DTJ-Blog
An den Rassismus gewöhnen? Einen Kuckuck werde ich tun!
„Ich habe mein Leben dem Kampf des afrikanischen Volkes geweiht. Ich habe gegen die weiße Vorherrschaft und gegen die schwarze Vorherrschaft gekämpft. Ich bin stets dem Ideal einer demokratischen und freien Gesellschaft gefolgt, in der alle Menschen friedlich und mit gleichen Möglichkeiten zusammenleben. Für dieses Ideal lebe und kämpfe ich. Aber wenn es sein muss, bin ich bereit, dafür zu sterben.“ Nelson Mandela
„Gewöhn Dich gefälligst an den Rassismus in Deutschland im 21. Jahrhundert!“
In einem Bundesland, in dem nur zwei Prozent der Einwohner Muslime sind, gehen heute zwanzigtausend Menschen gegen die angebliche Islamisierung des Abendlandes auf die Straße und protestieren.
Seit dem 11. September hetzen einige Mainstreammedien ununterbrochen gegen Islam und Muslime. Es werden Anschläge auf Moscheen und Asylbewerberheime verübt. Kopftuchtragende Frauen werden diskriminiert, auf offener Straße beleidigt und teilweise gar tätlich angegriffen. Die Mordserie des NSU ist im Sichtfeld der Behörden passiert. Udo Ulfkotte schreibt ein islamophobes Buch, welches sich wochenlang in den Bestsellerlisten hält. Islamhetzer wie Hamed Abdel Samad können es nicht sein lassen, dreist und höchst unmoralisch zu behaupten, dass alle 1,5 Milliarden Muslime an eine Religion glauben, die in ihrem Ursprung zutiefst faschistisch sei. Und für eine solche nicht objektive Meinung bekommt er auch noch binnen ein paar Minuten auf Facebook über tausend Likes.
Menschen mit starken Minderwertigkeitskomplexen, die in TV-Shows eingeladen werden, die sich wahrscheinlich in der Schule bis zum Abitur durchgespickt haben, geben sich als Islamexperten aus. Sie können aber nicht mal ansatzweise richtig erklären, was der Begriff Islam wörtlich übersetzt bedeutet. Ein hochrangiger Politiker hält eine Laudatio für Sabatina James, die für ihr vermeintliches Engagement für Menschenrechte ausgezeichnet wird.
Er hat aber vergessen, dass sie folgende Worte von sich gab:
„Wir müssen auf die Ursachen schauen. Und das ist der Koran. Der Terror kommt nicht von al-Qaida, sondern aus dem Herzen des Islams.“ –„ Die Ursache der Gewalt gegen Andersgläubige, von Zwangsverheiratungen oder der Unterdrückung von Frauen liegt im Koran.“
Mein deutscher Professor sagt mir, dass ich als Muslim in einem Land lebe, dass sechs Millionen Juden systematisch ausgelöscht hat und mich gefälligst an den Rassismus in Deutschland gewöhnen soll.
Im Mittelmeer lässt man tausende Flüchtlinge ertrinken, darunter Kinder, Frauen und Familienväter. Man bringt nicht das geringste Interesse auf, für die Ausbeutung der Länder der Dritten Welt die Konsequenzen zu tragen. Til Schweiger setzt sich für Flüchtlinge ein und bekommt einen Shitstorm zu spüren, der seinesgleichen sucht. Jürgen Todenhöfer, einer der meistgeschätzten Menschen dieses Landes, untermauert, dass nicht Deutschland, nein, sondern ganz Europa hochrassistisch ist. Laut Umfragen schenkt die Mehrheit der Deutschen den rassistischen Thesen Thilo Sarrazins Zustimmung. Jener, der in der Beliebtheitsskala mit Helmut Schmidt gleich auf ist, der vom Volksmund als die höchste moralische Instanz bezeichnet wird.
Kein Wunder auch. Helmut Schmidt hatte es auch nicht versäumt, sich mit folgendem Satz einen Patzer zu erlauben:
„Wer die Zahlen der Moslems in Deutschland erhöhen will, nimmt eine zunehmende Gefährdung unseres inneren Friedens in Kauf.“
Zwei Jahre später (2010) schreibt Sarrazin ein hoch ausländerfeindliches Buch mit dem Titel, „Deutschland schafft sich ab“.
Ich gebe zu, dieses Buch gar nicht gelesen zu haben. Warum auch?! Ich muss ja auch nicht Adolf Hitlers „Mein Kampf“ lesen, um später festzustellen, dass es totaler Mist ist. Außerdem muss man nicht auch noch Geld für den Rassismus ausgeben.
Aber wieso zum Henker fühlt es sich in diesem Land immer noch so an, als wäre dieses Buch erst gestern veröffentlicht worden?
