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Kolumnen

Abgeordnetendiäten: Fragt den Wähler!

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Eine Expertenkommission hat kürzlich die Forderung gestellt, die Entlohnung der Bundestagsabgeordneten an jene der Bundesrichter zu koppeln. Viele Bürger erkennen keine Relation zwischen Verdiensthöhe und erbrachter Leistung. (Foto: epa)

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Abgeordnetendiäten: Fragt den Wähler!
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Die Frage ist so alt wie der Parlamentarismus selbst und sie erhitzt ein ums andere Mal die Gemüter: Welchen Wert hat die Arbeit der Abgeordneten? Und was sind die Bürger bereit, dafür zu zahlen? Die Debatte darüber verknüpft die ideelle Wertschätzung eng mit der finanziellen. Dabei vertreten viele Bürger inzwischen die Ansicht, die Tätigkeit der Abgeordneten des Bundestages und der Landtage sei für sie zunehmend wertlos. Sie sehen ihre Interessen als durch die Parlamentarier vernachlässigt an und nehmen sie vornehmlich nicht mehr als Vertreter des Volkes, sondern als Erfüllungsgehilfen der Regierungen wahr. Und deshalb sind sie kaum noch bereit, eine Erhöhung der Bezüge der Abgeordneten zu billigen.

Dennoch wagt eine sogenannte Expertenkommission des Bundestages unter Leitung des ehemaligen FDP-Justizministers Edzard Schmidt-Jortzig nun einen neuen Vorstoß. Kurz vor Ostern legte die Kommission ihren 42-seitigen Abschlussbericht vor. Sie schlägt eine Anpassung der Abgeordneten-Diäten an die Gehälter von Bundesrichtern vor. Das Grundgehalt für Richter in der sogenannten Besoldungsgruppe R6 beträgt 8.520 Euro und wird bald auf 8.726 Euro ansteigen. Die Kommission empfiehlt, auch Amts-, Familien- und Kinderzulagen der Richter auf Politikergehälter zu übertragen. Außerdem sollen die Bezüge künftig mit den Gehältern der Richter regelmäßig steigen. Bislang ist das nicht so, der Bundestag muss jede Erhöhung beschließen.

Zu den Diäten kommt noch eine Pauschale für „besondere Aufgaben“ dazu

Obwohl es diese Hürde gibt, sind die Bezüge der Bundestagsabgeordneten in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Bis zum Ende des vergangenen Jahrzehnts lagen sie bei knapp über 7000 Euro. Als damals über eine Erhöhung diskutiert wurde, sprachen sich 84 Prozent der Deutschen dagegen aus. Bewirkt hat ihr Votum nichts, denn die Abgeordneten genehmigten sich einen Gehaltszuschlag in mehreren Schritten um 1000 Euro auf heute 8.252 Euro. Zuletzt stiegen ihre Bezüge im Januar um 292 Euro. Ihr heutiges Einkommen aber ist den Volksvertretern ihrer Selbsteinschätzung nach aber, wie es aussieht, noch lange nicht hoch genug.

Um einer möglicherweise drohenden Verarmung entgegenzuwirken, gelten übrigens die Diäten nur als ein Teil des Abgeordneten-Einkommens. Diese erhalten nämlich außerdem eine Kostenpauschale für „besondere Ausgaben“ in Höhe von 4.123 Euro. Zu diesen „besonderen Ausgaben“ zählen die Wohnung in Berlin, Kosten des Wahlkreisbüros und Fahrten im Wahlkreis. Die Pauschale ist steuerfrei.

Seit er den Bericht der Experten gelesen hat, ist auch Bundestagspräsident Norbert Lammert der Ansicht, eine Anpassung der Diäten an die Gehälter von Bundesrichtern sei durchaus zu erwägen. „Ich persönlich finde das Ergebnis bemerkenswert, das mir diese Kommission überreicht hat“, sagt Lammert in einem Interview der Leipziger Volkszeitung. Er empfiehlt dem Bundestag sogar, das Thema rasch aufzugreifen. „Eigentlich wäre es schön, wenn auch nicht unbedingt wahrscheinlich, wenn es jetzt eine einvernehmliche Verständigung unter den Fraktionen gäbe, ob und welche der Empfehlungen man tatsächlich aufgreifen will, um sie mit Blick auf einen neuen Bundestag, der noch gar nicht gewählt ist, auf den Weg zu bringen“, sagt Lammert.

