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Syrien: Ärzte unter Bomben

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Aktivisten und Helfer werfen Syriens Regierung und Russland gezielte Luftangriffe auf Krankenhäuser vor. Wird die Einrichtung von Schutzzonen etwas ändern?

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Zivilisten in Aleppo
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Von Jan Kuhlmann, dpa

Aktivisten und Helfer werfen Syriens Regierung und Russland gezielte Luftangriffe auf Krankenhäuser vor. In manchen Rebellengebieten des Bürgerkriegslands droht ein Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung. Wird die Einrichtung von Schutzzonen etwas ändern?

 

Fahd ist gerade in der Notaufnahme, als er das Rauschen eines Kampfjets hört. Der junge Anästhesie-Helfer und seine Kollegen im Krankenhaus des syrischen Ortes Kfar Tacharim haben in dieser Nacht viel zu tun, weil sie Opfer eines Angriffes in der Nähe versorgen. Das Rauschen wird langsam lauter. «Dann gab es eine Explosion», erinnert sich Fahd. «Splitter und Steinbrocken fielen auf unsere Köpfe.» Der Strom wird unterbrochen, Menschen schreien, Panik.

Fahd versucht aus dem Gebäude zu kommen, doch Trümmer versperren die Tür der Notaufnahme. Zwei, drei Minuten habe es gedauert, dann hätten die Jets das Krankenhaus erneut angegriffen, schreibt Fahd über Kanäle im Internet. «Ich wusste nicht, ob ich überleben würde.»

So schildert der 29 Jahre alte Syrer die Nacht auf den 25. April, als gegen zwei Uhr morgens zwei Bomben das Krankenhaus Kafr Tacharim erschüttern. Videos zeigten später einen tiefen Krater neben der Klinik, umgeben von Trümmern. Aktivsten machten für den Angriff auf den von Rebellen kontrollierten Ort Russland verantwortlich, im Bürgerkrieg Syriens der wichtigste Verbündete der Regierung.

Seit Wochen melden Aktivisten und Helfer aus den Rebellengebieten im Nordwesten des Bürgerkriegslandes regelmäßig Bombardierungen von Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen. Im April haben sie allein in der fast vollständig von unterschiedlichen Rebellengruppen kontrollierten Provinz Idlib 24 solcher Angriffe gezählt. «Das bedeutet, dass es alle 28 Stunden einen Angriff gab», sagt Noelia Monge, Syrien-Koordinatorin der internationalen Hilfsorganisation Ärzte der Welt.

Seit Anfang des Jahres hat sich die Lage in dem ländlichen Gebiet, wo nach Schätzungen rund zwei Millionen Menschen leben, ohnehin verschlechtert. Erst musste die arme und vom Krieg gebeutelte Provinz Zehntausende Vertriebene aufnehmen, die aus den Rebellengebieten der lange umkämpften Großstadt Aleppo geflohen waren. Später brachen Kämpfe zwischen rivalisierenden radikalen Milizen aus und erschwerten Helfern die Arbeit. Dann kamen die Luftangriffe.

Einen Höhepunkt erreichten sie am 4. April in Khan Scheichun. Am Morgen des Tages strömte in der Stadt zunächst Saringas aus, für Aktivisten und Regierungen im Westen eindeutig die Folge eines Chemiewaffeneinsatzes der syrischen Luftwaffe. Mehr als 80 Menschen starben, Hunderte wurden verletzt. Nach dem Angriff meldeten Journalisten einen Angriff auf das Krankenhaus der Stadt, in dem Opfer versorgt wurden. Ein Video zeigt eine Explosion in der Klinik, während ein Reporter gerade von dort berichtet.

Ende April trafen Bomben sogar eine Geburtsklinik, ebenfalls in Kafr Tacharim. Wie viele andere medizinische Einrichtungen war sie danach außer Betrieb. Aktivisten und auch Hilfsorganisationen haben keinen Zweifel daran, dass hinter den Angriffen eine Strategie der Regierung und ihres Verbündeten Russlands steckt, um in den Rebellengebieten Angst und Schrecken zu verbreiten und die Gesundheitsversorgung zu zerstören. «Es handelt sich um eine systematische Bombardierung», sagt der Manager der Klinik in Kafr Tacharim, Wali al-Mohammed.

Auch Noelia Monge sieht «eine klare Botschaft des Regimes» und verweist auf eine vergleichbare Lage in Aleppo Ende vergangenen Jahres. Während die Kämpfe um die nordsyrische Stadt immer heftiger wurden, häuften sich die Meldungen über Bombardierungen von Kliniken. Damals argumentierten die Anhänger der Regierung, «Terroristen» nutzten die Einrichtungen für Angriffe. Aktivisten und auch Mitarbeiter in Kliniken wiesen den Vorwurf immer zurück.

Die Angriffe machen die Lage für Zivilisten immer schwieriger, weil es in manchen Regionen unter Rebellenkontrolle kaum noch eine medizinische Versorgung gibt. Im Süden Idlibs und im Norden der angrenzenden Provinz Hama sind laut Ärzte ohne Grenzen (MSF) elf Einrichtungen außer Betrieb. Dort arbeite nur noch ein Krankenhaus. Jeder Gang in eine Klinik stelle mittlerweile eine Gefahr dar, erklärt MSF – weshalb die Menschen eher darauf verzichteten. Entsetzt über die Welle von Angriffen zeigten sich auch die UN.

Sicherheitszonen sollen jetzt die Lage in dem Bürgerkriegsland beruhigen – so sieht es ein Abkommen vor, dass die Schutzmächte Russland, der Iran und die Türkei am Donnerstag in der kasachischen Hauptstadt Astana unterzeichneten. Enden damit die Angriffe auf die Klinken? Erste Entwicklungen scheinen die Skepsis von Aktivisten und Oppositionellen zu bestätigen: Es wurden trotz der neuen Regelung Angriffe und Gefechte gemeldet.

Angriff auf Krankenhaus in Khan Shaykhoun(Quelle: Fadi al-Halabi)