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Gesellschaft

Anne Will: Deutschland sucht den Superflüchtling

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Auch in der neuen Folge der Anne Will-Runde ging es um Flüchtlinge. Geladen waren Gegner und Befürworter des neuen Asylpakets. Es fanden hitzige Diskussionen statt, emotionale Geschichten wurden erzählt, doch am Ende blieben nur Fragen. (Foto: ARD)

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Eine verärgerte Geflüchtete, ein arabischsprechender deutscher Moderator, eine optimistisch leidenschaftlich brennende Grünen-Politikerin, ein „den Teufel-an die-Wand-malender“ – CSU-Politiker und (wie so oft in ähnlichen Formaten) Heinz Buschkowsky waren die Gäste in Anne Wills Sendung in dieser Woche. Auch in dieser Runde wurde über die aktuelle Flüchtlingskrise, wie sie Deutschland zu bewältigen hat, diskutiert. Der Titel der Sendung lautete dieses Mal: „Familiennachzug begrenzen – Unchristlich, aber unvermeidlich?“

Maya Alkhechen, zum zweiten Mal von Anne Will in ihre Sendung geladen, wurde gemeinsam mit ihrer Familie in Deutschland als Flüchtlinge anerkannt. Sie berichtete von ihrem Schwager, der in Deutschland angekommen war und seine Familie, die in Ägypten auf den Nachzug wartete, höchstwahrscheinlich nicht mehr nach Deutschland nachholen könne. Für ihn bedeute dies, dass er zurück zu seiner Familie fahren und auf den sicheren Tod warten müsse.

Der stellvertretende CSU-Vorsitzende Peter Ramsauer bezeichnete Länder wie Ägypten, Jordanien und den Libanon als „relativ sicher“ und dass es nicht mehr nötig sei, die Flüchtlinge, die sich in diesen Ländern aufhielten, nach Deutschland zu holen. Auf die Frage der Bundesvorsitzenden der Grünen, Simone Peter, ob die Familien nun nachkommen dürften oder nicht, fasste Alkhechen Ramsauers Umschreibungen in klare Worte: „Die Familien, die in Syrien leben und auf ihren Tod warten, die dürfen nachgeholt werden, aber nicht die in Ägypten.“ Doch mit den folgenden Worten Alkhechens schien Ramsauer nicht zu rechnen. In Syrien gäbe es gar keine deutsche Botschaft mehr, daher müssten die Familien nach Ägypten oder die Türkei, um in den deutschen Botschaften vorzusprechen, was im Endeffekt bedeute, dass sie keine Chance mehr hätten, nach Deutschland zu kommen. Sie befänden sich laut Ramsauer in „relativer Sicherheit“. In den Augen Peters eine Schikane!

Buschkowsky: „Bis 2020 über 10 Millionen Flüchtlinge zu erwarten“

Der ehemalige Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky scheint aus Neukölln nicht mehr herauskommen zu können. Der Familiennachzug müsse eingeschränkt werden. Auch vor 50 Jahren sei der hohe Migrantenanteil nur aufgrund von Familiennachzug der Gastarbeiter entstanden. „Die Männer werden geschickt, um für die Familie eine Bleibe zu finden.“ Durch den Familiennachzug von Flüchtlingen würde man die gleiche Situation wiederholen. Bis 2020 müsse man seinen Berechnungen zufolge mit zehn Millionen Flüchtlingen rechnen!

Peter, die sich über dessen Berechnungen ärgerte und davor warnte solche falschen Zahlen zu nennen, verwies auf die Worte der Kanzlerin: das Obergesetz kenne keine Obergrenze. Zudem würde man jetzt in die Zukunft investieren, da die Flüchtlinge sich langfristig positiv auf die deutsche Wirtschaft auswirken würden. Buschkowsky widersprach verärgert, dass er mit einer solchen „Sozialromantik“ nichts anfangen könne und dass so etwas für „jemanden, der aus der Praxis kommt, nur schwer erträglich“ sei. Eine solch immense Anzahl an Migranten zu integrieren sei nicht möglich.

