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Politik

„Polizisten schießen, um zu töten“

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Das Militär hat die Straßenproteste der Muslimbrüder nach dem Sturz von Präsident Mursi satt. Eindrucksvoll inszenierte Massenkundgebungen der eigenen Anhänger betrachtet die Armeeführung als „grünes Licht“ für ein hartes Durchgreifen. (Foto: dpa)

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Bei Zusammenstößen von Muslimbrüdern und Sicherheitskräften sind am frühen Samstagmorgen in Kairo Dutzende Menschen getötet worden. Nach Angaben der Muslimbruderschaft des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi starben mindestens 120 Menschen, nachdem Einheiten der Bereitschaftspolizei eine Menge von Demonstranten am Rande ihres Protestcamps in der Vorstadt Nasr City angegriffen hatten. Rund 4000 Menschen wurden nach diesen Angaben verletzt. Das ägyptische Gesundheitsministerium sprach zunächst von 21 Toten.

Der blutige Konflikt ereignete sich in der Nasr-Straße, die zum Protestlager der Muslimbruderschaft vor der Raba-al-Adawija-Moschee führt. Tausende Anhänger der Organisation lagern dort seit mehr als drei Wochen. Sie protestieren gegen Mursis Absetzung durch das Militär am 3. Juli. Der ehemalige Präsident war vor etwas mehr als einem Jahr nach freien Wahlen ins höchste Staatsamt gelangt.

Dramatische Szenen im Feldspital

Was die Zusammenstöße am Rande des Protestcamps ausgelöst hat, war zunächst unklar. Im Feldspital der Muslimbruderschaft spielten sich am Samstagmorgen nach Angaben ägyptischer Reporter dramatische Szenen ab. Immer wieder wurden Tote und Schwerverletzte gebracht. Die Ärzte kamen mit der Versorgung der Verwundeten kaum nach. Der Sprecher der Bruderschaft, Gehad al-Haddad, erklärte verbittert: „Sie (die Polizisten) schießen nicht, um zu verwunden, sondern um zu töten.“

Am Freitag hatten in ganz Ägypten Hunderttausende Menschen für und gegen die Entmachtung Mursis demonstriert. Während die Muslimbrüder nahezu täglich gegen den Militärputsch demonstrieren, hatte das Militär erstmals seit dem Umsturz die eigenen Unterstützer in Massen auf die Straße gerufen. Armeechef Abdel Fattah al-Sisi wollte sich damit eine Art „grünes Licht“ geben lassen, um noch schärfer gegen die demonstrierenden Muslimbrüder vorzugehen.

Die Demonstrationen am Freitag und in der darauffolgenden Nacht verliefen weitgehend friedlich. Lediglich in der Mittelmeerstadt Alexandria wurden neun Menschen getötet, nachdem bewaffnete Zivilisten einen Demonstrationszug der Muslimbruderschaft angegriffen hatten. Verletzte gab es auch bei Zusammenstößen in einem Kairoer Armenviertel und im Nildelta.

Mursi nun in U-Haft

Innenminister Mohammed Ibrahim kündigte indes in einem privaten Fernsehsender an, dass in Kürze die Pro-Mursi-Proteste in Giza vor der Kairoer Universität und in Nasr City „legal“ aufgelöst werden sollten. Anwohner hätten sich über die Demonstrationen beschwert.

Mursi wird seit dem Umsturz vom Militär an einem unbekannten Ort festgehalten. Seit Freitag ist er formell in Untersuchungshaft und wird des Landesverrats beschuldigt. Darüber hinaus wurden mehrere Mitglieder der Führung der Muslimbruderschaft und rund 600 weitere Funktionäre verhaftet. (dpa/dtj)