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Armenien und Aserbaidschan – ein vergessener Konflikt

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Auch dieses Jahr wird Aserbaidschan dem Massaker von Chodschali gedenken. Viele Aserbaidschaner hoffen bis heute darauf, dass sich die internationale Gemeinschaft der Verbrechen von damals annimmt und die Schuldigen vor Gericht bringt. (Foto: cihan)

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Armenien und Aserbaidschan - ein vergessener Konflikt
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Der Kaukasus ist die Heimat einer Vielzahl von kleinen und größeren Völkern, die in der Vergangenheit nicht immer ein friedliches Verhältnis zueinander hatten. Ein trauriges Beispiel ist der heute fast vergessene Konflikt zwischen Armeniern und Aserbaidschanern, der ab dem Ende der Achtziger Jahre in der umstrittenen südlichen Kaukasusregion Bergkarabach tobte. Am 18. Februar wurde in Armenien ein neuer Präsident gewählt. Jedoch ist zu befürchten, dass die Verbrechen von damals weiterhin ungesühnt bleiben, da bislang weder die armenische Regierung noch die internationale Gemeinschaft ein Interesse an einer Aufarbeitung des Konflikts zeigen.

Das Massaker von Chodschali*

In der Nacht vom 25. Februar 1992 waren Hunderte wehrloser Einwohner der aserbaidschanischen Kleinstadt Chodschali brutal ermordet worden, als armenische Streitkräfte die Stadt mit Hilfe russischer Truppen einnahmen und dem Erdboden gleichmachten. 613 Aserbaidschaner, darunter 106 Frauen und 83 Kinder, wurden durch armenische und russische Streitkräfte getötet. Ganze Familien wurden ausgelöscht, 1275 Menschen gefangen genommen und weitere 1000 versehrt oder verkrüppelt. Dazu wurden 150 als vermisst gemeldet. Das 366. russische Infanterieregiment wurde beschuldigt, am Chodschali-Massaker beteiligt gewesen zu sein. Obwohl russische Offiziere die Anschuldigungen bestritten, sagte der damalige russische Botschafter der Türkei, dass desertierende Soldaten an einigen Vorfällen beteiligt gewesen seien.

Die Tragödie von Chodschali ließ die Politik in der Region nicht unberührt. Die Türkei, Iran und Russland warnten vor einer weiteren Destabilisierung der Region. Die aserbaidschanische Diaspora organisierte massive Proteste, bei denen die Demonstranten verlangten, dass die betreffenden Regierungen weiteres Blutvergießen in den konfliktbeladenen Regionen stoppen sollten. Alle regionalen Machthaber unternahmen Schritte auf ihre Art und Weise. Die Türkei schloss ihre Grenzen und erlegte Armenien nach heftigen Protesten in der türkischen Öffentlichkeit eine wirtschaftliche Blockade auf. Der Iran unternahm diplomatische Maßnahmen, um als Mediator zwischen Aserbaidschanern und Armeniern zu fungieren. Im Gegenzug dazu löste Russland eilig das 366. Regiment auf und zog die Streitkräfte aus der Region Berg-Karabach, in der Chodschali liegt, zurück. Der Großteil der Waffen und der Ausstattung des Regiments wurde jedoch für die örtlichen Separatisten in der konfliktbeladenen Region zurückgelassen.

Ethnische Säuberungen führen zu Massenexodus

In der Tat verursachten die tragischen Ereignisse in Chodschali den Auszug der Aserbaidschaner aus ihrer historisch angestammten Gegend. Mehr als 15 Jahre sind mittlerweile vergangen und die Welt verschließt immer noch die Augen vor dem Leid, dass durch die armenische Aggression gegen Aserbaidschan ausgelöst wurde. Als Resultat der ethnischen Säuberung in Berg-Karabach und anderen Gebieten, die von armenischen Truppen besetzt worden waren, wurden ungefähr eine Million Menschen vertrieben und dazu gezwungen, in Zelten oder Bahnwaggons zu leben.

