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Politik

AKP wiederholt die Fehler des Militärs

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Die AKP war angetreten, um Korruption und Verbote zu beseitigen – und ist nun selbst Verbotspartei, die sich zudem dem Verdacht aussetzt, Korruption zu dulden, zu vertuschen oder zu verharmlosen. So darf Krisenmanagement nicht aussehen. (Foto: rtr)

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Die AKP war angetreten, um Korruption und Verbote zu beseitigen – und ist nun selbst Verbotspartei, die sich zudem dem Verdacht aussetzt, Korruption zu dulden, zu vertuschen oder zu verharmlosen. So darf Krisenmanagement nicht aussehen.
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Das Hauptproblem der „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (Adalet ve Kalkınma Partisi – AKP) ist das Abweichen von ihrer eigenen „Gründungsphilosophie“ und das zunehmend autoritäre Agieren einer Partei, welche mit der Absicht in die Politik gegangen ist, die Demokratie durchzusetzen.

Während sie versprach, Verbote aufzuheben, ist sie mittlerweile selbst zur „Verbotspartei“ geworden.

Ihr Vorsitzender, der selbst lediglich aufgrund einer Rede inhaftiert wurde, die er gehalten hatte, kann plötzlich keine Meinungsfreiheit mehr tolerieren: Was ist los mit der AKP? Wo bleibt ihr „Original“?

Die AKP hat die unbeschränkte Führungsmacht der Militärs und der ihnen loyalen Eliten beseitigt. Die Macht, unbeaufsichtigt und alternativlos die Staatsmacht hemmungslos für eigene Zwecke zu nutzen; das Volk als unmündig zu betrachten; wenn nötig, die selbst gegründeten Medien als Propagandamaschine anzuwenden; davon auszugehen, das Volk jederzeit nach Belieben manipulieren zu können: All dies hat die AKP-Regierung zunichtegemacht.

Doch exakt die Fehler, welche einst die Generäle gemacht hatten, macht die führende Partei der Türkei nun selbst: Den Staat, die Nation und die Staatskasse wurden als persönliches Eigentum angesehen. Die AKP hat die Demokratie auf die Wahlurne reduziert; die Grundrechte und Freiheiten der Menschen, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit geraten zunehmend in Vergessenheit. Kritik wird mit dem Appell an nationalistische Feindbilder und Verschwörungstheorien begegnet.

Stellungnahmen dieser Art lenken die Türkei aber nicht in die Richtung der Demokratie, sondern in die eines autoritären Regimes.

Aus den Trümmern des korrupten Ancien Regimes aufgestiegen

Bis gestern gingen wir davon aus, dass es eine Partei gäbe, welche für Demokratie und Meinungsfreiheit einträte, die sich über die Jahre hinweg jedoch autoritär entwickelt habe und gegenüber verschiedenen Vorstellungen keine Toleranz offenbart – was wir natürlich auch kritisiert haben.

Allerdings sind wir uns heute bewusst, dass das Problem nicht nur an der zunehmenden autoritären Gangart liegt. Schlimmer ist, dass es sich um eine autoritäre Macht handelt, welche nicht allein gegenüber all ihren Voreingenommenheiten und Haltungen aus der Vergangenheit, sondern auch gegenüber der Korruption nicht in der Lage ist, standhaft zu bleiben. Von einer Partei, welche die Buchstabenkombination „AK“ (türkisch: ak; deutsch: rein) im Namen trägt und den Kampf gegen Korruption zu einem ihrer Hauptziele erklärt hat; welche infolge der Aufdeckung einer Korruptionswelle, welche all die anderen Parteien hinweggefegt hatte, an die Macht gekommen ist; wurde erwartet, dass sie sich auch im Angesicht der Versuchungen, die eine so weit gediehene politische Macht bereithalten würde, entsprechend den Geboten von Recht, Gewissen und Moral verhalten würde.

