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Politik

Ägypten: Fernsehen vor Gericht

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Die Zensur in Ägypten erreicht seinen traurigen Höhepunkt: Vor einem Kairoer Gericht beginnt der Prozess gegen Mitarbeiter der englischsprachigen Senders al-Jazeera International. Die Journalisten stehen unter Terrorismusverdacht. (Foto: reuters)

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Demonstranten in Kairo
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Laptops, Filmkameras, Drucker, Mikrofone, fein säuberlich sortierte Unterlagen. Die Kamera zeigt Betten und Kleider, persönliche Gegenstände und Lebensmittel. Und dann: Gasmasken und schusssichere Westen – martialische Musik läuft im Hintergrund. Es sind verwackelte, absurde Bilder, die das ägyptische Fernsehen veröffentlicht. Die Botschaft dahinter: Wir dulden keine Terroristen.

Das Video, das bereits mehrmals im ägyptischen Staatsfernsehen gezeigt wurde, zeigt das redaktionelle Provisorium von al-Jazeera International. Die regulären Redaktionsräume wurden wenige Tage zuvor von der Staatsmacht geschlossen. Wegen Verdachts auf Gründung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung. Drei Journalisten des katarischen Senders drohen bis zu sieben Jahre Haft.

Journalisten bekommen volle Härte der Staatsmacht zu spüren

Als die Mitarbeiter von al-Jazeera sich gegen eine Heimreise entschieden und ihre Zelte vorübergehend in einem Luxushotel aufgeschlagen hatten, bekamen die Journalisten die volle Härte der ägyptischen Staatsmacht zu spüren. Angeblich unterstützten die Korrespondenten die ägyptische Muslimbruderschaft und halfen ihr, sich zu organisieren. Am 29. Dezember, dem Tag, an dem die Filmaufnahmen in der Redaktion entstanden, landeten sie kurzerhand im Gefängnis.

Tatsächlich hatten sich der Australier und Ägypten-Korrespondent des Senders, Peter Greste, der kanadisch-ägyptische Bürochef Mohamed Fahmy und der ägyptische Produzent Baher Mohammed, zuvor mit Vertretern der Muslimbruderschaft getroffen, um über sie zu berichten. Ihnen wird in diesem Zusammenhang vorgeworfen, falsche Nachrichten verbreitet zu haben und ohne Presseausweis und mit nicht genehmigten Ausrüstungsgegenständen gearbeitet zu haben.

Die Haftbedingungen zerren an den Nerven

Die ganze Anklage klingt wie ein schlechter Witz, wenn es nicht so bitterernst wäre: Die drei Angeklagten saßen während ihres Prozesses in einem Gitterkäfig. Greste, der des Arabischen nicht mächtig ist, verstand kein Wort, von dem was über ihn gesagt und entschieden wurde. Die Haftbedingungen der Journalisten sind mehr als besorgniserregend.

Nur eine Stunde Sonnenlicht am Tag. 24 Stunden Einzelhaft. Schlafen auf dem Boden. Ohne Kissen oder Decke. Das kratzt an den Nerven: „Physisch geht es uns einigermaßen gut, aber psychologisch ist die Haft schwer“, sagte Greste den im Gerichtssaal anwesenden Journalisten.

Pressezensur sorgt für internationale Kritik

International hat der Fall zu Protesten geführt. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch fordert die sofortige Freilassung der drei al-Jazeera-Mitarbeiter. „Journalisten sollten nicht riskieren, jahrelang in Ägypten weggesperrt zu werden, nur weil sie ihre Arbeit gemacht haben“, heißt es in einer Erklärung.

Vor dem Kairoer Gerichtsgebäude hatten sich Familienangehörige und Journalisten bereits in den frühen Morgenstunden versammelt. Die Anklage habe keinerlei Basis, sagte Heather Allen, die weltweit die Korrespondentenbüros von al-Jazeera koordiniert. Die schusssicheren Westen und Gasmasken gehörten neben den gefundenen Kameras und Mikrofonen zur Ausrüstung eines Journalisten in Ägypten.

ARD-Fernsehteam angegriffen

Die tägliche Arbeit wird für Journalisten immer schwerer. Hohe Religionsführer und Armeevertreter verteufeln die westliche Presse als „Terrorismus“, mit dem man ein schlechtes Bild von Ägypten im Ausland vermitteln wolle. Die Spaltung des Landes heizt die Gemüter weiter auf. Journalisten werden verteufelt und zur Wurzel allen Übels stilisiert.

So ist es kaum verwunderlich, dass Regierungsanhänger und Muslimbrüder, die Opposition, gleichermaßen gegen Journalisten vorgehen. In den vergangenen Monaten kam es vermehrt zu Übergriffen. Ein ARD-Fernsehteam wurde von einem aggressiven Mob fast getötet. Nur das beherzte Eingreifen eines Soldaten verhinderte einen Lynchmord.

Das Klima für Journalisten hat in Ägypten ein Niveau erreicht, das nur noch als hochgefährlich einzuschätzen ist. Während ägyptische Medienvertreter die Gradwanderung zwischen Kritik und Dissidenz beherrschen, wird die Arbeit für internationale Medien immer schwerer. Selbst aufgeklärte Ägypter begegnen Reportern nun mit Misstrauen. Ihnen wird unterstellt, Agenten des Auslands zu sein.

Außenminister Nabil Fahmy versteht die Aufregung nicht: „Ein Gerichtsverfahren ist ein Gerichtsverfahren.“ In der Anklage gehe es nicht um die Meinungsfreiheit. „Ausländische Journalisten können frei in Ägypten arbeiten“, sagt er. Sie seien willkommen, solange sie sich an die ägyptischen Gesetze hielten.

 Mehr über die Rolle der Medien in Ägypten hier.