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Politik

AfD: Rechtsextreme Begehrlichkeiten aussitzen?

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Durch kluge Regie konnte AfD-Mitgründer Bernd Lucke den Gründungskongress der „Alternative für Deutschland“ von Misstönen frei halten. Die Frage nach der Abgrenzung von Ultrarechts wird die Anti-Euro-Partei dennoch weiterbegleiten. (Foto: dpa)

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AfD: Rechtsextreme Begehrlichkeiten aussitzen?
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In Berlin ging am gestrigen Sonntag der Gründungsparteitag der „Alternative für Deutschland“ über die Bühne. Der Ökonom Bernd Lucke (Foto), die Chemikerin Frauke Petry und der Publizist Konrad Adam wurden dabei zum Führungstrio gewählt. Lucke erhielt auf dem Gründungsparteitag am Sonntag 953 Stimmen, Petry 799 Stimmen, Adam 787 Stimmen, insgesamt waren 989 Stimmzettel gültig.

Schwerpunktthema des Parteitages war die Europapolitik, durch die sich die AfD entscheidend von den bereits im Parlament vertretenen Parteien abgrenzen möchte. Bernd Lucke forderte vor 1.500 Parteimitgliedern in Berlin die Auflösung der Eurozone. Der Euro wäre ein historischer Fehler gewesen, so der Ökonom. „Wenn wir wahre Europäer sind, müssen wir den Euro auflösen”. Der AfD-Sprecher kritisierte zudem die Bundestagsabgeordneten scharf und warf ihnen vor, die Euro-Rettungspakete nur noch abzunicken.

„Wir reden hier von Wortbruch, bis hin zum politischen Betrug”, so Lucke. Demokratie sehe nach Luckes Verständnis anders aus. „Lasst uns mehr Demokratie wagen mit der Alternative für Deutschland.”

Rechtsextreme Umtriebe Schachtschneiders „nicht bekannt”?

Auf dem Gründungskongress beschloss die AfD ein Wahlprogramm für die im September anstehende Bundestagswahl. Dieses ist auf drei Seiten sehr knapp gehalten und vermeidet abseits europapolitischer Themen weitgehend klare und detaillierte Festlegungen.

Dies dürfte es der Parteiführung ermöglicht haben, ohne größeren Widerstand auf Anhieb eine klare Mehrheit für dieses Programm zu erlangen, gleichzeitig vermochte die AfD damit die zahlreichen Skeptiker nicht zu überzeugen, die der Partei im Vorfeld der Gründung ein ungeklärtes Verhältnis zur extremen Rechten zum Vorwurf gemacht hatten.

Und die Frage nach der Abgrenzung gegen Ultrarechts wird die Partei auch nach diesem Parteitagssonntag weiterbegleiten. So wird beispielsweise Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider auf der offiziellen AfD-Seite bis heute als Unterstützer aufgeführt, obwohl er in seinem in rechtsextremen Kreisen beliebten Pamphlet über die „Verfassungswidrigkeit islamischer Religionsausübung in Deutschland“ selbst als promovierter Jurist eine geradezu groteske Ahnungslosigkeit über elementarste Grundlagen des Verfassungsrechts offenbart hat. In einem Interview mit dem Magazin „Cicero“ gab Bernd Lucke an, ihm wären keine rechtsextremen Äußerungen des Professors bekannt.

In mehreren Landesverbänden wurden ehemalige Mitglieder der kulturrassistischen Partei „Die Freiheit“ mit verantwortlichen Positionen betraut. Das bayerische Innenministerium hatte am Freitag erklärt, diese Partei, deren Gedankengut frappierende Ähnlichkeiten zum Manifest des norwegischen Islamkritikers und 77-fachen Mörders Anders Behring Breivik aufweist, künftig vom Verfassungsschutz überwachen zu lassen. Ob über den Aufnahmeantrag des rechtsextremen Fraktionsvorsitzenden der dortigen „Freien Wählergemeinschaft“, Wolfgang Hübner, der erklärt hatte, der AfD beitreten zu wollen, positiv beschieden wird, ist bis dato noch nicht entschieden.

Beschneidung wie Mord bestrafen?

Auch auf facebook hatte die AfD im Vorfeld des Parteitages für Aufsehen gesorgt. Vier Tage vor dem Kongress forderte der Administrator der offiziellen facebook-Seite in stilechtem NPD-Jargon „Klassische Bildung statt Multikulti-Umerziehung“.

Auf der Kandidatenliste zur Wahl der Beisitzer im Bundesvorstand fanden sich Kandidaten, die „Beschneidung wie Hexenverbrennung bestraft“ sehen wollen, den Computerhandel an der Börse verbieten wollen, einen staatlich gesteuerten Religionsunterricht fordern, die „Homo-Ehe“ in eine Reihe mit „Sex mit Tieren“ stellen, Deutschland als „nicht souverän“ betrachten oder „die eigene Geschichte hinterfragen“ wollen.

Vermutlich hatte die Parteitagsregie auch deshalb die Zahl derjenigen Kandidaten, die ein Recht auf Selbstvorstellung erhalten sollten, auf 25 beschränkt.

Programmatisch blieb Lucke bei Themen wie der Zuwanderung kryptisch. Bei der Zuwanderung müsse darauf geachtet werden, dass die Zuwanderer auch integrationswillig und integrationsfähig seien, fordert Lucke. Zuwanderer nach Deutschland zu holen, die sich hier niemals integrieren könnten, sei ein Verbrechen auch an diesen Zuwanderern. Wie diese „Integrationswilligkeit“ bzw. „-fähigkeit“ im Voraus bestimmt werden solle, das sollten wohl – ähnlich wie zahlreiche andere Fragen – die Programmkommissionen klären.

Dass die AfD-Führung auch zahlreiche Themen wie Sozialpolitik oder Wasserprivatisierung diesen Kommissionen überantworten will, dürfte Ausdruck des Versuches sein, die Begehrlichkeiten des rechten Randes zumindest bis nach der Bundestagswahl auszusitzen. Insofern würde auch die Selbststilisierung der AfD als Partei, die „das Lebenswerk Helmut Kohls retten“ wolle, wieder Sinn machen. Allerdings könnte dieses Unterfangen angesichts der Tatsache, dass die betreffenden Kräfte viel Zeit und viel Energie haben, auch nach hinten losgehen.