„Christliche Flüchtlinge wären weltoffener“

Ramsauer, der zustimmend mit dem Kopf nickte, sprach davon, „dass die Einwanderung alle Maße sprengt. Und das kann auf Dauer im Hinblick auf Integration und Akzeptanz nicht bewältigt werden“. Zudem hätte man mit christlichen Flüchtlingen eine gewisse größere Weltoffenheit.

Es stellt sich also die Frage, ob es tatsächlich darum ginge, die Einwanderung zu reduzieren oder rechtzeitig Maßnahmen gegen eine mögliche „Islamisierung“ zu treffen? Betrachtet man diese Aussage Ramsauers genauer, so könne man daraus schließen, dass die Einschränkung des Familiennachzugs nur darauf aus wolle, keine Muslime nach Deutschland zu holen und bei mehrheitlich christlichen Flüchtlingen womöglich andere Beschlüsse getroffen würden.

Der Journalist Constantin Schreiber, der die erste arabische Sendung für Flüchtlinge moderiert, konnte die Sorgen um die Integration einer solch hohen Anzahl an Flüchtlingen bestätigen. Diese seien noch zu sehr „mit den Konflikten im eigenen Herkunftsland verhaftet“. Zudem sprach er von einer „Torschlusspanik“. Die Flüchtlinge, welche die politischen Entscheidungen in Deutschland in „Echtzeit“ mitverfolgten, könnten nicht verstehen, warum man solche Beschlüsse wie die des Familiennachzuges getroffen werden würden.

An dem Optimismus Peters, die als einzige wirklich noch an Merkels „Wir schaffen das“-Einstellung festzuhalten schien, konnte am Ende des Abends auch die Syrerin Alkhechen nicht mehr so wirklich glauben.

Lange Reden, kein Sinn

Was sich an diesem Abend abspielte, war die Widerspiegelung der gespalteten deutschen Gesellschaft in der aktuellen Flüchtlingskrise, wobei alle Rollen vergeben waren. Die optimistische, leidenschaftlich brennende Peter, welche die ehrenamtlichen Helfer und die „refugeeswelcome“- Ausrufer repräsentierte, die fleißig an den Bahnhöfen warteten und an Merkels „Wir schaffen das“ glaubten. Eine syrische Geflüchtete, die dem Tod ins Auge geschaut hatte, sich über das Mittelmeer auf den Weg nach Deutschland begab, mit ihrer Familie angekommen war und aufgenommen wurde und schließlich erkannte, dass es in Deutschland nicht mehr so rosig aussieht, wie es die Mehrheit der Flüchtlinge sich erhofft und sich plötzlich abgelehnt fühlt. Ramsauer, der die gesamten „Wir sind keine Nazis, aber“-Menschen vertritt, die den „Mut haben“, klare Worte auszusprechen und die die Bedürfnisse der Deutschen den Flüchtlingen vorziehen müssen. Buschkowsky, der die Mainstreammedien vertritt und die „schlechte Integration“ der Migranten in Deutschland unterstreicht sowie die „Teufel an die Wand“-Malenden repräsentiert, die Angst haben, dass die Flüchtlinge ihnen die Arbeitsplätze, Wohnungen und Frauen wegnehmen würden. Und schließlich Schreiber, der die Kulturvermittler repräsentiert, die beiden Seiten die Hand reichen, um sie aufeinander zu führen und sich einander zu erklären, die den Problemen realistisch ins Auge schauen, doch die nicht wegschauen, sondern versuchen, eine erste Lösung dafür anzugehen.

Die wohl wichtigste Frage an dem Abend, die von Maya Alkhechen selbst in die Runde geworfen wurde, konnte nicht beantwortet werden. „Ist die Folge nun, dass es jetzt noch mehr Familien mit Kindern übers Mittelmeer probieren würden und dann sterben?“ Eine Antwort darauf musste auch nicht gegeben werden, denn letztendlich kennen wir sie alle.