Nur passiert jedoch genau das Gegenteil: Eine Partei, die mit der Absicht, die Korruption zu bekämpfen, angetreten war, verwandelt sich selbst in eine Partei, die den Kampf gegen Staatsanwälte und Polizeibeamte aufnimmt, die sich bemühen, Korruption zu bekämpfen.

Die Verschwörungsnummer zieht nicht mehr

Und das ist der wahre Verrat: Ein Verrat an den Fakten, den Erfolgen in der Vergangenheit, seiner selbst und der Gesellschaft. Anstatt auf die Korruptionsvorwürfe, die Dokumente und – am wichtigsten – auf das gerichtliche Verfahren einzugehen, wählt man genau die gleiche Strategie wie zu Zeiten der Gezi-Vorfälle und bedenkt das Gericht mit Verschwörungsbehauptungen.

Die Analyse von Cengiz Çandar in der Zeitung Radikal beinhaltet einen wichtigen Hinweis an die AKP: „Wenn das Thema ‚Korruption und Bestechung‘ heißt, würde es sich anbieten, es zu vermeiden, von ‚politischer Verschwörung‘, ‚Angriffsziel: Tayyip Erdoğan‘, ‚Angriffsziel: die neue Türkei‘, ‚Hinderung der Türkei am Bestreben, sich zu einer Weltmacht zu entwickeln‘ zu reden – solche und ähnliche ‚Argumente‘ sind nicht gültig. Denn egal, was ihr macht: Solange ihr auf diese Art weitermacht, erweckt ihr unaufhörlich den Eindruck, das Thema ‚Korruption‘ unter den Teppich kehren zu wollen.

Im Gewissen der Öffentlichkeit werdet ihr auf eine unumkehrbare Weise zu ‚Verurteilten‘. Euren Reden im Namen der ‚Moral‘ und Belehrungen im Namen des ‚gesunden Menschenverstandes‘ wird niemand mehr Gehör schenken… Denn Korruption ist das schlimmste Virus der Politik, gegenüber dem das Volk auch am empfindlichsten ist, um nicht in irgendjemandes Falle zu gehen. Sie ist das größte Virus überhaupt, das überall auf der Welt Regierungen zerstört.“

Ich denke, dass die AKP und der Premierminister den größten Fehler ihres politischen Lebens gemacht haben. Anstatt auf die Korruption einzugehen, haben sie den Anschein erweckt, als ob sie versuchen würden, diese zu vertuschen. Ferner haften sie mit dieser Haltung mit für ein „System“, in dem jetzt schon zahlreiche Korruptions- und Bestechungsfälle bekannt vorhanden sind. Und jetzt schon befinden sie sich in einer Position, in welcher ihnen nicht nur die Adressaten der aktuellen Behauptungen, sondern auch alle Inkorrektheiten, welche irgendwann noch mal innerhalb dieses Systems aufgedeckt werden sollten, zugerechnet werden.

Denkzettelwahl am 30. März möglich

Eine politische Verteidigungslinie auf einer derartig starren und pauschalen Position aufzubauen, ist politisch gesehen nicht sehr rational. Sollten sich die Vorwürfe als wahr herausstellen, bietet diese Position keine Chance mehr, einen Schritt zurück zu gehen. Es bleibt nur eine einzige Option übrig: Den Weg der Bestätigung dieser Vorwürfe zu blockieren… Das Untersuchungs- und Gerichtsverfahren kurzfristig zu blockieren ist zwar möglich, dies jedoch auf lange Sicht durchhalten zu können, ist unmöglich.

Schließlich wird das Volk in drei Monaten an die Wahlurnen treten und auf seine Weise die Quittung für das Gebaren der Regierung auch in dieser Angelegenheit ausstellen. Hoffentlich wird dieser Wahlwettbewerb dann „gerecht und unabhängig“ stattfinden. Ich hoffe jedenfalls, dass dann keiner kommen und die Wahlergebnisse als eine „Verschwörung“ bezeichnen wird…

Autoreninfo: İhsan Dağı ist ein renommierter Politikwissenschaftler und Kolumnist bei der türkischen Tageszeitung „Zaman“.