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Politik

Armenische Präsidentschaftswahl: Dynamik des Ein-Mann-Rennens

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Hatte es noch vor wenigen Monaten danach ausgesehen, als ob Armeniens Präsident Sarksyan mit ernsthaften Herausforderern rechnen könnte, scheint die Wahl mittlerweile entschieden zu sein. Eine zweite Amtszeit gilt fast als sicher. (Foto: cihan)

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Armenische Präsidentschaftswahl: Dynamik des Ein-Mann-Rennens
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Die am 18. Februar stattfindende Präsidentschaftswahl in Armenien wird das erste Rennen unter den diesjährigen Präsidentschaftswahlen im Südkaukasus sein. Es ist abzusehen, dass diese Wahl nicht den gleichen Grad an Interesse in den internationalen Medien mobilisieren wird wie im Vergleich dazu die georgischen Parlamentswahlen im Oktober letzten Jahres.

Die jüngste Ankündigung der armenischen Zentralen Wahlkommission (CEC), dass am Ende nur noch acht der ursprünglich nominierten 15 Kandidaten zur Auswahl stehen werden, deutet einmal mehr darauf hin, dass der derzeitige Präsident, Serj Sarksyan (Foto), keinen ernstzunehmenden Gegner haben wird. Trotzdem halten Teile der Bevölkerung immer noch an dem „Traum” fest, die verbleibenden Kandidaten würden notfalls gemeinsam kämpfen, um den amtierenden Präsidenten zu besiegen. Inmitten aller Unwägbarkeiten, welchen Armenien derzeit gegenüber steht – von wirtschaftlichen Kämpfen bis hin zu weitreichenden außenpolitischen Entscheidungen, vor allem im Hinblick auf die anhaltende Abhängigkeit von Moskau – scheint eine Sache sicher zu sein: Sarksyan wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren gewählt werden.

Warum ist Sarksyan der Favorit?

Bis Ende Dezember dachten der Großteil der Armenien-Experten, dass die am 18. Februar stattfindenden Präsidentschaftswahlen aus drei Gründen sehr hart umkämpft sein würden.

Zunächst waren seitens des Präsidenten Sarksyan erhebliche Verluste in Bezug auf die öffentliche Popularität wegen der sozioökonomischen Probleme des Landes zu verzeichnen. Darüber hinaus, und dies ist entscheidend, haben die Führer der wichtigsten Oppositionsparteien, des Armenischen National-Kongress (ANC) und der „Partei für ein florierendes Armenien“ (PAP), erheblich an politischer Macht und Popularität gewonnen, sodass Sarksyan den politischen Druck zu spüren bekam. Ein dritter Faktor war dann noch das Comeback des ehemaligen Präsidenten Robert Kotscharjan, das dem Sarksyan-Regime drohte, und das von der Öffentlichkeit als „Rückkehr des Königs” gefeiert worden wäre, was Sarksyan zum „kleinen Löwen” degradieren hätte können.

Kotscharjan ist bekanntlich ein leidenschaftlicher Jäger, und viele hatten über sein Potenzial als „politisches Raubtier“ spekuliert. Aber es scheint, nach Medienmitteilungen aus Tansania, dass Kotscharjans Vorliebe für die Jagd sich nicht auf die Politik erstreckt, oder gar bis nach Armenien reicht.

Am Ende wurde Sarksyan von keiner dieser drei „Alptraum”- Varianten heimgesucht. In der Tat kann kein Vergleich zwischen der bevorstehenden Wahl und jener der letzten vor fünf Jahren angestrengt werden, als sich Armenien mit einer ganz anderen Art von Rennen konfrontiert sah: Damals war es zum politischen Comeback des ehemaligen Präsidenten Levon Ter-Petrosjan gekommen und die Wahl war tatsächlich heiß umkämpft.

Traditionell nimmt die Bevölkerung in Armenien die Parlamentswahlen nicht wirklich ernst, da bislang immer das Rennen um das Präsidentenamt jenes war, das zählte. Dies gilt im Übrigen für die meisten Länder des ehemaligen Ostblocks, abgesehen von den baltischen Staaten und in einem gewissen Ausmaß Georgien.

Im Dezember ging der Opposition die Luft aus

Aber gegen Ende Dezember entwickelte sich die Dynamik in eine völlig andere Richtung und der Präsident konnte nicht mehr in Schach gehalten werden. Letztlich kam diese Verschiebung zustande, weil sowohl der Führer des ANC, Ter-Petrosjan, als auch jener der PAP, Gagik Tsarukian, beschlossen, nicht anzutreten, und ihre Parteien erklärten, keine Empfehlung für einen der übrigen Kandidaten abgeben zu wollen. Diese Entwicklung verlieh Präsident Sarksyan ein spürbares Mehr an Sicherheit; darüber hinaus wurde die Frage virulent, ob ANC oder PAP selbst ihren Glauben an die Bevölkerung verloren hätten.

