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Gesellschaft

Assimilation von Türken nicht mal möglich, wenn man sie wollte

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Als Ex-Kanzler Schröder ihn trotz deutscher Staatsbürgerschaft, deutscher Familie und langjähriger SPD-Parlamentsarbeit immer noch als Türken ansprach, wurde Ozan Ceyhun klar, dass er nie als Deutscher anerkannt werden würde. (Foto: aa)

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Assimilation von Türken nicht mal möglich, wenn man sie wollte
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Ozan Ceyhun, ehemaliger Abgeordneter des Europäischen Parlaments (EP), hat nach 30 Jahren Erfahrung als türkischstämmiger Deutscher betont, dass ein Türkischstämmiger, unabhängig davon, was er alles täte, um Deutscher zu werden, niemals als Deutscher akzeptiert werden könne. Ceyhun, der im Hauptsitz der UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten) eine Lesung seines Buches „Man wird nie Deutscher” veranstaltete, teilte bei dieser Gelegenheit mit, dass ihm dies klar geworden wäre, als Ex-Kanzler Schröder (l.) ihn einst im Herbst 2002 fragte „Warum haben deine Landsleute Erdoğan (r.) gewählt?”, obwohl er die deutsche Staatsbürgerschaft, eine deutsche Familie und als vom deutschen Volk gewählter Mandatsträger für die SPD ein politisches Mandat ausgeübt hat.

Schröder, mit dem Ceyhun sehr gut befreundet, war kurz zuvor als Kanzler wiedergewählt worden. Das Ergebnis war sehr knapp. „Bei diesen Wahlen“, so Ceyhun, „hatte ich die an die Wähler türkischer Herkunft gerichteten Wahlvorbereitungen durchgeführt. Ich ging davon aus, dass er mit mir darüber sprechen wollte. Doch nachdem er sich bei mir bedankte, hat er auf eine sehr freundliche Art und Weise gefragt, warum haben ‚meine Landsleute‘ denn ‚diese religiöse Partei gewählt‘ hätten.“

Sogar die Abstammung der deutschen Ehefrau wird gecheckt

Mit ’seinen Landsleuten‘ meinte der Bundeskanzler die Türken. Ceyhuns Land war aber nun mal Deutschland. „Egal was ich tat, mit mir sprach er nicht über Deutschland, sondern über die Türkei. Ich war vor Wut fast verrückt geworden.” Nachdem über diese Erfahrung in einer deutschen Zeitung berichtet worden war, erhielt Ceyhun ein Angebot, daraus ein Buch zu machen. „Wir gingen davon aus, dass man unsere Herkunft vergessen wird. Doch egal was wir tun, wir werden als Türken angesehen. Mit Schröders Verhalten sind wir erwacht“, so Ceyhun.

In seinem Buch erzählt er nun über das in den 80er-Jahren beginnende Abenteuer in Deutschland und den Prozess des Erwerbs seiner deutschen Staatsbürgerschaft. Er schildert, wie er sich für die deutsche Staatsbürgerschaft beworben hatte und in diesem Zusammenhang sogar eine eingehende Untersuchung hinsichtlich seiner Frau Doris, die gebürtige und über Generationen hinweg hier ansässige Deutsche ist, durchgeführt wurde. „Es ist nicht ausreichend, dass Doris eine Deutsche ist. Es musste bewiesen werden, dass sie seit mindestens drei Generationen Deutsche ist. Beim Sprachtest für die Einbürgerung wurde mir als Thema etwas über die Bestattung vorgegeben. Um Deutscher werden zu können, sollte ein Türke beschreiben können, welche Formen der Beerdigung es in Deutschland gäbe. Nach jahrelangen Bemühungen habe ich mit der Begründung, dass ich auch in der Türkei in der Politik aktiv sein würde, die doppelte Staatsbürgerschaft erlangt – ich werde immer noch gefragt, wann ich in der Türkei politisch aktiv sein werde.”

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Ceyhun erklärt, dass auch Kinder mit deutschen Müttern und deutschen Namen ähnliche Erfahrungen machen würden wie sein eigener Sohn, der ihm folgendes erzählte: „Papa, die türkischen Jugendliche sagen: ‚Wenn dein Vater Türke ist, bist du auch Türke, komm mit uns.‘ Ich sage, dass mein Türkisch nicht so gut ist, und sie meinen es wäre egal, ich wäre ein Türke. Doch den deutschen Jugendlichen sage ich, dass ich Deutscher bin und sie antworten, damit, dass mein Vater Türke wäre und somit ich auch. Ich wäre kein Deutscher.“

…nur wenn der Präsident des BfV eines Tages Mehmet heißt

Ceyhun, der sich nach eigenen Angaben heute zu 60 % als Türke und 40 % als Deutscher fühlt: „In Frankfurt, Istanbul und in der Türkischen Republik Nordzypern fühle ich mich in meiner Heimat. Ein moderner Mensch ist in der Lage, mit verschiedenen Identitäten und Staatsbürgerschaften leben zu können – das ist die Zukunft. Was wir auch tun, wir werden von den Deutschen nicht als ebenbürtige Individuen anerkannt. Ich denke, dass zu ändern, ist sehr schwierig. Nur wenn eines Tages der Name des deutschen Verteidigungsministers oder des Präsidenten des Bundesverfassungsschutzes (BfV) Mehmet lautet, dann könnte sich vielleicht einiges ändern. Einer der wesentlichsten Gründe für die Ausländerfeindlichkeit in der Gesellschaft ist die Bildung und die mangelhafte Art, in welcher Geschichte gelehrt wird. Außerdem haben auch die Äußerungen der Politiker sehr großen Einfluss. Das alles muss sich ändern.”

Auf die Frage des DTJ antwortete Ceyhun: „Die Türken in Deutschland könnten, auch wenn sie es wollen, nicht assimiliert werden. Auch ich habe in meiner Phase, wo ich am deutschesten war, in meinem Auto türkische Musik-CDs gehört und bin aus den türkischen Vierteln in Brüssel nicht rausgekommen.”