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Politik

Abgeordnete warnen vor Macht des MİT

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Ein Gesetzesentwurf der türkischen Regierung zur Stärkung des Geheimdienstes sorgt in Ankara für Unmut. Die nunmehrige Ankündigung, zwei Artikel abzuändern, reicht der Opposition nicht aus. (Foto: cihan)

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Ein Gesetzesentwurf der türkischen Regierung zur Stärkung des Geheimdienstes MİT sorgt in der Türkei für Unmut. Die Opposition übt scharfe Kritik.
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Nach heftiger Kritik vonseiten der Opposition hat die türkische Regierung angekündigt, zwei Artikel im Gesetzesentwurf zur umstrittenen Geheimdienstreform abzuändern. Im türkischen Parlament war es am Samstag zuvor zu heftigen Debatten gekommen und die Opposition kritisierte, dass der Gesetzesentwurf dem türkischen Geheimdienst Millî İstihbarat Teşkilâtı (MİT) außerordentliche Macht verleihen würde und Geheimdienstmitarbeiter nahezu unantastbar für die Justiz mache.

Der stellvertretende Premierminister Beşir Atalay erklärte vor Journalisten in Ankara die Änderungen. Ihm zufolge soll der türkische Premier Recep Tayyip Erdoğan nun nicht mehr wie zuvor vorgesehen Chef des Verwaltungsrates des MİT werden. Die zweite Abänderung des Gesetzesentwurfs betrifft Atalay zufolge die geplante Gefängnisstrafe für Journalisten, die als vertraulich eingestufte Geheimdienstdokumente veröffentlichen. Die angedrohte Haftstrafe von bis zu zwölf Jahren soll Atalay zufolge reduziert werden.

Doch die Kritik der Opposition riss auch nach der Abänderung der zwei Artikel nicht ab. Während die Kommission für innere Angelegenheiten am Sonntag im Parlament weiter tagte, äußerten einige Abgeordnete der Opposition im Saal lautstarke Kritik. Ihr Ärger richtete sich gegen den in ihren Augen halbherzigen Versuch der Regierung, durch die Abänderung der zwei Artikel des Gesetzesentwurfs die Opposition zu besänftigen. Umstrittene Punkte, wie etwa der im Gesetzesentwurf vorgesehene Zugang zu privaten Informationen, Geschäfts- und Bankdaten wurden den Kritikern nach nicht verändert.

Opposition schlägt Alarm

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Cumhuriyet Halk Partisi (dt. Republikanische Volkspartei, kurz CHP), Engin Altay, bezeichnete die Abänderung des Gesetzesentwurf als mangelhaft und warnte vor den Folgen der geplanten Geheimdienstreform: „Der Gesetzesentwurf eliminiert die Rechenschaftspflicht (von MİT-Mitarbeitern) vor dem Gesetz. All diese Gesetze werden letztendlich auf euch (die jetzige Regierung) zurückkommen, weil sie keine ausreichende gesetzliche Grundlage haben und weil das alles bei einem Blick auf die Resultate nicht zu verantworten ist.“

Der CHP-Abgeordnete aus Gaziantep, Mehmet Şeker, warnte davor, dass der Gesetzesentwurf in seiner jetzigen Fassung außerdem die Vertuschung von unaufgeklärten Morden ermögliche, da Geheimdienstmitarbeiter dem Entwurf zufolge nicht vor Gericht über ihre Aktivitäten für den MİT aussagen müssen.

„Durch den MİT-Gesetzesentwurf werden Gespräche mit Terrororganisationen legal, weil die Definition von ‚nationalem Interesse’ weit gefasst ist. Sieht diese Gesetzgebung vor, auf Grundlage dieses Entwurfes ebensolche (Terror-) Organisationen mit Waffen und Geld auszustatten? Werden fortan LKW-Ladungen von Waffen und Ausrüstung über die Grenze an die syrische Opposition als Zuständigkeitsbereich des MİT betrachtet? Wir müssen die Grenzen des Geheimdienstentwurfes klarer machen“, forderte Şeker.