Mit der armenischen Politik vertrauten Beobachtern zufolge ist das Hauptproblem, dass die Öffentlichkeit selbst die Hoffnung hinsichtlich der Möglichkeit eines politischen Wandels verloren hat. Die wichtigsten Oppositionsparteien haben sich geweigert, ihre politischen Differenzen zu überwinden und ihre Arroganz in den Hintergrund treten zu lassen, die aus der Scheinbegründung spricht, man ziehe sich zurück, weil Wahlfälschungen zu erwarten wären. Da sich ANC und PAP wiederholt über Korruption in der Regierung beschwert und zu einem Regimewechsel aufgerufen hatten, ist ihre Entscheidung schwer zu verdauen, sie wird wahrgenommen als ein Akt des Defätismus, da nichts Ehrenhaftes an der Verweigerung der Teilnahme am demokratischen Prozess zu erblicken ist. Lediglich die Entscheidung der PAP erscheint zukunftsorientiert: Da sie sich keinem Kandidaten entgegenstellt, gleichzeitig auch keine Empfehlung zu Gunsten eines Kandidaten abgibt, dürfte der verborgene Wert dieser faktischen Unterstützung Sarksyans in einer möglichen Regierungsbeteiligung zu finden sein.

Laut einer Umfrage der armenischen Sociological Association von Ende Dezember 2012 verfolgen 52 Prozent der Befragten die politischen Entwicklungen im Land und haben einen Favoriten im Auge; 32 Prozent von ihnen werden an den Wahlen teilnehmen; 24 Prozent sind unentschlossen. Die gleiche Umfrage zeigt, dass 20,5 Prozent derjenigen, die sich bereits entschieden haben, für wen sie stimmen wollen, für den derzeitigen Präsident Sarksyan stimmen werden.

Kampflose Niederlage?

Bisher haben nur acht Kandidaten die Anforderungen des aktuellen Wahlgesetzes erfüllt, darunter eine Kaution von 8 Millionen Drachmen (ca. $ 20.000) als kurfürstliche Anzahlung. Unter ihnen sind wenig bekannte Kandidaten, die bislang zumindest in keiner positiven Weise aufgefallen waren, vom unabhängigen Rentner Pavlik Sargsyan bis zum arbeitslosen Kommunisten Robert Simonyan.
Nur zwei Kandidaten stellen eine einigermaßen glaubwürdige Herausforderung für Sarksyan dar, dies sind der ehemalige Premierminister Hrant Bagratyan, der Führer der Freiheitspartei, und der ehemalige Außenminister Raffi K. Hovannisian, Gründer der Partei des nationalen Erbes, der als selbst-nominierter Kandidat antritt. Bagratyan ist als Reformist in Armenien bekannt; in den ersten Jahren der Unabhängigkeit setzte er die wichtigsten wirtschaftlichen Reformen des Landes um. Seine Kampagne basiert auf einem wirtschaftlichen Programm namens „Nur 100 Schritte zur sozialen Gerechtigkeit”.

Die Wähler wollen auch eine starke Regierung mit einer starken Führungspersönlichkeit – jedoch legte Hovannisian bereits zwei Mal sein Parlamentsmandat zurück, seine politischen Forderungen sind unklar und damit ist seine Attraktivität als politischer Führer überschaubar.

Die Strategie der Opposition ist im Wesentlichen ein Boykott, man zieht seine Kandidaten nach und nach von der Wahl zurück. Die Verfassung sagt: „Tritt nur ein Kandidat zu den [Präsidentschafts-] Wahlen an, gilt er/sie als gewählt, wenn er/sie mehr als die Hälfte der Stimmen jener Wähler erhält, die sich an den Wahlen beteiligt hatten.” Gibt es nur einen Kandidaten, sieht das Wahlgesetz jedoch auch eine Option der Gegenstimme auf dem Wahlzettel vor. Folglich unterstützen einige Oppositionskandidaten die Idee, Sarksyan solle als einziger Kandidat antreten. Die Chance, 50 Prozent der Stimmen zu erlangen, wäre somit geringer und das Risiko einer Niederlage umso größer.

Es scheint, dass in der Februarwahl „der Sieg über den amtierenden Präsidenten” nicht die Herausforderung ist, mit welcher die Opposition konfrontiert werden wird, sondern eine für Sarksyan selbst. Sollte er gewählt werden – und das gilt als sehr wahrscheinlich, wird er weiterhin seine politische Bilanz und seine Innenpolitik verteidigen müssen.

Autoreninfo: Zaur Shiriyev ist Chefredakteur des „Caucasus International” (CI) und schreibt auch für die „Today’s Zaman”, aus der auch der obige Artikel stammt. Shiriyevs Hauptaugenmerk liegt auf der Schwarzmeer-/Kaukasusregion, besonders interessiert er sich für die EU-Politik in diesem Gebiet.