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Politik

Ankara – allein zu Hause

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Während Rivalitäten rund um Rohstoffe sowie der anhaltende Krieg in Syrien dafür sorgen, dass die Konflikte zwischen Akteuren des östlichen Mittelmeerraumes stärker zutage treten, sieht sich die Türkei in der Region weitgehend isoliert. (Foto: zaman)

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Große Nationalversammlung der Türkei - zaman
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Hierzulande ist das Mittelmeer aufgrund seiner warmen Gewässer und attraktiven Strände ein beliebtes Urlaubsziel, vor allem um sich die Sommerferien ein wenig zu verschönern. Dabei dürfte wohl der durchschnittliche Tourist aus Westfalen oder dem Rheinland, der seine Urlaubstage an der türkischen Riviera oder auf Zypern verbringt, um sich vom stressigen Arbeitsalltag zu erholen, wohl kaum etwas vom politisch-strategischen Wettkampf der Anrainerstaaten sowie der globalen Akteure im östlichen Mittelmeer bemerken.

Aufgrund ihrer geostrategischen Bedeutung und reicher Erdgasvorkommen hat sich das östliche Mittelmeer in den vergangenen Jahren zu einem Schauplatz von Rivalitäten und Konkurrenzkämpfen entwickelt. Die türkisch-israelischen Beziehungen haben sich in den letzten Jahren im Vergleich zu früheren Jahrzehnten vehement verschlechtert und die einstigen Verbündeten stehen einander nun trotz einer zaghaften Wiederannäherung eher distanziert und misstrauisch gegenüber.

Dies macht sich vor allem im östlichen Mittelmeer bemerkbar, wo Israel neue Partnerschaften besiegelt hat, um Gasvorkommen zu erschließen. Aber auch die jüngsten Raketentests Israels im Mittelmeer werden nicht nur als Botschaft an die üblichen Feinde, sondern mittlerweile auch als Machtdemonstration gegenüber der Türkei gewertet.

Die Lage in dieser Region ist ohnehin durch den ungeklärten Zypern- und Palästinakonflikt eher angespannt und nun kommt zusätzlich die Krise in Syrien dazu, weshalb das östliche Mittelmeer auch wieder verstärkt die Aufmerksamkeit der US-amerikanischen und der russischen Marine genießt. Aber wie sieht die strategische Konstellation im östlichen Mittelmeer eigentlich aus und wie sehr wird diese durch den Syrien-Konflikt verschärft?

Israel im Kooperationswettbewerb erfolgreicher

Wenn man die jüngsten Entwicklungen im östlichen Mittelmeer prägnant unter die Lupe nimmt, ist eine sich anbahnende Konfrontation um Ressourcen zwischen der Türkei auf der einen und Griechenland, Zypern und Israel auf der anderen Seite absehbar. Bemerkenswert in dieser Region ist die Dynamik der Ereignisse hinsichtlich der Entstehung neuer strategischer Gegebenheiten.

Ein typisches Merkmal des politischen Geschehens im Nahen Osten: Es ist noch nicht lange her, dass türkische und israelische Militärs gemeinsame Manöver in Anatolien unternahmen, bis es zum Bruch der Beziehungen während des Weltwirtschaftsforums 2009 in Davos kam. Seitdem verschlechterten sich die bilateralen Beziehungen stetig und fanden ihren Tiefpunkt 2010, als die Situation zu eskalieren drohte, nachdem israelische Sondereinsatzkräfte eine türkische Gaza-Hilfsflotte gestürmt hatten und dabei mehrere türkische Staatsbürger getötet wurden.

Aufgrund dieser Ereignisse ist es nicht verwunderlich, dass die beiden einflussreichsten Staaten dieser Region sich auf neue und alternative Partnerschaften sowie Kooperationen im östlichen Mittelmeer umzustellen begannen. Dabei scheint Israel erfolgreicher zu taktieren als die Türkei, obwohl Letztere die längere Küste entlang des Mittelmeeres vorweisen kann. Um weiterhin Erdgas erkunden und die neuerdings festgestellten Erdgasvorkommen ausbeuten zu können, setzt Israel auf eine Kooperation mit Zypern sowie Griechenland und hat diesbezüglich auch schon diverse Kooperationsabkommen geschlossen.

