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Kultur/Religion

Arabische Kalligraphie in Deutschland

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Das Institut für islamische Theologie an der Universität Osnabrück ist bundesweit die einzige Hochschule, an der Studenten an Kursen für arabische Kalligraphie teilnehmen können. Das DTJ hat mit dem Hat-Meister Murad Kahraman gesprochen.

Ein gut aussehender und gepflegter türkischer Herr mit grauen Haaren und einer passenden Bartfrisur öffnet die Tür. An den Wänden seines Flurs hängen bunte Bilder, die dem Raum einen harmonischen Tiefengang verschaffen. Die erste Tür rechts ist das Wohnzimmer, wo bereits türkischer Tee auf uns wartet. Wir sind zu Gast bei Murad Kahraman, einem Kalligraphie-Meister. Es handelt sich aber nicht um gewöhnliche Schönschreibkunst, sondern um arabische Kalligraphie, besser gesagt: die Hat-Kunst.  

Wir besuchen Kahraman Usta in einem seiner Lehrstunden. Er erklärt im Unterricht die ersten Schritte dieser arabischen Schönschreibkunst. Der Hattat leitet einen Kurs am Institut für islamische Theologie an der Universität Osnabrück. Man vermutet, dass der Ursprung dieser speziellen Kunstrichtung auf die Anfangszeit des Islams zurückgeht, sagt Murad Kahraman: „Man sagt, dass um die Jahre 650-660 herum der vierte Khalif Ali die erste Stilart im heutigen Irak ausgeübt hat.“

Das Institut für islamische Theologie an der Universität Osnabrück ist bundesweit die einzige Hochschule, an der Studenten an Kursen für arabische Kalligraphie teilnehmen können. Dr. Martin Kellner ist hier Dozent und erklärt, warum gerade die Kalligraphie im Islam eine besondere Bedeutung hat: „Die arabische Schrift hat einige Parallelen mit der arabischen Sprache. Die arabische Sprache ist einfach. Sie ist sehr eloquent, sie ist sehr ausdrucksstark, sie ist sehr elastisch und sie ist wunderschön. Genauso ist die Schrift, die aus 28 Buchstaben besteht. Sie ist leicht zu lernen. Sie ist wunderschön, sie ist biegsam, sie ist elastisch und sie drückt auch viel aus.” Laut dem Dozenten gibt es keine andere Sprache in der so hohe Form von Schönschrift entstanden ist, wie in der arabischen Kalligraphie.

Huschu – Bindung zu Gott persönlich vertiefen

Die arabische Kalligraphie als Kunstform ist aus der Beschäftigung der Muslime mit ihrem heiligen Buch, dem Koran, entstanden. Deshalb gilt die Praxis der Hat Kunst auch als eine Art ästhetischer Gottesdienst.

„Es geht darum, wie der Mensch Gott kennenlernen kann und darum, wie er durch seine Gotteserkenntnis richtig und korrekt leben kann.” erläutert Kellner und fügt hinzu: “Das ist der Kern dieser Religion.“

Heutzutage wird der Islam viel zu oft mit negativen Schlagzeilen und grausamen Bildern, die durch Terroristen verursacht werden, in Verbindung gebracht. Dabei hat der Islam im Kern viel Platz für Toleranz und auch für Ästhetik. Und die Kalligraphie ist sozusagen die ästhetische Seite der islamischen Religion. Muslime, die sich in der Hat-Kunst üben, versuchen die persönliche Bindung zu Gott zu erhöhen.

Arabische Kalligraphie-Beispiel für ein Endprodukt

Auch Muslime in Deutschland sind interessiert

Oft wird angenommen, die arabische Kalligraphie sei erst aus dem islamischen Bilderverbot heraus entstanden. Doch ob es im Islam tatsächlich ein generelles Bilderverbot gibt,  ist auch unter Islamgelehrten umstritten. Eine überbewertete Debatte, findet der Dozent Martin Kellner.

