“ Sollte die Türkei die Todesstrafe einführen, wäre das das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen: „Da darf es kein Vertun geben.“

Erneute Beurteilung soll nach Ende des Ausnahmezustands erfolgen

Nach dem Resolutionsentwurf des Europaparlaments sollen die EU-Beitrittsgespräche bei einer Wiedereinführung der Todesstrafe formal suspendiert werden. Im Gegensatz zum bloßen Einfrieren der Gespräche würde dies bedeuten, dass die Mitgliedstaaten einstimmig über eine Wiederaufnahme der Verhandlungen entscheiden müssten, sagte Piri. „Das käme einem Ende des Beitrittsprozesses gleich.“

Sobald Ankara den Ausnahmezustand aufgehoben hat, wollen die Abgeordneten neu bewerten, ob das Land zu Rechtsstaatlichkeit und Achtung der Menschenrechte zurückgekehrt ist. Der von Erdoğan in Folge des Putschversuches verhängte und bereits einmal verlängerte Ausnahmezustand gilt noch mindestens bis Mitte Januar.

Erdoğan nahm am Mittwoch außerdem den künftigen US-Präsidenten Donald Trump gegen Kritiker aus Europa und den USA in Schutz. Trump sei unter anderem bei Demonstrationen in Europa als „Diktator“ bezeichnet worden, kritisierte Erdoğan. „Wenn sie jemanden einen Diktator nennen, dann ist dieser meiner Ansicht nach gut.“ Auch an Trumps Tiraden gegen Muslime und den Islam stoße er sich nicht. „Das sind wir in der Politik gewohnt. Wenn man heute so spricht und es falsch ist, kann man das in Ordnung bringen. In diese Falle sollten wir nicht tappen“, so Erdoğan. Er warf der EU außerdem vor, das Ergebnis der US-Wahl nicht zu respektieren. (dpa/ dtj)