Dies beunruhigt die Staatsmänner in Ankara und stellt sie vor noch größere Hindernisse in ihrer Außenpolitik, da sie seit dem Ausbruch des „Arabischen Frühlings“ ohnehin des Öfteren in Bedrängnis geraten sind, weil ihre sogenannte „Null-Problem-Politik“ von vielen Seiten als gescheitert deklariert wurde.

Auf wen kann Ankara sich noch verlassen?

Begibt man sich gegenwärtig aber auf Partnersuche im östlichen Mittelmeer, so stellt man eines fest: Es gibt keine! Aufgrund der offensiven Unterstützung der Opposition gegen Machthaber Assad sind die diplomatischen Beziehungen Ankaras zu Syrien auf Eis gelegt. Der Libanon erweist sich momentan nicht als geeigneter Partner, da er innenpolitisch, vor allem auch wegen der Auswirkungen des Syrien-Konflikts, zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist. Mit Israel hat man die guten Beziehungen, die einst herrschten, vorschnell in Frage gestellt. Obwohl es kürzlich wieder Annäherungsversuche gab, um die Beziehungen wieder zu normalisieren, sind die Wunden dennoch tief und scheinen wohl noch einiges an Zeit für ihre Heilung zu benötigen.

Mit Zypern scheint eine Kooperation aufgrund diverser Grenz- und Souveränitätsstreitigkeiten auch bis auf weiteres ohnehin nicht möglich zu sein. Es bliebe nur noch Ägypten am anderen Ufer des Meeres übrig, das jedoch nach dem Putsch ebenfalls als Nicht-Freundstaat gilt und erst kürzlich den türkischen Botschafter des Landes verwies. Betrachtet man dies nüchtern aus einiger Entfernung, so sieht man recht deutlich, wie stark die Türkei im östlichen Mittelmeer isoliert ist.

Schließlich zeigen die jüngsten Raketentests Israels im Mittelmeer, dass es wohl künftig immer wieder zu Machtdemonstrationen und Provokationen zwischen den Anrainerstaaten kommen kann, wenn diese nicht zeitnah ihre Beziehungen wieder in geregelte Bahnen bringen. Hinzu kommt, dass die Lage des östlichen Mittelmeers aufgrund der weiterhin ungelösten Zypernfrage und ganz zu schweigen des Palästinakonflikts ohnehin sehr erschwert ist.

Ausweitung des syrischen Bürgerkrieges vorerst verhindert

Deshalb kommen die gewaltsamen Auseinandersetzungen in Syrien und die damit verbundenen Auswirkungen auf die gesamte Region umso ungelegener. Die Folgen für die Anrainerstaaten sind vielfältig und reichen von militärisch-strategischen bis zu wirtschaftlich-touristischen Aspekten. Vor allem die aggressive Kriegsrhetorik zwischen Premierminister Erdoğan und dem despotischen Machthaber Syriens, Bashar al-Assad, machen sich im östlichen Mittelmeer bemerkbar. So kam es im Juni 2012 zum Abschuss eines türkischen Militärjets über den Gewässern des Mittelmeers durch die syrische Luftverteidigung, was beinahe zu einer türkischen Intervention in Syrien führte, die jedoch aufgrund fehlender NATO-Unterstützung ausblieb.

Die bislang fehlende politische Lösung und der somit weiterhin andauernde Konflikt in Syrien, beeinträchtigen besonders die Tourismusbranche in der Region und führen vor allem in Israel, im Libanon, in Zypern und in der Türkei dazu, dass Potenziale nicht ausgeschöpft werden können. Wenn man den Tourismus und seine Bedeutung für die Region vor Augen hält, so erscheinen die daraus resultierenden Verluste sogar noch nachvollziehbarer.