„Ich glaube, dass dieses Bilderverbot sehr oft übertrieben wird und das Bilderverbot auch falsch verstanden wird. Es gibt ein striktes Bilderverbot in Bezug auf bestimmte spirituelle Ebenen. Also es gibt ein Verbot des Versuches, Gott darzustellen, ein relativ breites Verbot, im Versuch Engel darzustellen, es gibt ein Verbot, Propheten bildlich darzustellen. Aber es gibt kein Verbot im Allgemeinen, Bilder zu machen. Ich glaube, dass bildende Kunst vor allem in der arabischen Kultur des 7.- 8. Jahrhunderts keine so große Rolle gespielt hat, dass die Leute nicht aus einem Verbot heraus sich plötzlich einen Ersatz suchen mussten. Ich glaube, es geht vielmehr darum, dass die Muslime und vor allem die Araber eine sehr starke Beziehung zu dieser Schönheit des Wortes haben.“

Über den Orient hat sich dann diese ästhetische Seite der Religion in die gesamte islamische Welt ausgebreitet. Den Höhepunkt hat die Hat Kunst im osmanischen Reich erlangt, wo die Kalligraphie zu einem der wichtigsten künstlerischen Rubriken ernannt wurde. Viele osmanische Sultane haben Zeit ihres Lebens selber die Hat Kunst praktiziert, um darin auch die spirituelle Erziehung nicht zu vernachlässigen. Es ist gewissermaßen vergleichbar mit der spirituellen Erziehung japanischer Samurais. Die spirituelle Tiefe osmanischer Sultane hatte direkten EInfluss auf die Harmonie in der Bevölkerung. Historiker sehen heute, dass die Sultane des osmanischen Reichs, die die spirituellen Aspekte in ihrem Leben vernachlässigt haben, zu den Sultanen zählen, die das osmanische Reich nicht mehr vorangetrieben haben. Sultane, die ihre Spiritualität wertgeschätzt haben waren zum einen ausgeglichener und zum anderen gerechter.

Und inzwischen interessieren sich auch Menschen in Deutschland für diese Kunst mit dem spirituellen Bonus. Die Nachfrage nach solchen Kursen ist groß bei den Studierenden der islamischen Theologie an der Universität Osnabrück. Sie erkennen offenbar einen engen Zusammenhang dieser Kunstform mit der Theologie.

„Kalligraphie ist verbunden mit einer besonderen innerlichen Konzentration und Ausrichtung auf das, was geschrieben wird. Es ist etwas, das für spirituelle Menschen eine Bedeutung hat, und besonders für die heutigen Muslime Bedeutung hat.“ erläutert Dr. Kellner.

Für den Universitätsdozenten Martin Kellner dienen solche Kurse auch dazu, eine wichtige, heute oft in Vergessenheit geratene Seite der islamischen Religion wieder hervorzuheben.

„Wir leiden heute unter Phänomenen, die sich unter dem Namen Islam entwickelt haben, in denen genau diese Innerlichkeit verloren gegangen ist. Aus islamischer Sicht versucht man immer eine Balance herzustellen, zwischen Innerlichkeit und Äußerlichkeit. Diese Balance wieder zu finden ist besonders für Jugendliche sehr wichtig, aus dem Grund stehen manche dieser Projekte, die mit islamischer Kunst zu tun haben auch im Zusammenhang mit Extremismusprävention.“

„Es geht in der Kalligraphie um Vertiefung“

Denn Menschen, die sich mit islamischer Kalligraphie beschäftigen, sollen auch die spirituelle Seite der Religion wieder entdecken. Sie lernen sich in Geduld zu üben und über die Verse im Koran nachzudenken und sie durch ihre Kunst zu reflektieren. Ein Kalligraph vertieft sich in einen Vers des Korans. Er arbeitet vielleicht Monate daran, einen einzigen Vers schön zu schreiben. Auch diese Vertiefung ist etwas, was vielen Muslimen heutzutage fehlt. Es werden Dinge sehr flach verstanden, sehr oberflächlich verstanden und dadurch auch in vielen Fällen auch sehr Ideologisch. Es ist ein künstlerisches Schaffen, dass sowohl zur religiösen, wie zur persönlichen Entwicklung beitragen kann.