Ich will nicht pauschalisieren und erst recht nicht alle in ein Topf werfen! Wer bin ich denn schon, sowas Anmaßendes zu behaupten? Ich würde mich von den Rassisten dann ja in keiner Weise unterscheiden. Ich habe viele deutsche Freunde, die einen Rassismus jeglicher Art ablehnen und sogar mit aller Härte seit vielen Jahren bekämpfen. Es wäre schwachsinnig, beleidigend, ethisch sehr verwerflich und nicht fair, zu sagen, dass alle Deutschen Rassisten sind.
Ich bin in diesem Land geboren, bin hier aufgewachsen, bin in seine Schulen gegangen, fühle mich hier privilegiert. Ich habe eine wunderbare Kindheit hier erlebt und durft die unterschiedlichsten Facetten der Menschen und der Welt kennen lernen… Für all das bin ich so unfassbar dankbar!
Wir Türken, Araber, Muslime, Juden und Flüchtlinge lieben Dich, Deutschland!!!
…aber, (Ich hasse dieses Wort)
wenn ich mir die Realität in Deutschland ansehe, all das, was direkt vor unseren Augen in den letzten Jahren passiert ist und sogar zunimmt und man mich mit einer ultimativen Frage konfrontieren würde, ergänzend, meine Antwort mit Ja oder Nein zu beantworten, ob Deutschland ein rassistisches Land ist oder nicht, dann würde ich unsäglich schwer, mit größtem Bedauern, aber höchstwahrscheinlich darauf antworten: Ja mein Guter, Deutschland ist leider Gottes ein rassistisches Land!
Wie konnte es nur soweit kommen?
Wieso wird ein kleines, unschuldiges, zuckersüßes Baby, im Laufe seines Lebens zu einem Rassisten? Warum sympathisiert mein bester deutscher Freund aus der Grundschule heute mit der NPD? Wieso kategorisieren die Menschen untereinander? Wie ist Deutschland, das Land der Denker und Dichter, das Land von Goethe und Schiller, das Land, das so viel zur Zivilisation der Menschheit beigetragen hat, nur auf solch einem fatalen Weg gelandet? Was ist passiert? Was ist geschehen, dass mir eine junge kopftuchtragende Frau sagt, dass es für sie eine Selbstverständlichkeit geworden ist und sie sich mittlerweile daran gewöhnt hat, auf offener Straße als „Scheiß Kopftuchträgerin“ belästigt und beschimpft zu werden? Wieso wird ein Kippa tragender Jude in der U-Bahn bei Deutschlands antisemitischer Vergangenheit immer noch bespuckt? Wie können einige Politiker die schier überdimensionale und offensichtliche Zunahme des Rassismus in Deutschland nicht erkennen, ja sogar auch noch das Mikrofon in die Hand nehmen, gemütlich aufs Podium spazieren, offensichtliche Tatsachen kleinreden und sich später mit reinem Gewissen seelenruhig in Schlaf und süße Träume wiegen? Wie konnte es nur so weit kommen?!
Es zerreißt mich innerlich, so viele Fragen zu haben, und so wenig Antworten zu bekommen. Ich weiß auch, dass ich damit nicht alleine bin. Ganz und gar nicht. Ich sehe da draußen jeden Tag dutzende Menschen, die sich immer ein und dieselben Fragen stellen und keine Antworten bekommen. Wenn Deutschland nur einmal, nur einziges Mal hinhören würde.
Wir sind das Produkt unserer Erziehung!
Ein Beispiel: Ich besuchte vor kurzem die alte Heimat bzw. alte Freunde, und habe mit ihnen im großen Kreise stundenlang über alte Zeiten bis tief in die Nacht gequasselt und gelacht. Im Laufe des Abends hörte und sah ich dann vom Sofa aus, wie der Bruder meines Freundes seinen 13-jährigen Sohn mit rassistischen Flausen zuschüttete. Es tat weh, das zu sehen, weil ich dem kleinen Jungen in die Augen blickte und erkannte, was genau in ihm grad vorging.
Es war dieser Moment, der mich wie der feste Schuss eines Fußball in meine Kindheit katapultierte und auf einmal sah ich mich in dem kleinen Jungen. Erinnerungen von damals gingen mir blitzartig durch den Kopf. Es sind diese Erinnerungen, die dich in einen Wirbelsturm des Zorns versetzen, die Sinne rauben und dich in ein tollwütiges Raubtier verwandeln.
Rassismus ist offenbar überall. Was sollte man tun? Mit ihm reden? Er würde mir wahrscheinlich sagen, dass mich das nichts angeht und im Nachhinein würde er mich erst richtig anpöbeln, so wie man ihn kennt. Währenddessen denke ich aber auch, wie paradox doch diese eigenartige Situation ist. Ich sitze und lache herzlich in diesem Raum mit Menschen, die Rassisten sind. Weil sie immer noch zu dieser Struktur gehören. Sie sind durch rassistische Erziehungsmaßnahmen geprägt worden.
