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Politik

Die Revolution ist vergessen

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Ägyptens Regierung verkündet den Sieg bei der verfassungsgebenden Volksabstimmung. Die Revolution scheint vergessen. Alles wie früher, könnte man denken: Das Militär bekommt noch mehr Macht und die Opposition wird unterdrückt. (Foto: reuters)

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Referendum
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Der Verfassungsentwurf der ägyptischen Übergangsregierung ist angenommen worden. Das verkündete die Regierung am Tag nach der Volksabstimmung. Angaben des Generalmajors Abdel Fattah Othman zufolge haben 98,1 Prozent für die Annahme der neuen Verfassung gestimmt. Die Wahlbeteiligung fiel hingegen sehr gering aus.

Die politische Opposition und die Muslimbruderschaft, hatten zum Boykott des Referendums aufgerufen. Es bleibt fraglich wie viel Aussagekraft das Ergebnis der Abstimmung über den Willen des ägyptischen Volkes wirklich hat. Insbesondere die Muslimbrüder lehnen die neue Verfassung ab.

„Nutzlose Scheinabstimmung“

Während Generalmajor Othman, der die Öffentlichkeitsarbeit des Innenministeriums koordiniert, von einer 55-prozentigen Wahlbeteiligung spricht, dürfte die Zahl der Wähler weitaus geringer sein. Offizielle Angaben dazu gibt es bis zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Die Muslimbruderschaft spricht deswegen von einer „nutzlosen Scheinabstimmung“

Der Verfassungsentwurf wurde von einem gemäßigteren Teil der ägyptischen Bevölkerung angenommen, die auch die Entmachtung des Präsidenten Mohammed Mursi befürwortete. Mursi wird in den folgenden Wochen der Prozess gemacht. Den beiden starken Männern des Landes, Armeechef und Vizeministerpräsident Abdel Fatah al-Sisi sowie Interimspräsident Idli Mansur, dürften heiße Tage bevorstehen.

Tote und Verletze beim Urnengang

Die neue Verfassung soll den Weg für Parlaments- und Präsidentschaftswahlen ebnen. Während Mansur eine „Rückkehr zur politischen Normalität“ favorisiert, lässt es Armeechef al-Sisi auf eine Kampfkandidatur ankommen. Al-Sisi hatte im Vorfeld der Abstimmung bereits angekündigt, für das Präsidentenamt zu kandidieren.

Auf dem zentralen Tahir-Platz, dem Schauplatz der ägyptischen Revolution, versammelten sich indes bereits Demonstranten. Regierungsinformationen zufolge wurden im Rahmen der Volksabstimmung 444 Menschen, die die Wahl gestört hatten, festgenommen. Am Dienstag, dem ersten Tag der Abstimmung, starben 9 Menschen bei Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten.

Entwurf der Muslimbruderschaft als Vorlage

Trotz aller politischen Gefahren, die weiterhin in der polarisierten Gesellschaft Ägyptens lauern, stellt die Annahme der neuen Verfassung eine echte Errungenschaft dar. Das Land am Nil folgt damit dem Beispiel Tunesiens und verankert grundlegende demokratische Prinzipien in ihre Konstitution.

Die Verfassung beruht zwar zu einem großen Teil auf dem im Dezember 2012 von den Muslimbrüdern verabschiedeten Entwurf, stärkt aber die Freiheitsrechte der Bürger. Er enthält zudem Fortschritte bei der Gleichstellung von Mann und Frau. Die neue Verfassung macht von Mursi verabschiedeten Reformen rückgängig.

Während Formulierungen, die dem Islam eine Sonderrolle zugeteilt hatten, aus dem Gesetzestext getilgt wurden, bleiben einige bedenkliche Details bestehen. So stärkt die neue Verfassung die Sonderrolle und den politischen Einfluss des ägyptischen Militärs, während die Muslimbruderschaft weiterhin außerhalb institutioneller Regelungen und Kontrolle operieren kann.

Ägypten bleibt instabil

Ägypten bleibt trotz der Annahme der neuen Verfassung ein instabiler Staat. Zu groß ist die Gruppe der oppositionellen Muslimbruderschaft und ihr Einfluss auf weite Teile der Gesellschaft. Eine stagnierende Wirtschaft macht den meisten Ägyptern zudem zu schaffen. Der nordafrikanische Staat ist noch weit von der erhofften Normalisierung entfernt.

Die Gesellschaft ist gespalten, die Wunden der Revolution und des Mursi-Debakels noch nicht verheilt. Weiterhin ist eine Vielzahl von Waffen im Land. Die Instabilität in der Region, mit dem Sudan als südlichen Nachbarn, Libyen im Osten, dem syrischen Bürgerkrieg und dem gescheiterten Staat Irak in Reichweite, schwemmt Kriminelle und sogenannte Djihadisten an die ägyptischen Grenzen.

Seit dem Ende der Mubarak-Ära konnte keine Regierung für Recht und Ordnung sorgen. Bislang hat die Revolution den Ägyptern mehr geschadet als genützt. Es bleibt nur zu hoffen, dass die neue Verfassung der erste Schritt auf dem richtigen Weg in eine bessere Zukunft für Ägypten ist.