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Politik

Arabischer Frühling Reloaded

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Hunderttausende Ägypter haben bei landesweiten Massenprotesten Präsident Mohammed Mursi zum Rücktritt aufgefordert. Bei schweren Ausschreitungen am Rande der Demonstrationen kamen mindestens sieben Menschen ums Leben. (Foto: rtr)

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Am ersten Jahrestag seines Amtsantritts riefen die Menschen in Kairo und anderen Städten dem Staatschef „Verschwinde!“ entgegen. Sie zeigten ihm die Rote Karte. Bei den zentralen Kundgebungen auf dem Kairoer Tahrir-Platz und vor dem Präsidentenpalast blieben hingegen die befürchteten Konfrontationen zwischen den rivalisierenden Lagern aus. Bis tief in den frühen Montagmorgen harrten dort zahlreiche Menschen aus. Oppositionsaktivisten kündigten an, so lange demonstrieren zu wollen, bis Mursi zurücktrete. Die Bilder aus Kairo erinnern an den Arabischen Frühling 2011, in dessen Verlauf der damalige Machthaber Husni Mubarak auf Grund einer massiven Protestwelle zurückgetreten war.

Wenige Kilometer vom Amtssitz Mursis entfernt versammelten sich im Kairoer Vorort Nasr-City Zehntausende Anhänger der konservativen islamischen Parteien, um ihre Solidarität mit Mursi zu bekunden. In der Hafenstadt Alexandria, in Port Said und in der Tempelstadt Luxor gingen ebenfalls tausende Menschen auf die Straßen.

Streit um Mursi polarisiert die ägyptische Gesellschaft

Die Massenproteste markieren den Höhepunkt einer Unterschriftenkampagne, mit der die Protestbewegung den Staatschef zum Rücktritt zwingen will. Seit Anfang Mai sammelten die Initiatoren von „Tamarud“ (Rebellion) nach eigenen Angaben mehr als 22 Millionen Unterschriften gegen den Präsidenten. Die Opposition wirft Mursi vor, er handele nicht wie ein Präsident für alle Ägypter, sondern sei vor allem daran interessiert, die Macht der Muslimbruderschaft auszubauen. Die massiven wirtschaftlichen und sozialen Probleme des Landes habe er nicht gelöst. Deshalb habe er seine Legitimität verloren und müsse abtreten. Einige der Demonstranten wünschten sich eigenen Aussagen zufolge die Hilfe des Militärs, das in Ägypten auch nach dem Sturz Mubaraks noch immer eine mächtige Stellung innehat. Der Nachrichtensender „Al-Jazeera“ zitierte eine Demonstrantin mit den Worten: „Wir hoffen auf einen Putsch des Militärs. Es ist (momentan) das einzige, worauf wir noch hoffen können, weil sie bewaffnet sind und dem Volk helfen können. (…) Andernfalls wird es zu einem Bürgerkrieg kommen.“

Für die Muslimbrüder, als deren Kandidat Mursi gewählt worden war, kommen Neuwahlen nicht infrage. Ein Sprecher des Staatsoberhaupts rief die Protestbewegung bei einer Pressekonferenz zum Dialog auf. Der Berater der Muslimbruderschaft, Gehad al-Haddad, sagte, die Opposition müsse akzeptieren, dass Mursi durch faire und freie Wahlen ins Amt gekommen sei. Gegenüber Medienvertretern betonte er, die Anhänger Mursis würden nichts tun, solange die Demonstrationen friedlich blieben. Allerdings fügte er hinzu: „Die Mauern des Präsidentenpalasts sind eine rote Linie.“
Kairo Ausschreitungen rtr.JPG

Tödliche Gewalt am Rande der Demonstrationen

Am Rande der meist friedlichen Demonstrationen kam es in einigen Städten jedoch zu gewaltsamen Zwischenfällen. In der südlichen Provinz Assiut eröffneten nach Angaben der Sicherheitsbehörden bewaffnete Unbekannte auf einem Motorrad das Feuer auf protestierende Aktivisten. Dabei seien drei Menschen getötet und mindestens acht verletzt worden. Ein Demonstrant starb laut lokalen Medienberichten in der ebenfalls südlichen Stadt Bani Sueif bei Zusammenstößen zwischen Unterstützern und Gegnern Mursis. In Fayum sei ein 18-Jähriger ums Leben gekommen. Bei einem Angriff auf die Zentrale der Muslimbruderschaft in Kairo seien zwei Menschen getötet worden.

In Alexandria klagten mehrere Demonstranten über Vergiftungserscheinungen, nachdem sie von Unbekannten am Straßenrand umsonst Flaschen mit Wasser und Limonade erhalten hatten. Insgesamt seien mehr als 600 Menschen verletzt worden, berichtete die Zeitung „Al-Ahram“ unter Berufung auf das Gesundheitsministerium.

Über die genauen Hintergründe der gewaltsamen Aktionen und die Identität der Täter ist bislang nichts bekannt geworden, doch sorgt die Gewalt für zusätzliche Unruhe in der Bevölkerung. Viele Ägypter gingen aus Angst vor gewalttätigen Ausschreitungen weder zu den Protesten noch zur Arbeit. Tausende Ausländer hatten das Land bereits am Samstag verlassen. In den vergangenen Tagen hatte es mehrfach gewaltsame Zusammenstöße zwischen Anhängern und Gegnern der Regierung gegeben. Dabei starben sieben Menschen.

Zentrale der Muslimbruderschaft in Kairo gestürmt

Demonstranten haben in der ägyptischen Hauptstadt Kairo laut lokalen Medien die Zentrale der regierenden Muslimbruderschaft angegriffen und gestürmt. Der Nachrichtensender „Al-Arabija“ zeigte am Montag Fernsehbilder von dem Hauptquartier der Islamisten. Dort waren die Fensterscheiben eingeschlagen, Bürostühle lagen auf der Straße, an manchen Stellen brannte es. Schon in der Nacht hatte es Angriffe auf das Gebäude im Kairoer Stadtteil Mokattam mit Brandsätzen gegeben. Bei einer anschließenden Schießerei kamen mindestens zwei Menschen ums Leben.(dpa/dtj)