Eigenschaften, die wie ein Baum tief in die Erde Wurzeln geschlagen haben, und von denen man überzeugt worden ist, dass dies die einzig wahre richtige Identität ist und dass die eigene Existenz davon abhängt. Es hat sich so fest in ihnen verankert wie ein unzerstörbarer Fels. Deswegen kann man nicht erwarten, dass sie sich nicht so verhalten, nicht so reden sollen und ihre Kinder dementsprechend auch so erziehen. Aus Unkenntnis sind diese Menschen rassistisch. Das Resultat ist, sie reproduzieren ihn in ihrem Alltag, vielleicht ohne es zu bemerken. Doch sie sehen nicht, dass sie damit in allererster Linie die Wesen treffen, die sie am meisten lieben, die sie beschützen, und für die sie sterben würden: ihre Kinder.
Sie sind im Kern keine bösartigen Menschen. Wir sollten uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass kein Mensch böse geboren wird. Wir haben Liebe in unserem Blut, dass immerzu in unser Herz gepumpt wird. Sie sind – so euphemistisch und provokativ es auch klingen mag – nur falsch erzogen worden. Die eigentliche und zentrale Frage, die wir ihnen aber auch uns jederzeit stellen müssen, ist: Sind sie bereit, ihr eigenes Fehlverhalten zu sehen, zu verstehen, zu analysieren, kritisch zu hinterfragen und zu ändern?
Ich glaube, das schwierigste auf der Welt ist es, ein Kind zu erziehen. Auch ich frage mich manchmal, wenn ich irgendwann das Glück habe, Vater zu werden, wie ich es schaffen soll, ein Kind in solch einer Welt, die leider auch sehr viel Böses in sich beherbergt, vor all diesen Falschheiten zu beschützen und zu einem guten und aufrichtigen Menschen zu erziehen. Die Sorgen der nicht wenigen verantwortungsvollen Mütter und Väter sind sowas von berechtigt.
Wenn alle in eine Richtung gehen, dann nimm du doch mal die andere!
Es ist mittlerweile höchst frustrierend geworden, immer und immer wieder zu sagen und zu diskutieren, dass die Antwort auf den Abbau von Vorurteilen und Ressentiments nur das Gespräch von Mensch zu Mensch ist.
Ich kenne Menschen, die früher gegenüber allem, was ihnen nicht koscher war, rassistisch eingestellt waren. Auch sie haben irgendwann begriffen, wie widerwärtig diese Lebenseinstellung ist. Irgendwann haben sie begriffen, wie unglücklich dieses Denken und Verhalten macht. Es vergiftetete sie innerlich. Stück für Stück zersetzte es sie in etwas, was sie eigentlich nie sein wollten. Es gab Zeiten, in denen sie in den Spiegel schauten und sich selber nicht mehr ertragen konnten. Auch sie haben es rausgeschafft. Auch sie schafften die Wende aus diesem Sog der Finsternis. Sie sagten mir, es waren Menschen, Menschen die anders waren, Menschen die nicht so wie sie waren, die ihnen den richtigen Weg ebneten.
Sie waren entschlossen, ab einem bestimmten Alter alles zu hinterfragen, für politische Themen immer mehr Interesse zu entwickeln, bewusst andersdenkende Menschen kennen zu lernen, das Gespräch mit ihnen zu suchen, Zeit mit ihnen zu verbringen, Freundschaften mit ihnen zu schließen, Erfahrungen miteinander auszutauschen, positive wie negative Ereignisse miteinander zu erleben, Neugier und Sehnsucht nach Dingen, die unüblich waren, zu suchen … und ja, ich bin überzeugt davon, dass genau diese Dinge den falschen Hass wie Gift aus einer Wunde saugen und heilen.
Geschichten wie diese verhärten die Fronten
So paradox das in diesem Blog auch klingen mag: Deutschland ist an sich ein gutes Land. München und Dortmund spiegeln das derzeit mit der herzlichen Aufnahme hunderter Flüchtlinge auf zauberhafte Weise wieder.
Aber insbesondere in den letzten Jahren war Deutschland seines Verhaltens leider nicht würdig. Ich habe den Eindruck, dass mit den Flüchtlingen vielleicht die langerwartete Wende kommt. Hoffen wir mal das Beste. Leider hat mich Deutschland schon des Öfteren enttäuscht.
Und mein Professor sagt mir, wir sollen uns an den Rassismus gewöhnen?
Einen Kuckuck werde ich tun! Wir wissen ja, was in der Vergangenheit passiert ist, als die Augen verschlossen und schreckliche Dinge einfach ignoriert wurden. Soll mich höchstpersönlich der Teufel holen und mir einen VIP-Platz in der Hölle reservieren, wenn ich irgendwann das Spielfeld räume und Deutschland den geistigen Brandstiftern überlasse. Und Dortmund und München beweisen mir, dass ich nicht alleine bin.