Connect with us

Politik

Ankara und Jerusalem in einem Boot

Spread the love

Der Angriff der israelischen Streitkräfte auf mutmaßliche Waffenlieferungen an die Hisbollah unterstreicht, dass auch Jerusalem nicht uneingeschränkt gewillt ist, dem Treiben Assads untätig zuzusehen. Dies könnte den Wechsel beschleunigen. (Foto: ap)

Published

on

Ankara und Jerusalem in einem Boot
Spread the love

Am Ende dürfte auch Israel der Kragen geplatzt sein: Wie Nachrichtenagenturen in aller Welt letzte Woche berichtet hatten, hat der jüdische Staat sich erstmals öffentlich in den syrischen Bürgerkrieg eingeschaltet. Das Land habe in der letzten Woche zwei getrennte Luftangriffe auf syrische Ziele ausgeführt. Während die syrischen Behörden bereits ihre Absicht verkünden ließen, sich zu rächen, haben die israelischen Behörden diese Berichte weder bestätigt, noch dementiert. Es scheint, dass die israelische Luftwaffe mit ihrer Operation insbesondere auf Syriens Vorräte an Massenvernichtungswaffen (MVW) gezielt und deren Weitergabe an Libanons Hisbollah beabsichtigt hat.

Aller kriegstreiberischen Rhetorik zum Trotz dürfte es seitens des syrischen Regimes bei der Androhung einer Racheaktion bleiben, zumal dieses schon genug Probleme mit den Rebellen im eigenen Land hat. Allerdings ist es ein alter und bei Diktatoren vom Verschlagenheitsgrad eines Bashar al-Assad beliebter Trick, einen zwischenstaatlichen Krieg zu provozieren, um damit inneren Unruhen ein Ende zu setzen. In der Vergangenheit haben viele Länder versucht, ihre nationale Einheit zu erhalten, in dem sie die Karte der „fremden Bedrohung“ gezogen haben. Jedoch wurde Syriens Einheit bereits so stark beschädigt, dass wohl kein fremder Gegner – nicht einmal Israel als der Universalsündenbock der arabischen Welt – ausreichen dürfte, um einen solchen Umschwung herbeiführen zu können.

Syrischer Bürgerkrieg wird nicht durch akademische Diskussionen beendet

Wir wissen, dass die Mehrheit der Gegner des Regimes Präsident Baschar al-Assads sunnitischen Glaubens ist. Trotz ihrer unterschiedlichen und manchmal widersprüchlichen Erwartungen zögern die sunnitischen Gruppen nicht, mit den syrischen Kurden zu kooperieren, um das Assad-Regime loswerden. Auf der anderen Seite werden die Truppen Assads von der Hisbollah unterstützt, welche durch den Iran gesponsert sind. Und nun wird diesen regimetreuen Kräften vorgeworfen, sie würden chemische Waffen verwenden. Der Einsatz dieser Waffen ist eine klare Verletzung des Völkerrechts.

Unter diesen Umständen wird niemand auf die Idee kommen, es Israel zum Vorwurf zu machen, weil es ein Land angegriffen hat, welches chemische Waffen gegen seine eigene Zivilbevölkerung anwendet und durch ein Regime geführt wird, das vom Iran unterstützt wird. Dennoch behauptet das syrische Regime, es kämpfe gegen separatistische Gruppen und stehe unter Beschuss eines fremden Landes.

Wir wissen auch, dass Israels Anwendung von Gewalt gegen ein Nachbarland unter normalen Umständen völkerrechtswidrig wäre. Es stellt sich allerdings die Frage, inwieweit in diesem Fall ein Akt legitimer Selbstverteidigung vorliegt. Jedenfalls ist sich jedermann darüber bewusst, dass es sinnlos ist, über die syrische Krise in Termini des internationalen Rechts zu diskutieren, da es so aussieht, als ob dieser Konflikt nur durch eine internationale militärische Intervention enden kann und nicht durch akademische Debatten über ein bestimmtes Völkerrechtsverständnis.

Tatsächlich haben die letzten Angriffe Israels auf Syrien jedoch nolens volens geholfen, eine eventuelle Intervention der internationalen Gesellschaft in Syrien zu verzögern. Russland kann die Hisbollah oder die Verwendung chemischer Waffen durch Assad nicht unterstützen, deshalb schweigt Moskau zu den israelischen Luftangriffen. Hätte eine internationale Koalition, angeführt von den USA, Syrien angegriffen, würde das Russland eher stören. Vielleicht ist es Putin sogar ganz angenehm, wenn Israel die Zerstörung des syrischen Potenzials zur Verwendung von Massenvernichtungswaffen in die Hand nimmt.

Opposition weiter konzeptlos

Der interessanteste Teil der Geschichte ist jedoch ein anderer: Die syrische Opposition besteht vor allem aus Menschen, welche Israel aus ideologischer Voreingenommenheit heraus abgrundtief ablehnen. Einige von ihnen kommen aus Kreisen, welche Israel alles Erdenkliche vorwerfen und hinter jeder nur erdenklicher Unbill das Werk der „Zionisten“ zu erkennen meinen. Jetzt erleben sie, wie Israel zu ihren Gunsten handelt. Denn Assads militärische Kapazitäten anzugreifen und Syriens Verbindungen mit dem Iran abzubrechen, begünstigt die Chance eines schnelleren Regimewechsels in Damaskus und dient somit den Interessen seiner Gegner. Israels neue und aktive Position in Bezug auf den syrischen Bürgerkrieg kann das Schicksal der Rebellion beeinflussen.

Wenn die syrische Opposition sich so schnell wie möglich durchsetzen möchte, muss sie zunächst einmal einen Weg finden, um alle ethnischen und religiösen Gruppen des Landes zu akzeptieren und die radikalen Extremisten von der Macht fernzuhalten – gleichzeitig muss sie versuchen, Assad zu stürzen. So ein Ausweg könnte auch die Interessen beider Supermächte, Russlands und der USA, zufrieden stellen. Solange diese beiden aber zu keiner gemeinsamen Position finden, wird der syrische Bürgerkrieg leider so weitergehen, wie in den vielen Jahren zuvor.

Wir dürfen zudem nicht vergessen, dass Israel und die Türkei auf der gleichen Seite stehen, wenn es um die Reduzierung des Einflusses Irans über Syrien geht. Allerdings lehnt die Türkei eine direkte militärische Intervention gegen den Iran vehement ab. Hoffen wir, dass jeder Akteur in der Region diese Realitäten im Auge behält.

Autoreninfo: Beril Dedeoğlu arbeitet in der Abteilung für Internationale Beziehungen an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften und Verwaltungswissenschaften der Galatasaray Universität in Istanbul. Ihre Fachgebiete sind die Europäischen Union und Fragen der internationalen Sicherheit. Sie ist Kolumnistin bei „Zaman”.