„Gesetzesentwurf hat das Potenzial, den Rechtsstaat zu schädigen“

Auch vonseiten der rechtsgerichteten Milliyetçi Hareket Partisi (dt. Partei der Nationalistischen Bewegung, kurz MHP) wurde der Gesetzesentwurf zur Geheimdienstreform scharf kritisiert. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Oktay Vural sagte mit Bezug auf die Geheimdienstreform: „Der Gesetzesentwurf ignoriert die grundlegenden Regeln des Staates. Warum hat die Regierung diesen Entwurf nach der (Anti-Korruptions-) Operation vom 17. Dezember eingebracht? Das Timing ist bedeutsam. Die Türkei wird als Verlierer da stehen, wenn dieses Gesetz in Kraft tritt. Dieser Gesetzesentwurf hat das Potenzial, den Rechtsstaat zu schädigen.“

Der Entwurf sieht vor, den MİT mit umfassenden Rechten für die Ausführung von Spionageoperationen im In- und Ausland auszustatten. So soll beispielsweise das Abhören von Telefonaten und die Installierung von sog. „Wanzen“ in Telefonen von Geheimdienstmitarbeitern auch ohne Gerichtsbeschluss erlaubt werden. Auf Befehl des für den Geheimdienst zuständigen Staatssekretärs dürfen dem Entwurf nach außerdem auch Telefonate außerhalb der Türkei mitgehört werden. Atalay sagte, aktuell würden 2473 Personen auf Grundlage von Gerichtsbeschlüssen vom MİT abgehört.

Besonders umstritten ist dabei auch ein Artikel, der es dem türkischen Geheimdienst erlaubt, fortan mit Terrororganisationen direkte Gespräche zu führen. Während Kritiker in diesem Artikel einen Schritt hin zur Anerkennung von Terrorgruppen als legitime Verhandlungspartner sehen, schätzte etwa die türkische Zeitung Today’s Zaman, der Artikel solle im Nachhinein die Treffen der türkischen Regierung mit Vertretern der PKK in Oslo zur Koordinierung des Friedensprozesses legitimieren.

Sorge vor Zentralisierung der Macht

Vor den Kommunalwahlen in der Türkei am 30. März häufen sich die politischen Grabenkämpfe im Parlament und die oft öffentlichkeitswirksam vorgetragenen Reden türkischer Politiker. Doch die Debatte um den MİT-Gesetzesentwurf steht auch im Zusammenhang mit den etlichen politischen Skandalen, welche die Türkei im vergangenen Jahr erschütterten. Die Opposition wirft dem Premierminister Erdoğan vor, seine Macht im Staate immer weiter auszubauen.

Als das türkische Parlament vergangene Woche über die von der Regierung geplante Justizreform abstimmte, kam es sogar zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen einigen Abgeordneten. Trotz heftiger Proteste verabschiedete das türkische Parlament damals das neue Gesetz, das wesentliche Befugnisse auf den Justizminister überträgt. Kritiker innerhalb der Opposition äußerten ihre Sorge um die Zukunft der Gewaltenteilung in der Türkei.

Auch der türkische Geheimdienst stand 2013 mehrmals im Fokus der Kritik. Die Errichtung eines gemeinsamen Geheimdienst-Koordinationszentrum (MIKM) wurde von der Opposition als Schritt hin zum Überwachungsstaat gewertet. Das MIKM soll Geheimdienstinformationen aus allen Sicherheitseinrichtungen der Türkei gemeinsam verfügbar machen.

Auch die Veröffentlichungen vertraulicher Geheimdienstdokumente im Dezember durch die Zeitung „Taraf“ erschütterten das Vertrauen der türkischen Öffentlichkeit in den MİT schwer. Die Dokumente zeigten, dass der türkische Geheimdienst bis 2013 gezielt glaubensbasierte Gruppen überwachte.