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Politik

Ägypten: Militärs übertragen sich selbst noch mehr Befugnisse

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Zivile Regierung in Kairo? Bitte warten! Der Kommandeur der Militärjunta, al-Sisi, übernimmt nicht nur das Verteidigungsressort in der Übergangsregierung, sondern macht sich auch selbst zum stellvertretenden Ministerpräsidenten. (Foto: ap)

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Ägypten: Militärs übertragen sich selbst noch mehr Befugnisse
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Erstmals seit dem Putsch reist die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton in das krisengeschüttelte Ägypten. Sie werde am heutigen Mittwoch Übergangspräsident Adli Mansur, Ministerpräsident Hasem al-Beblawi und andere Mitglieder der Übergangsregierung treffen, teilte die EU-Kommission am Dienstagabend in Brüssel mit. Vor ihrer Reise bekräftigte die Britin, in einen politischen Dialog müssten alle Kräfte einbezogen werden, die die Demokratie unterstützten. „Die EU ist entschlossen, den Ägyptern auf ihrer Reise in eine bessere Zukunft der wirklichen Freiheit und des Wirtschaftswachstums zu unterstützen“, so Ashton.

Zwei Wochen nach der Absetzung des gewählten Präsidenten Mohammed Mursi verdichten sich die Hinweise, dass das Militär eine stärkere politische Rolle einnehmen wird als allgemein erwartet. Bei der Vereidigung der Übergangsregierung am Dienstag wurde bekannt, dass der Kommandeur der Streitkräfte, Abdel Fattah al-Sisi, deutlich mehr Befugnisse erhält (zum Portrait von al-Sisi hier klicken). Neben dem Verteidigungsressort übernimmt der von den Muslimbrüdern scharf kritisierte General auch den Posten des ersten Stellvertreters von Ministerpräsident Hasem al-Beblawi.

Militärchef Al-Sisi hatte ursprünglich versprochen, dass die Macht in die Hände ziviler Politiker gelegt werde. An den Spitzen der Wirtschaftsministerien überwiegen Fachleute. Finanzminister wurde Ahmed Galal, ein langjähriger Experte der Weltbank.

Ägyptisches Außenministerium „not amused“ über türkische Position

Ein Sprecher der Muslimbruderschaft kritisierte die neue Regierung als Produkt eines unrechtmäßigen Regimes. Heftige Kritik an der Übergangsregierung äußerte auch die türkische Regierung. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan sagte in einem Gremium seiner Regierungspartei AKP: „Unser Präsident ist Mursi.“ Ein Sprecher des ägyptischen Außenministeriums zeigte sich darüber „äußerst irritiert“.

Die Zahl der Verletzten bei dem bewaffneten Überfall auf einen Militärstützpunkt im Norden Ägyptens ist indessen auf sieben gestiegen, meldet AP am Mittwoch. Der Überfall wurde bei der Stadt Rafah auf der Sinaihalbinsel nahe der ägyptisch-israelischen Grenze verübt. Zunächst war man von zwei verletzten Armeeangehörigen ausgegangen.

Nach den jüngsten Angaben kamen sechs Soldaten zu Schaden. Auch eine 50-jährige Einwohnerin von Rafah wurde verletzt.

Anfang Juli ereigneten sich in einigen Städten im Norden der Sinaihalbinsel Unruhen und Überfälle, hinter denen die Anhänger der Muslimbrüder-Bewegung und des entmachteten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi stehen sollen.

„Kaste von Offizieren will eigene Privilegien sichern“

Zigtausende Mursi-Anhänger blockierten in der Nacht zum Dienstag eine Reihe von Hauptstraßen in Kairo. Die Polizei versuchte, mit Tränengasgranaten die Demonstranten auseinanderzujagen. Auch in anderen Teilen der Stadt kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Unterdessen mehrt sich auch in europäischen Medien die Kritik am Militärputsch und an den Reaktionen der politischen Führungen des Westens. So schrieb beispielsweise die französische Zeitung „Libération“ in ihrer Mittwochsausgabe: „Man muss naiv sein, um zu denken, dass die ägyptische Armee der Verwalter eines Rechtsstaats und einer neuen Revolution sein kann. Sie wird von einer Kaste von Offizieren geführt, die nur daran denkt, ihre eigenen Privilegien zu sichern. Die Dutzenden Demonstranten, die in den vergangenen Tagen durch Kugeln des Militärs getötet wurden, ohne dass sich ein ägyptischer Demokrat darüber aufregt, enthüllen das wahre Gesicht dieser Armee. (…) Der Militärputsch und das komplizenhafte Schweigen des Westens machen die Muslimbrüder zu Opfern und Märtyrern. Es besteht das Risiko, dass sie dadurch Popularität zurückerlangen, die sie durch Unfähigkeit, Totalitarismus und eine schlechte Staatsführung eingebüßt hatten.“ (dpa/RIA Novosti)