Denn wenn der neue Bundestag die Gehaltserhöhung beschließe, gerate er sofort in Verdacht „die Regelungen für sich selbst zu beschließen“. Eine solche missliche Lage könne der bestehende Bundestag verhindern. Außerdem teile er die öffentliche Meinung über die Einkommen von Abgeordneten nicht. „Bei der Besoldungshöhe empfiehlt die Kommission keine neue Größe, sondern rät uns, endlich umzusetzen, was seit 20 Jahren im Abgeordnetengesetz vorgesehen ist“, argumentiert der Bundestagspräsident.

Eine solche Argumentation ist freilich nur bedingt nachvollziehbar, denn ein Großteil jener Abgeordneten, die derzeit im Reichstag sitzen, wird vermutlich auch nach der Bundestagswahl im September wieder dort vertreten sein. Nicht wenige sitzen bereits mehrere Legislaturperioden im Parlament. Sie haben die Abgeordneten-Tätigkeit zum Beruf gemacht. Diese Abgeordneten würden eine Erhöhung der Bezüge also in jedem Fall in eigener Sache beschließen.

Tatsächlich ist der Bundestag für bestimmte Berufsgruppen besonders attraktiv. Wer sich einmal die Zusammensetzung des Parlamentes anschaut, stellt fest, dass knapp ein Drittel der Abgeordneten (32 Prozent) aus dem Öffentlichen Dienst kommt. Die zweitgrößte Gruppe sind freie Berufe, vorwiegend Rechtsanwälte und Unternehmensberater (21,5 Prozent), gefolgt von Angehörigen politischer und gesellschaftlicher Organisationen wie Gewerkschaften oder Sozialverbänden.

Parlamentsarbeit für Unternehmer und Arbeitnehmer unattraktiv

Warum ist das so? Nun, für die Parlamentarier aus dem öffentlichen Dienst und aus politischen Organisationen ist die Wahl in den Bundestag in der Regel ein enormer Gehalts- und Karrieresprung. Nicht selten verdoppeln sie auf diese Weise ihr Einkommen. Die Abgeordneten aus freien Berufen behalten in der Regel ihre Tätigkeit bei und üben das Mandat nebenher aus. Auch sie erhöhen damit also ihr Einkommen merklich.

Finanziell wäre die Arbeit im Bundestag auch für viele Angestellte und Arbeitnehmer interessant. Doch anders als die Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, die bei einer Wahlniederlage ohne Einschränkungen wieder an ihren alten Arbeitsplatz zurückkehren können, ist dies für Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft nur sehr eingeschränkt möglich. Das hält sie von einer Kandidatur ab. Und Unternehmer haben schlicht keine Zeit für die Ochsentour, die Parteien ihnen auf dem Weg ins Parlament abverlangen.

Folglich sind Unternehmer und ihre Arbeitnehmer im Bundestag kaum vertreten, also ausgerechnet jene Gruppen, die das Land wirtschaftlich auf den Beinen halten. Das heißt, soziologisch betrachtet wird die Mehrheit der Bevölkerung – insbesondere auch ihr produktivster Teil – im Parlament gar nicht repräsentiert. Daran wird auch eine Erhöhung der Abgeordnetenbezüge, ganz gleich, in welcher Höhe, nichts ändern. Wer Unternehmer und Arbeitnehmer für die Politik gewinnen will, muss andere Einstiegsmöglichkeiten schaffen. Das gilt vor allem auch für die von Berufspolitikern durchsetzten und kontrollierten Parteien, die Quereinstiege bis heute unmöglich machen.

Parlamente sind die Grundpfeiler der Demokratie. Es ist eine Auszeichnung, dort die Interessen der Bevölkerung vertreten zu dürfen. Parlamentarismus ist für manchen vielleicht eine Berufung, als Beruf aber ist er nicht gedacht. Die Idee des Parlamentarismus lebt von Leidenschaft, Gestaltungswille und Kommunikation. Mit dem Streben nach dem persönlichen finanziellen Vorteil sollte das Abgeordnetenmandat möglichst nichts zu tun haben.

Gleichwohl sollten Abgeordnete für ihre Aufwendungen hinreichend entschädigt werden. Denn auch das gehört, neben der Ehre, zur Anerkennung für diese Tätigkeit. Aber was ist eine hinreichende, eine angemessene Entschädigung? Die Betroffenen selbst können es wohl am wenigsten entscheiden. Die Antwort auf die Frage, welchen Wert sie der Arbeit der Abgeordneten beimessen, können nur die Wähler selbst geben. Sie sollten entscheiden.