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Politik

Präsidentenwahl in Algerien: „Der bleibt, bis er tot ist“

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In Algerien steht am Donnerstag die Präsidentenwahl an. Als Favorit gilt ein Phantom: Der langjährige Präsident Abdelaziz Bouteflika. Doch wie kann ein Mann zur Wahl antreten, der nicht einmal mehr eine Rede halten kann? (Foto: reuters)

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Im Algerien steht am Donnerstag die Präsidentenwahl an. Als Favorit gilt ein Phantom: Der langjährige Präsident Abdelaziz Bouteflika.
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Der Präsident spricht nicht mehr zu seinem Volk, dennoch ist er allgegenwärtig. Abdelaziz Bouteflika blickt in der algerischen Hauptstadt von Plakaten und riesigen Transparenten. In Geschäften hängen gerahmte Porträts und selbst auf Autos sind Aufkleber mit dem Konterfei des Staatschefs zu sehen. Am kommenden Donnerstag will sich der 77-Jährige zum vierten Mal zum Staatschef des öl- und gasreichen nordafrikanischen Landes wählen lassen. Dabei ist er seit einem schweren Schlaganfall im Frühjahr 2013 so angeschlagen, dass er seitdem keinen großen öffentlichen Auftritt mehr absolvieren konnte.

Wie kann ein Mann zur Wahl antreten, der nicht einmal mehr eine Rede hält? Auf diese Frage gibt es in Algerien zwei grundsätzlich unterschiedliche Antworten. Die Anhänger des Präsidentenlagers verweisen darauf, dass Bouteflika das Land nach dem blutigen Bürgerkrieg in den 90er Jahren vorangebracht habe und darauf, dass er für Stabilität und Sicherheit stehe. Dafür brauche es keine großen Reden, heißt es.

Die Gegner hingegen behaupten, Bouteflika halte sich nur durch ein ebenso korruptes wie undurchsichtiges System an der Macht. Manche sind sogar fest überzeugt, dass der früher so redegewandte Politiker nur noch eine Marionette des mächtigen Geheimdienstes und des Militärs ist. „Die Mafia“ nennen Kritiker den Staatsapparat ihres Landes kurz und knapp.

„Der bleibt, bis er tot ist“

Relativ einig ist sich die Bevölkerung nur darin, dass ein erneuter Wahlsieg Bouteflikas sehr wahrscheinlich ist – sei es aufgrund seiner „enormen Popularität“ oder aufgrund „eines ausgefeilten Wahlfälschungssystems“. „Der bleibt, bis er tot ist“, sagt Boudiaf Sid-Ali von der algerischen Menschenrechtsliga (LADDH).

Selbst Regimekritiker sind dieser Meinung. Das liegt vor allem daran, dass ein Aufstand gegen das autoritäre System als äußerst unwahrscheinlich gilt. Viele Algerier erinnern sich mit Schrecken an den Bürgerkrieg in den 90er Jahren. Im Dezember 1991 annullierte die algerische Regierung unterstützt vom Militär nach dem ersten Wahlgang der damaligen Parlamentswahlen die Ergebnisse, nachdem sich ein Wahlsieg der Islamischen Heilsfront abzeichnete. Im Jahr 1992 folgte ein Staatsstreich des Militärs und der Konflikt eskalierte. Schätzungsweise 150 000 Menschen starben damals bei Kämpfen zwischen dem algerischen Militär und verschiedenen islamistischen Gruppen. „Nie wieder Gewalt“, lautet seitdem das Motto vieler Algerier.

Als es nach den Aufständen in Ländern wie Tunesien, Ägypten und Libyen auch in Algerien zu Protesten kam, sorgten ein paar Geschenke und Zugeständnisse der Regierung und der feste Griff des algerischen Sicherheitsapparat für relative Ruhe. Offiziell wurde unter anderem der Ausnahmezustand aufgehoben und Preissenkungen für Grundnahrungsmittel wie Zucker und Speiseöl verkündet.

Gegenkandidaten ohne Struktur und ohne Chance

Immer wenn tiefgreifende Änderungen gefordert werden, verweisen die Regimeanhänger auf die als Unruheherde geltenden Nachbarländer wie Libyen, Mali oder auch Tunesien. Ein Schock für das ganze Land war die Geiselnahme von Mitarbeitern des ostalgerischen Gasfeldes In Amenas im Januar 2013. Bei dem von Extremisten im Zuge des Mali-Krieges verübten Angriffs kamen allein rund drei Dutzend ausländische Geiseln ums Leben.

Die fünf Gegenkandidaten von Bouteflika, darunter der frühere Ministerpräsident Ali Benflis, müssen in den letzten Tages des Wahlkampfes auf eine große Überraschung hoffen. Sie versprechen mehr Demokratie und einen besseren Einsatz der Rohstoffeinnahmen für das Wohl der Bürger, haben aber kaum eine Struktur, um in dem größten afrikanischen Flächenstaat eine erfolgreiche Kampagne fahren zu können.

Die Maschinerie des Bouteflika-Lagers läuft dagegen wie geschmiert. Statt des kandidierenden Präsidenten treten bei den Wahlkampfveranstaltungen seine Parteifreunde auf. Aus Lautsprechern tönen Aufnahmen von alten Reden des Staatschefs. Protest-Aufrufe von Intellektuellen oder Bewegungen wie Barakat konnten bislang keine Massen in dem Mittelmeerland mit knapp 39 Millionen Einwohnern mobilisieren.

Die Türkei intensivierte jüngst ihre Zusammenarbeit mit der algerischen Regierung. Das türkische Kabinett stimmte im Januar einem Kooperationsabkommen im Bereich Militärtechnik zu. Das Abkommen sieht eine Zusammenarbeit zwischen der Türkei und Algerien bei der Forschung und Entwicklung von Waffensystemen vor. (dtj/dpa)