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Wirtschaft

Aserbaidschan als Profiteur aus der Krim-Krise?

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Das rohstoffreiche Land könnte als Gewinner aus der internationalen Krimkrise hervorgehen, sollte sich der Westen von Russland als Hauptlieferanten von Erdgas abwenden. Um Russland nicht zu reizen, läuft alles hinter den Kulissen ab. (Foto: reuters)

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Aserbaidschan könnte als Gewinner aus der Krimkrise hervorgehen, sollte sich der Westen von Russland als Hauptlieferanten von Erdgas abwenden.
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In dem Versuch der EU, angemessen auf die russische Landnahme auf der Krim zu reagieren, kämpfen diese Länder nun mit ihrer eigenen Abhängigkeit von russischen Gasimporten, schreibt eurasianet.org am Donnerstag. Europa droht sich bei seinem Versuch, durch die voreilige und einseitige Unterstützung des Putsches in der Ukraine Moskau auszubooten, zu verkalkulieren: Jedwede wirtschaftliche Sanktion gegen Russland könnte mit einer Unterbrechung der Gaslieferungen in die EU beantwortet werden – mit höchst unangenehmen Folgen. Selbst wenn die Krimkrise entschärft werden könnte, würden Spannungen zwischen Russland und der Ukraine bestehen bleiben, zumal rund ein Drittel der europäischen Gasimporte über das Territorium der Ukraine geliefert werden.

Die unsicher werdenden russischen Gaslieferungen öffnen nun eine Tür für Aserbaidschan, eine Hoffnung, die die Europäer schon lange hegen. 2013 förderte das Land 29 Milliarden Kubikmeter Erdgas, von denen ca. 62 Prozent handelbar waren, sagte der aserbaidschanische Energieminister Natig Aliyev. 2014 soll die Fördermenge um zwei Milliarden Kubikmeter erhöht werden.

Aserbaidschan auf dem Sprung

Im Vergleich zu Russland – dem zweitgrößten Erdgasproduzenten der Welt nach den USA mit 668 Milliarden Kubikmetern gefördertem Erdgas im Jahre 2013 – ist Aserbaidschan „noch keine Alternative zu russischem Erdgas“, sei aber schon „ein gewichtiger Faktor bei den Überlegungen der Europäer, ihre Abhängigkeit von russischem Erdgas zu reduzieren“, sagte Elhan Shahinoğlu, Leiter des nichtstaatlichen Atlas-Forschungszentrums in Baku.

Großes Interesse hat zuletzt die Erschließung des Shah-Deniz-Erdgasfeldes erregt, in dem 1,2 Billionen Kubikmeter Erdgas vermutet werden. Ab dem Jahr 2019 sollen Italien, Griechenland und Albanien – jetzt noch die größten Abnehmer russischen Erdgases – jährlich zehn Milliarden Kubikmeter Erdgas aus dem Shah-Deniz-Erdgasfeld beziehen.

Ist die EU handlungsfähig?

Shahinoğlu erwartet jetzt von der Europäischen Union eine verstärkte Unterstützung für die beiden Erdgasleitungen, die diese Lieferungen nach Südosteuropa ermöglichen sollen. Es handelt sich hier um die Trans-Anatolien-Pipeline (Tanap), die von der staatlichen Energiegesellschaft SOCAR kontrolliert wird, sowie um die Trans-Adriatische-Pipeline (TAP), an der die SOCAR 20 Prozent der Anteile hält. SOCAR-Vizepräsident Vitaly Beglyarbekov sagte vergangenen Mittwoch auf einer Konferenz in Baku, dass die Gesellschaft ihre Infrastruktur für weitere Länder zugänglich machen wolle.

Theoretisch könnten diese Lieferungen bereits in diesem Jahr beginnen, sagte ein weiterer Experte. Diese könnten insbesondere die Lieferungen in einen europäischen Markt diversifizieren, der vollständig von russischem Erdgas abhängig ist – nämlich Bulgarien. „Wenn die EU einen kurzen, nur 180 km langen Abschnitt zwischen den Erdgasverteilernetzen der Türkei und Bulgarien finanzieren würde, könnte die Pipeline bereits im kommenden Jahr 2 Milliarden Kubikmeter Erdgas nach Bulgarien liefern, so Ilham Shaban.

Nach Shahinoğlu könnten die Europäer sogar Turkmenistan ermutigen, Erdgas über das Kaspische Meer und Aserbaidschan zu exportieren. BP Aserbaidschan habe bereits Interesse bekundet, hieß es.

Da die westeuropäisch dominierte EU bis dato ihre Südostflanke eher stiefmütterlich behandelt hatte und im Westen jene Ökoideologie, die im Ergebnis erst die vollständige Abhängigkeit von russischem Erdgas geschaffen hatte, immer noch eine bedeutende Rolle spielt, bleibt allerdings offen, ob das strategische Denken in Brüssel tatsächlich so weit reichen wird.