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ARD-Story: Eine klare ideologische Botschaft

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Die jüngste Dokumentation in der ARD-Sendung „Die Story“ verdeutlicht, dass einige Türkei-Korrespondenten und Reporter bei Themen über die Türkei gerne das Narrativ der alten Kemalisten einfach übernehmen und das sogar auf Kosten von journalistischen Prinzipien. Qualitativer Journalismus hat einen festen Rahmen und unbestreitbare Eckpunkte, dazu zählt auch die Pflicht möglichst alle Beteiligten einer Thematik zu Wort kommen zu lassen. Andernfalls ist man sofort tendenziös und das geht gar nicht. Es sei denn, man hat triftige Gründe dafür, wie zum Beispiel, man hat den Kontakt aufgenommen, aber es hat sich keiner bereit erklärt zu reden.

In dem Beitrag „Die Nacht in der die Panzer rollten“ der ARD-Journalisten Oliver Meyer-Rüth, Ahmet Şenyurt und Cemal Taşdan geht es um die Aufarbeitung der Putschnacht und die Frage: „Wer ist Urheber des Putschversuchs“. Das Ergebnis der Autoren ist bereits in den ersten Minuten durchschaubar: „Fethullah Gülen und seine Bewegung hat geputscht, die türkische Regierung wusste es und hat es bewusst zugelassen, um daraus einen Profit zu schlagen. Das Bild der sagenumwobenen Koalition zwischen Gülen und Erdoğan ist gezeichnet, diesmal sogar aus einer anderen Perspektive. Die unterwanderungslustige Gülen-Bewegung hat seinen alten Koalitionspartner AKP stürzen wollen – um jeden Preis. Die Regierung hat den alten Partner gewähren lassen, um sie endgültig zu vernichten. Fast schon zu recht, denn die Gülen-Anhänger im Militär haben ein Gefecht gegen die Bevölkerung geführt. Niemand sonst steckt dahinter, allein die Gülen-Anhänger und Erdogans AKP.“ So die Message.

Doch mit wem wird im Filmbeitrag gesprochen? Mit überwiegend Linken und sich fanatisch zum Kemalismus bekennenden Politikern und Ex-Generälen. Also jene, die sich wegen allgemeinen und weltanschaulichen Diskrepanzen ohnehin schon vor Jahren gegen die konservativ-liberalen Gülen-Anhänger verschworen haben. Zu Wort kommt neben CHP-Mann Sezgin Tanrıkulu und HDP-Politiker Mithat Sancar, der AKP Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu mit gleich mehreren O-Tönen – für den Kritiker der deutschen Medien ein gefundenes Fressen. Alle Parteien sprechen in Punkto Gülen dieselbe Sprache. Da fragt man sich doch, wieso in der Türkei noch Opposition und Regierung nicht Hand in Hand arbeiten, um den scheinbar einzigen Feind im Staat endgültig zu eliminieren. Der Film zeichnet ein Bild der Türkei ab, der die Ideen und Gedanken türkischer Politiker und ideologischen Lager eins zu eins darstellt.  

ARD-Story mit Mesut Yılmaz im Gespräch

Ich habe mich über ein altes Gesicht der türkischen Politik gefreut. Mesut Yılmaz, der ehemalige Ministerpräsident der Türkei, spricht über die Gülen-Bewegung als Sekte. Der Begriff Sekte darf natürlich nicht fehlen. Die alte deutsche Furcht vor den Sekten zieht immer und man kann in diesen überbordenden Begriff vieles hineindeuten, ohne dafür Belege vorlegen zu müssen. Ohnehin bedient sich der gesamte Film keinerlei Belegen, muss dies letztlich auch in einer der vielen Autorenzeilen zugeben und im Endeffekt nur mit Wortaussagen von Personen auskommen. Für eine ARD -Story beschämend dünn. Auch erschreckend zu sehen, dass der Film den Ex-Ministerpräsidenten Mesut Yılmaz in keinster Weise hinterfragt. Die schillernde Figur Mesut Yılmaz hätte zumindest eine kritische Ankündigung verdient.  

Auch Bundesnachrichtendienst Chef Bruno Kahl wird in dem Film heftig angefahren, als dessen Aussage im Spiegel Exklusiv-Interview auseinandergenommen werden. Denn während der BND Chef Kahl bezeugt, dass die Türkei seit langer Zeit auf unterschiedlichstem Wege versucht, die Bundesregierung davon zu überzeugen, hinter dem Putschversuch stecke die Gülen-Bewegung, es ihr aber bislang nicht gelungen sei, haben die Autoren der ARD – Story die Variante der Türkei allem Anschein nach längst abgekauft. Sonst würde ein solch tendenziöser Film kaum entstehen.

Wie schon Eingangs erwähnt, ist ein journalistisch sauberes Werk eines, das jede beteiligte Seite berücksichtigt. Wenn man wochenlang die Parteien anfragt, aber sich keiner meldet, kann man in Erwähnung dieser Tatsache durchaus auch Beiträge schreiben, ohne alle Beteiligten im Bild zu haben. Doch im Film sieht man mit nur einem kurzen und wenig aussagenden O – Ton einen Weggefährten Fethullah Gülens. Scheinbar hat man sich dialogbereit gezeigt. Vermutlich liegt in der Hand der Autoren stundenlanges Drehmaterial mit zahlreichen Passagen, die man hätte einbauen können. Aber die Offenheit von Mehmet Ali Şengül hätte den Film vermutlich in ein anderes Licht gerückt. Lieber bleibt man in seiner Welt mit einer klaren ideologischen Botschaft und spielt den Hofnarren des Palastes in Ankara. Irgendwo habe ich auch Verständnis für die Kollegen, denn auch sie haben während einer Tätigkeit in der Türkei vieles zu befürchten. Zum Beispiel könnte ein Hinterfragen der These: Hinter dem Putsch steckt die Gülen-Bewegung, eine weitere Akkreditierung gefährden. Wer will schon Beyoğlu verlassen? Dort sind die schönsten und noblen Locations von Istanbul. Bei einem Glas Rotwein am Abend, in der behutsam untergehenden Sonne von Istanbul, mit der kemalistischen Elite über die Geschehnisse der Welt sprechen, um wieder Material zu sammeln, worüber man im deutschen Staatsfernsehen berichten kann. Ein beneidenswertes Arbeitsplatz. Wer will den schon verlieren?