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Wirtschaft

Deutsche Auswanderer: Türkei vor Schweiz und Spanien

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Reality-TV-Sendungen wie „Goodbye Deutschland“ machen das Thema Auswanderung einem breiten Publikum schmackhaft. Eine Studie ergründet nun Migrationsmotive deutscher Staatsangehöriger. Viele sind hochqualifiziert, und Geld ist nicht der Hauptantrieb.

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Für deutsche Auswanderer sind berufliche Neugier und familiäre Bindungen entscheidender als schnöde Verdienstchancen oder Frust über ihre alte Heimat. Zudem ist das Bildungsniveau dieser Migranten aus Deutschland mit einem Hochqualifizierten-Anteil von 70 Prozent sehr hoch – jedoch auch das der Rückkehrer mit 64,1 Prozent. Dies ergibt sich aus einer Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und der Universität Duisburg-Essen.

Neue Berufs- und Lebenserfahrungen als Antrieb, ins Ausland zu gehen

Für die am Dienstag in Berlin vorgestellte Erhebung „International Mobil“ wurden knapp 800 Aus- und rund 900 Rückwanderer befragt. Zwei von drei Befragten nannten den Wunsch nach neuen Berufs- und Lebenserfahrungen (66,9 beziehungsweise 72,2 Prozent) als wesentlichen Grund, ihrem Heimatland zumindest zeitweise den Rücken zu kehren. Partnerschaft und Familie waren für jeden zweiten Auswanderer ein Hauptmotiv (50,9 Prozent). Ein besseres Einkommen im Ausland erhofften sich 46,9 Prozent. Vier von zehn Befragten nannten Unzufriedenheit mit dem Leben in Deutschland als Antrieb.

Überraschend gering verbreitet ist der Wunsch nach einem Komplettausstieg: Nur ein Drittel der Auswanderer wollte auf Dauer im Ausland bleiben, stellten die Wissenschaftler fest. 41 Prozent gingen von vornherein von ihrer späteren Rückkehr aus. Und 43,5 Prozent der deutschen Migranten gaben ernüchtert zu, dass sich die Entscheidung negativ auf ihren Freundes- und Bekanntenkreis ausgewirkt habe. Für Rückkehrer spielen denn auch familiäre Gründe eine große Rolle.

„Kein dauerhafter Abfluss von Humankapital“

„Es gibt keinen dauerhaften Abfluss von Humankapital“, sagte Marcel Erlinghagen von der Uni Duisburg-Essen. Mit einem Minus von zuletzt etwa 25 000 Deutschen pro Jahr gab es zwar einen „stabilen Abwanderungstrend“ – jedoch bei zugleich hoher Zuwanderung aus EU-Ländern, sagte die SVR-Forschungsdirektorin Cornelia Schu.

Seit Jahren wandern den Angaben zufolge mehr Deutsche aus als zurückkehren. Zwischen 2009 und 2013 wurden rund 710 000 Fort- und 580 000 Zuzüge registriert. Hauptziele waren zwischen 2004 und 2013 die Schweiz (209 000), die USA (136 000) und Österreich (109 000). 2013 lebten die meisten Auswanderer aus Deutschland in den USA (681 000), der Türkei (405 000), der Schweiz (367 000), Großbritannien (311 000) und Spanien (240 000).

Hinsichtlich der Türkei ist zu beachten, dass in der Statistik auch Deutsche mit einem türkischen Migrationshintergrund enthalten sind. Dies hat sowohl Einfluss auf eine Aus- wie auch eine Rückwanderung.

Keine Gesamtstrategie für Rückkehrer

Die 70-seitige Studie definiert deutsche Auswanderer als Menschen, die ihren Lebensmittelpunkt dauerhaft ins Ausland verlagern, indem sie sich beim Einwohnermeldeamt abmelden. Nach Auskunft der Autoren wurden in den Befragungen erstmals in größerem Umfang Beweggründe untersucht – auch um daraus Handlungsempfehlungen abzuleiten. So sieht Schu Nachholbedarf für eine deutsche „Diaspora-Politik“: Es gebe zwar einzelne Rückkehrerprogramme, aber „keine Gesamtstrategie“. Diese könne angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland aber sinnvoll sein, zumal die Rückkehrer aus ihrer Zeit im Ausland oft wertvolle zusätzliche Erfahrungen und Qualifikationen mitbrächten.

Auswanderung aus Deutschland sei ein zweischneidiges Schwert, so das Fazit von BiB-Direktor Norbert F. Schneider. Die Auswanderer „erzielen oft ein höheres Einkommen und haben einen höheren Berufsstatus, aber sie erfahren vielfach auch eine Art sozialer Desintegration durch den Verlust von Freunden und Bekannten“. Unzufriedenheit mit ihrem Leben im Ausland gaben 40,4 Prozent der Befragten zu Protokoll – dieser Wert ist fast genauso hoch wie derjenige für Unzufriedenheit mit dem Leben in Deutschland (41,4). (dpa/dtj)