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Politik

Syrien: Al-Qaida-Offensive gegen Kurden-Miliz

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Die Kämpfe zwischen syrischen al-Qaida-Ablegern und kurdischen Kämpfern weiten sich aus. Nach der Eroberung zweier Grenzstädte durch die kurdische PYD läuft nun eine Gegenoffensive der al-Qaida – alles in Sichtweite der Türkei. (Foto: ap)

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Syrien: Al-Qaida-Offensive gegen Kurden-Miliz
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Seit Samstag berichten Bewohner aus den türkischen Grenzstädten Akçakale und Ceylanpınar, sie könnten auf der anderen Seite der Grenze schwere Gefechte hören. Der Krieg rückt wieder einmal in die Sichtweite der Türkei.

Vergangene Woche wurde die jenseits der Grenze liegende Stadt Tall Abyad durch Einheiten der „Partiya Yekitîya Demokrat“ (dt. „Partei der Demokratischen Union“, Kürzel PYD) erobert. Zuvor hatte es schwere Gefechte zwischen der PYD und der radikalen Rebellenfraktion „Dschabhat al-Nusra“ gegeben. Die Eroberung Tall Abyads erfolgte nur wenige Tage nach heftigen Kämpfen in der der syrischen Grenzstadt Ra’s al-‚Ayn nahe des türkischen Ceylanpınar. Auch dort vertrieben die kurdischen Kämpfer die Rebellen und kontrollierten daraufhin die Stadt.

Tall Abyad liegt im weitgehend von syrischen Rebellen kontrollierten Gouvernement ar-Raqqa und unmittelbar an der türkischen Grenze gegenüber der türkischen Stadt Akçakale in der Provinz Şanlıurfa. Die „Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ berichtete, die Kämpfe seien ausgebrochen, nachdem örtliche Einheiten der PYD bemerkt hatten, dass Kämpfer der Dschabhat al-Nusra versuchten, Sprengfallen an einer der PYD-Basen zu montieren.

Als Reaktion darauf nahmen die Einheiten der PYD mehrere Kämpfer der Gruppe und auch den Anführer der Gruppe „Islamischer Staat im Irak und der Levante“ fest. Der Direktor der „Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte“ sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass dies der „nom de guerre“ des Anführers Abu Musab sei und dass nicht bekannt ist, ob er Syrer oder Ausländer ist.

Daraufhin holte die al-Qaida-nahe Gruppe zum Gegenschlag gegen die kurdische PYD aus. Berichten zufolge hat al-Nusra am Samstag eine großangelegte Gegenoffensive zur Rückeroberung der Städte Tall Abyad und Ra’s al-‚Ayn begonnen. Nach Angaben örtlicher Aktivisten warfen die Terroristen dabei bis zu 3000 Kämpfer in die Schlacht um die beiden Grenzstädte und umliegende Gebiete. Dabei werden die Einheiten der al-Nusra anscheinend von Einheiten der ISIS und anderen radikalen Rebellenbrigaden wie etwa „Ahrar al-Sham“ und „Tawhid al-Asima“ unterstützt. Nach schweren Kämpfen mit Kämpfern der PYD gelang es den Rebelleneinheiten am Samstag, vier Dörfer einzunehmen. Aus Tall Abyad wurden bislang 15 verwundete Syrer über die Grenze in die Türkei gebracht, wo sie behandelt werden.

Sowohl in Akçakale als auch in Ceylanpınar gibt es für die verschiedenen Bürgerkriegsparteien strategisch wichtige Grenzübergänge. Die Kämpfe in den syrischen Grenzstädten beeinträchtigen das Leben der Bewohner der türkischen Siedlungen entlang der Grenze, da immer wieder Geschosse auf türkischem Boden einschlagen und zur Gefahr für die dort lebenden Menschen werden. In Ceylanpınar warnten Sicherheitskräfte die Bewohner, ihre Häuser nur im Notfall zu verlassen, nachdem am Dienstag ein 17-Jähriger durch eine verirrte Kugel aus Syrien getötet worden war. Die türkische Armee eröffnete nach dem Vorfall das Feuer auf Ziele jenseits der Grenze, jedoch schlugen schon am Mittwoch erneut in Syrien abgefeuerte Kugeln auf türkischer Seite ein.
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Auf wessen Seite stehen die syrischen Kurden?

Die syrischen Kurden nehmen im Bürgerkrieg des Nachbarlandes eine Sonderstellung ein. Bewaffnete kurdische Verbände kämpften in der Vergangenheit sowohl gegen Regierungstruppen als auch gegen bestimmte Einheiten der Freien Syrischen Armee. Offiziell unterstützen die syrischen Kurden die Opposition, jedoch werden immer wieder Vorwürfe gegen die PYD laut, Kompromisse mit dem Assad-Regime einzugehen, um so die eigene Sicherheit und Autonomie zu erwirken.

