Gesellschaft
Arbeitgeber unterstützt Hamdiye Kan
Im bayerischen Landshut berichtete ein Lokalblatt über angebliche Beschwerden, die Fahrgäste angesichts ihrer Kopftuch tragenden Busfahrerin geäußert hätten. Eine Recherche vor Ort konnte nichts dergleichen bestätigen. (Foto: screenshot/youtube)
In vielen Bereichen steht Frauen längst auch der Zugang zu traditionellen sogenannten „Männerberufen“ offen und es ist im Alltag und im Sinne des Gleichbehandlungsgrundsatzes längst zur Normalität geworden, dass Frauen in solchen ihren Lebensunterhalt verdienen. Auch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bussen und Bahnen haben sich Frauen durchaus in diesem früher in aller Regel männlich dominierten Berufsfeld etabliert. Wie reagieren aber die Öffentlichkeit und die Gesellschaft auf eine Busfahrerin, die ein Kopftuch trägt?
Hamdiyes Traumberuf ist eine Männerdomäne
Hamdiye Kan hat es nach vielen Bewerbungen und Absagen endlich geschafft, sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen und ihren Traumberuf auszuüben. Die 36-jährige ist Busfahrerin in der niederbayerischen Isarmetropole Landshut. Mit Dienstkleidung und Kopftuch manövriert sie Tag für Tag sehr geschickt ihren Linienbus selbst durch die engsten Gassen und Straßen. Überglücklich und froh, dass sie es sogar auf eine Vollzeitstelle geschafft hat, fährt sie mit viel Spaß an der Arbeit und voller Stolz ihr tonnenschweres Fahrzeug durch die Stadt.
Ihr Kopftuch sorgte jedoch für öffentliche Aufregung in der örtlichen Presse. Das Landshuter Wochenblatt berichtete über vermeintliche „Diskussionen hinter den Kulissen“ und angebliche Beschwerden von Fahrgästen, welche die Redaktion erhalten haben will. Kleidungsvorschriften sollten doch für alle gelten und „keine Ausnahmen“ für ein Kopftuch getätigt werden.
Der Bayerische Rundfunk wollte diesen Darstellungen auf den Zahn fühlen und begleitete Hamdiye Kan im Zuge der Erstellung einer Reportage mit einem Kamerateam auf ihrer Fahrt. Und siehe da – von Unmut war nichts zu bemerken: Die Fahrgäste wurden befragt und scheinen sehr zufrieden zu sein. Niemand fühlte sich in irgendeiner Weise gestört von der persönlichen religiösen Einstellung der Busfahrerin und ihrem Tragens eines Kopftuches.
Frau Kan erklärte in einem Interview sehr traurig, dass sie nach dem Artikel des Landshuter Wochenblattes sofort die Arbeit einstellen wollte. Das Gefühl, nicht anerkannt und erwünscht zu sein, könne sie nicht ertragen und dies würde keine gesunde Grundlage für ein Arbeitsverhältnis darstellen. Ihre Vorgesetzten reagierten vorbildlich: Der Leiter der Verkehrsbetriebe Landshut, Claus Nußrainer, und auch alle anderen Entscheidungsträger ihres Arbeitgebers stellten sich uneingeschränkt hinter ihre Mitarbeiterin. Und deshalb wird Hamdiye Kan weiterhin die Fahrgäste in Landshut unter Einbringung ihrer beruflichen Fertigkeiten, mit ihrem freundlichen Wesen und mit viel Spaß und Freude an der Arbeit sicher durch die Stadt fahren.
Nicht die Kleidung, sondern die Qualifizierung sollte zählen
Die Ausgrenzung muslimischer Frauen mit Kopftuch ist ein Dauerthema. Einerseits beklagen sich Politik und Gesellschaft über angebliche „Parallelgesellschaften“ und Isolation, andererseits können Frauen mit Kopftuch trotz Qualifikation und Ausbildung ihren erlernten Beruf oftmals nicht ausüben, weil Vorurteile eine Einstellung verhindern. Somit bleibt diesen Frauen nur der Weg in die Selbstständigkeit und die Arbeit innerhalb einer ihre religiöse Überzeugung akzeptierenden Klientel. Fraglich ist, wer hier die Distanz wahrt und wer die Integration durch Beruf und Bildung anstrebt, aber keine Chance bekommt, als Teil der Gesellschaft anerkannt zu werden.
Wie lange will man das Bild der angeblichen „symbolischen Unterdrückung“ muslimischer Frauen noch aufrechterhalten und diesen – gerade in Anbetracht der Vielzahl hochqualifizierter Frauen – ihre Emanzipation durch gesetzliche Regelungen und auf Grund kulturalistischer Ressentiments verweigern?
Bereits der Monitoring-Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) 2009: „Ein großes Problem entsteht für muslimische Frauen, wenn sie sich für das Tragen eines Kopftuchs entscheiden, weil sie es dann besonders schwer haben, Arbeit zu finden. Nachdem Baden-Württemberg im Jahr 2000 beschlossen hatte, einer muslimischen Lehrerin das Tragen eines Kopftuchs im Unterricht zu untersagen, entschied das Bundesverfassungsgericht im konkreten Fall zugunsten der Lehrerin, überließ es jedoch den Ländern, per Gesetz festzulegen, welche religiösen Symbole bei welchem Anlass getragen werden dürfen. Seitdem haben acht Länder – Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland – ausdrücklich das Tragen von Kopftüchern an Schulen gesetzlich untersagt.
In Hessen dürfen Beamte grundsätzlich kein Kopftuch tragen. Es wird berichtet, dass die öffentliche Diskussion um das Tragen von Kopftüchern sich für muslimische Frauen noch nachteiliger ausgewirkt hat als die entsprechenden Gesetze selbst, weil Kopftuch tragende Frauen in der öffentlichen Debatte als unterdrückt und abhängig beschrieben wurden. Muslimische Frauen berichten darüber hinaus, dass es nach Verabschiedung dieser Gesetze auch im Privatsektor immer schwieriger geworden ist, Arbeit zu finden, weil der Eindruck vermittelt wurde, es sei sinnvoll, Bewerberinnen allein deshalb abzuweisen, weil sie ein Kopftuch tragen“.
Erst gerichtliche Entscheidungen, Druck auf öffentliche Institutionen, die es verabsäumen, der weit verbreiteten Intoleranz und Negation der Religionsfreiheit entgegenzutreten, und wie in diesem Fall Zivilcourage und Hinterfragen zweifelhafter Darstellungen erwiesen sich als probate Mittel, dieser Entwicklung gegenzusteuern.