Obwohl armenische Behörden zum wiederholten Male die Schuld Armeniens für die Verbrechen gegen die Bevölkerung von Chodschali abgestritten haben, so wurde die Verantwortung der armenischen Regierung durch unzählige unabhängige Quellen und Augenzeugen dieser blutigen Tragödie dokumentiert. Als Antwort auf die unzutreffende Darstellung des Geschehens durch die armenische Seite bestätigen von international bekannten Autoren wie z.B. Thomas Goltz, Thomas de Waal, Holly Carter und anderen aufgezeigte Fakten dass die Massenvertreibung der Bürger von Chodschali nur deswegen angeordnet wurde, weil sie Aserbaidschaner waren.

Die Stadt Chodschali war nur der Auftakt für weitere Besetzungen und ethnische Säuberungen aserbaidschanischer Gebiete. Doch nur das Massaker von Chodschali lenkte die breitere Aufmerksamkeit der internationalen Medien auf den Konflikt um die Region Berg-Karabach. Das Nachrichtenmagazin Newsweek berichtete unter dem Titel Gesichter eines Massakers wie aserbaidschanische Zivilisten aus nächster Nähe getötet und verstümmelt wurden, als sie versuchten zu fliehen Die New York Times wiederum schrieb unter dem Titel Massaker der Armenier von verbrannten und skalpierten Körpern von Opfern. Die internationale Berichterstattung über die Tragödie von Chodschali beinhaltete eine Vielzahl von anderen Kommentaren, die in der Sunday Times, der Washington Times , der Time usw. erschienen. Menschenrechtsverfechter beschrieben die Tragödie in Chodschali als bis dato größtes Massaker in dem regionalen Konflikt, der deutlich die Form einer ethnischen Säuberung zeigt.

Weit verbreitete Feindseligkeiten

Am 25.Januar 2005 gab die parlamentarische Versammlung des Europarates PACE eine Erklärung ab, in welcher betont wurde, dass beträchtliche Teile des aserbaidschanischen Territoriums noch immer von armenischen Streitkräften und Separatisten besetzt seien, welche die Region Berg-Karabach kontrollierten. Die Organisation drückte ebenfalls große Sorge darüber aus, dass die Militäraktion zwischen 1988 und 1994 sowie die weit verbreiteten ethnischen Feindseligkeiten, die ihnen vorausgingen, zu einer groß angelegten ethnischen Vertreibung und einer Erschaffung von mono-ethnischen Gebieten geführt habe. Damit machte PACE einen entscheidenden ersten Schritt vorwärts, um der Weltgemeinschaft mehr Informationen über die faktischen Gründe des Armenien-Aserbaidschan-Konfliktes offenzulegen.

Die Chodschali-Tragödie war bislang das schlimmste Massaker an unschuldigen Zivilisten in der modernen Zeit im Kaukasus. Daher wird der Name Chodschali von Aserbaidschanern und Angehörigen anderer Völker, die in dieser Region leben, mit Schmerz, Sorge und Brutalität gleichgesetzt. Chodschali ist die tragischste Seite in der Geschichte des unabhängigen Aserbaidschan. Jedes Mal, wenn die Aserbaidschaner weltweit der Tragödie von Chodschali gedenken, appellieren sie an die internationale Gemeinschaft in der Hoffnung, dass die armenische Regierung vor das internationale Strafgericht gebracht wird, um sich für die erfolgten Verbrechen an der Menschlichkeit zu verantworten. Zu unterschiedlichen Anlässen drängten verschiedene Staaten und regierungsunabhängige Organisationen internationale Organisationen, die fortbestehende Aggression gegen Aserbaidschan zu verurteilen und die Befreiung der von armenischen Truppen besetzten Gebiete zu ermöglichen. Die großen Mächte sollten sich darüber im Klaren sein, dass es keinen wahrhaftigen, langfristigen und nachhaltigen Frieden ohne Gerechtigkeit und Respekt der Menschenwürde und Freiheit geben kann.

* Dieser Artikel erschien 2008 in der Zeitschrift „Zukunft”