Der ehemalige Mufti des nordsyrischen Gouvernements al-Hasaka, İbrahim Nakshbendi, sagte am Sonntag, dass die PYD vom syrischen Regime bewaffnet worden wäre, um der Türkei zu schaden. Nakshbendi floh in den ersten Monaten des Aufstandes in Syrien in die Türkei. Baschar al-Assad ordnete die Hinrichtung des Muftis an, nachdem dieser al-Assad dazu geraten hatte, sich bei seinem Volk für die brutale Niederschlagung des Aufstandes zu entschuldigen und Wahlen durchzuführen. Nakshbendi sagte nun der türkischen Zeitung „Today’s Zaman“, dass die PYD genau wie die Sicherheitskräfte Assads religiöse Araber und Kurden verfolge und dass das syrische Regime die Gruppe bewaffnen würde, um der Türkei „Ärger zu bereiten“. In der Region lebende Juden und armenische Christen hingegen würden von der PYD nicht attackiert. „Die PYD verfügt über keinen starken Rückhalt in der Bevölkerung der nördlichen Region. Aber sie bekommen große Mengen an Munition vom Regime“, erklärte der Mufti.

Die türkische Armee bestätigte letzte Woche, dass die PYD im Zuge einer Offensive Ra’s al-‚Ayn erobert habe. Die jüngsten militärischen Erfolge der PYD schürten in der Türkei Ängste vor einem weiteren Erstarken der PKK-nahen Gruppe und der Errichtung einer autonomen kurdischen Region in Nordsyrien. Bereits am 19 Juli verkündete die PYD, sie beabsichtige eine Gründung einer autonomen kurdischen Gebietskörperschaft.

Der türkische Außenminister Davutoğlu sagte, die Türkei behalte ihre Ablehnung gegenüber der Dominanz terroristischer Gruppen in unmittelbarer Grenznähe bei und rief den UN-Sicherheitsrat zum Handeln auf. Bezüglich des Erstarken der kurdischen PYD in Grenzstädten wie Tall Abyad und Ra’s al-‚Ayn sagte Davutoğlu: „Dies ergibt ein klares Bild davon, wie sehr uns und unsere Bürger die Krise in Syrien betrifft. Wir rufen die internationale Gemeinschaft noch einmal zum Handeln auf. Falls der UN-Sicherheitsrat die ihm zukommende Aufgabe wahrzunehmen beabsichtigt: Jetzt ist der Zeitpunkt dafür gekommen.“
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Zwist unter al-Qaida-Ablegern

Die Gruppe „Dschabhat al-Nusra“ trat im Januar 2012 erstmals in Erscheinung und entwickelte sich seitdem zu einer effektiven und gut organisierten Rebellengruppe. Ihr gehören momentan ca. 8000 Kämpfer an und Berichten der „Zeit“ zufolge sind Geldgeber aus Katar die wichtigste Finanzierungsquelle der Gruppe. Allein bis Mitte 2013 soll bis zu einer Milliarde Euro aus Katar an die Gruppe geflossen sein.

Doch über die genaue Zugehörigkeit der Gruppe gab es zuletzt einen internen Disput unter den Terrorgruppen. Im April 2013 erklärte der Anführer der irakischen al-Qaida, al-Bagdadi, in einer Audiobotschaft, dass al-Nusra nichts weiter als eine Verlängerung der irakischen al-Qaida sei, da sie von der irakischen al-Qaida gegründet, finanziert und unterstützt worden wäre. Er rief daraufhin die Vereinigung der beiden Gruppen zur Überorganisation „Islamischer Staat im Irak und der Levante“ aus.

Der Anführer der al-Nusra, Abu Golani, widersprach dieser Darstellung jedoch und ließ verlauten, er und die gesamte al-Nusra-Führung wüssten nichts über einen Zusammenschluss mit der irakischen al-Qaida. Im Juni 2013 berichtete der Nachrichtensender al-Jazeera, der al-Qaida-Führer Aiman az-Zawahiri hätte sich in den Streit der beiden Gruppen eingeschaltet und sich gegen einen Zusammenschluss ausgesprochen. Er richtete sich dem Bericht zufolge mit dem Vorschlag an die Führer der beiden Gruppen, einen Vermittler heranzuziehen, um die Spannungen abzubauen.

Noch im selben Monat veröffentlichte al-Baghdadi eine erneute Audiobotschaft, in der er den Entschluss az-Zawahiris zurückwies und erklärte, der Zusammenschluss der beiden Gruppen würde weiterhin verfolgt. Über die weiteren Entwicklungen ist bislang wenig bekannt, fest steht jedoch, dass die ISIS ebenfalls über eigene schlagkräftige Einheiten in Syrien verfügt. Die Präsenz der al-Qaida-Ableger schwächt die Position der übrigen syrischen Opposition gegenüber dem westlichen Ausland und es droht ein bewaffneter Konflikt zwischen moderaten Rebelleneinheiten der FSA und Gruppen wie al-Nusra.

Die am diesen Wochenende angelaufene Offensive der al-Nusra gegen die PYD, an der sich auch andere al-Qaida-Ableger beteiligen, deutet auf eine Lösung des Disputes innerhalb des „al-Qaida-Blocks“ hin.