Darüber hinaus ist auch die sichere Schiffsfahrt im Viereck zwischen der Türkei, Syrien, dem Libanon und Zypern gefährdet. Die beiden von innenpolitischen Auseinandersetzungen geplagten Staaten, Syrien und Libanon, besitzen eine jeweils knapp 200 Kilometer lange Küste zum östlichen Mittelmeer. So ist es nicht verwunderlich, dass deren Lage eine gewisse Unsicherheit auf die Region wirft und Handels- sowie Tourismusschiffe gezwungen sind, alternative Routen zu ermitteln oder ihre Fahrten komplett abzusagen (z.B. Kreuzfahrten).

Im Sommer 2013 wurden Stimmen lauter, die nach einer Intervention in Syrien vor allem seitens der USA riefen. Die Ankündigungen des US-Präsidenten Barack Obama und einiger Verbündeter, infolge eines Giftgaseinsatzes in der Nähe von Damaskus zu intervenieren, zogen noch mehr Aufmerksamkeit globaler Akteure auf das östliche Mittelmeer nach sich, da es den einzigen Zugang nach Syrien auf maritimem Wege liefert. Russland, der wohl größte Unterstützer Assads auf internationaler Ebene, antwortete auf dieses Bemühen mit der Entsendung zweier russischer Kriegsschiffe in die Region. Moskau unterhält ohnehin eine Marinebasis in Tartus und übt somit einen relativ großen Einfluss im östlichen Mittelmeer aus.

Auch Erdgasvorkommen, Zypern und Palästina bleiben Streitpunkte

Auch China, ein eher passiver Akteur im Syrien-Konflikt, prüft seither Möglichkeiten einer Entsendung von militärischen Schiffen in die Region. Mittlerweile hat sich die Situation wieder etwas entschärft und eine Intervention wieder in weite Ferne gerückt, dennoch wollen sich Akteure mit ihrer Präsenz Spielräume verschaffen, um im Wege einer möglichen Intervention ihre „nationalen Interessen“ zu wahren. Wenn man nun noch die zahlreichen Fälle von Waffenschmuggel über das östliche Mittelmeer bedenkt, wo es darum geht, die Rebellen- und diverse Terrorgruppen zu unterstützen, erkennt man, welch seltsam gefährliche Mischung sich dort auftut. Festzuhalten bleibt: Je länger der Konflikt in Syrien andauert, umso vielschichtiger werden wohl auch die maritimen Folgen für die Region sein.

Letztendlich war die Lage im östlichen Mittelmeer schon vor dem Ausbruch des Syrien-Konflikts angespannt. Insbesondere die neuerdings erkundeten reichen Erdgasvorkommen in dieser Region haben die realpolitische Konkurrenz zwischen der Türkei und Israel weiter vertieft – insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die israelische Regierung ihre Zusammenarbeit mit Zypern und Griechenland verstärkt und die Isolation der Türkei vorangetrieben hat. Zusätzlich wird die Lage durch die zahlreichen politischen Konflikte rund um das östliche Mittelmeer erheblich komplizierter. Hierbei sind vor allem die seit Jahrzehnten andauernden Konflikte auf Zypern und in Palästina zu nennen.

Der Zwischenfall um die türkische Gaza-Hilfsflotte 2010 und dessen Auswirkungen liefern brisante Beispiele hierfür. Und nun kommt der erbitterte Konflikt in Syrien hinzu und sorgt für die massive Entsendung von Kriegsschiffen verschiedener Staaten in die Region und für illegalen Waffenschmuggel in das Land am östlichen Mittelmeer. Die wirtschaftlichen und politischen Folgen machen sich zunehmend stärker bemerkbar und werden sich ohne Zweifel in vielfältigerer Weise ausdrücken, wenn die Konflikte, die die Region in Atem halten, nicht in absehbarer Zeit ein Ende finden.