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Gesellschaft

Arbeitsgericht Berlin: Diskriminierung wegen Kopftuchs unzulässig

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Ein wichtiger Sieg für die Religionsfreiheit in Berlin. Offen bleibt aber: Wie oft können Diskriminierungen dieser Art nicht bewiesen werden? Und: Warum bedarf es dazu überhaupt erst eines „gesellschaftlichen Erziehungsprogramms“? (Foto: dpa)

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Arbeitsgericht Berlin: Diskriminierung wegen Kopftuchs unzulässig
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Die Klage einer jungen Frau, die bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz in einer Zahnarztpraxis aufgrund des Tragens eines Kopftuches abgelehnt wurde, war erfolgreich. Das Gericht stellte eine Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) fest. In dem Ende September rechtskräftig gewordenen Urteil wird der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern zugesprochen. Das Arbeitsgericht machte in dem Urteil deutlich, dass die grundgesetzlich geschützte Berufsausübungsfreiheit ihre Grenzen im Diskriminierungsverbot des AGG findet. Die unzulässige Diskriminierung bestehe in der gedanklichen Vorab-Aussortierung der Klägerin anhand des Merkmals Religion.

Die Klägerin hatte sich nach der – aus ihrer Sicht eindeutig auf ihre religiöse Überzeugung zurückzuführende – Diskriminierung zunächst vom Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (ADNB des TBB) beraten lassen. Nach eingehender Beratschlagung entschied sie sich, gegen die Zahnarztpraxis zu klagen und wurde an die Rechtsanwältin Maryam Haschemi Yekani weitervermittelt.

Diese hatte der Klage aufgrund der gegebenen Beweislage gute Chancen eingeräumt und zeigt sich sehr erfreut über dieses Urteil: „Das Urteil ist vor allem deshalb wichtig, da hier eindeutig die individuelle Glaubensüberzeugung von Menschen vor Diskriminierungen geschützt wird. Gleichzeitig stellt das Urteil fest, dass ein Kopftuch (auch) in medizinischen Berufen mit der üblichen Kleiderordnung vereinbar ist und der Arbeitgeber nicht das Recht hat, dies durch eine individuelle Anordnung zu unterbinden.“

Eva Maria Andrades, juristische Mitarbeiterin des ADNB des TBB, welche die Klägerin als Beistand in der Verhandlung unterstützte, hebt hervor: „Dieses Urteil lässt keinen Zweifel daran, dass Arbeitgeber sich nicht über das Recht auf Gleichbehandlung hinwegsetzen können. Es soll Menschen, die Diskriminierung erfahren, ermutigen, sich dagegen zur Wehr zu setzen.“

Dass bei vielen Menschen noch immer kein Bewusstsein für Diskriminierung herrscht, zeigte sich auch am Verhalten des beklagten Zahnarztes. Dieser hatte die Ablehnung der Bewerberin aufgrund ihres Kopftuches eingestanden, sah darin aber keine Diskriminierung. Deshalb begrüßt Zülfikar Çetin, Vorstandsmitglied des TBB, neben dem Urteil auch die klaren Worte, die der Richter gefunden hat: Dass dieser im AGG den Versuch eines „gesellschaftlichen Erziehungsprogramms“ sieht, stellt einen großen Schritt in Richtung des Wachsens einer Antidiskriminierungskultur dar.“