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Politik

Bahçeli: „Erdoğan hat sich in Illusionen verrannt“

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Vor Mitgliedern der MHP hat Parteichef Devlet Bahçeli scharfe Kritik an Premierminister Erdoğan geübt und den Korruptionsskandal als Anfang vom Ende der Regierung bezeichnet. Zugleich kritisierte er deren Anlassgesetzgebung. (Foto: cihan)

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MHP-Chef Devlet Bahçeli
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Der Parteichef der oppositionellen Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP), Devlet Bahçeli, hat Premierminister Recep Tayyip Erdoğan mutwilliges Fehlverhalten im Amt vorgeworfen. Dies äußere sich darin, dass der Regierungschef diejenigen mit Samthandschuhen anfasse, die Bestechungsgelder angenommen und Gelder veruntreut hätten, während er sich mit der Polizei und Justiz anlege, die nur ihren Job täten. Dieses Verhalten Erdoğans lasse sich nur damit erklären, dass die Korruptions- und Veruntreuungsvorwürfe langsam ihn selbst und seine Familie erreichten, so Bahçeli.

Vor Parteimitgliedern erklärte Bahçeli im Rahmen eines Gruppentreffens am Dienstag, Erdoğan und seine Regierung hätten selbst eine kriminelle Tat begangen, indem sie Gerichte und Polizei in ihrer Arbeit Obstruktion entgegengebracht hätten und sogar die Verhaftung von Verdächtigen vereitelt hätten. Einen derartigen Sumpf an Willkür und Amtsmissbrauch, wie er in der willkürlichen Versetzung tausender Polizeibeamter und -chefs zum Ausdruck kam, kenne man sonst nur aus Stammesgesellschaften. „Von Schuld verfolgt, hat Erdoğan gegen das Gesetz agiert und Juristen den Kampf angesagt“, so Bahçeli.

Bahçeli vertrat den Standpunkt, die Korruptionsermittlungen des 17. Dezember markierten den Beginn des Niedergangs der Regierung. Vor allem die Ad-hoc-Gesetzgebung und Sonderverordnungen, die nacheinander eingeführt wurden mit dem einzigen Ziel, die Vertiefung der Ermittlungen in der Korruptionsaffäre zu verhindern, seien ein klarer Fall von Fehlverhalten im Amt.

Wiederaufnahmen würden am Ende auch KCK-Terroristen helfen

Der MHP-Vorsitzende kritisierte vor allem die Versuche Erdoğans, die Korruptionsermittlungen als Resultat einer Verschwörung fremder Mächte darzustellen, welche die Türkei daran hindern wollten, ökonomisch ein globaler Akteur zu werden. „Sein Krisenmanagement war so schlecht, dass ihm am Ende nichts Besseres eingefallen ist als uns seit drei Wochen die Geschichte von der internationalen Verschwörung aufzutischen, die gegen ihn, gegen seine Regierung und gegen den Willen des Volkes gerichtet sein soll. Also kurz gesagt: Alles ist eine Verschwörung, alles ist eine Falle und jeder wird von inländischen Hilfskräften ausländischer Mächte kontrolliert. Und Korruption hat’s nie gegeben und Schmiergelder sind nie geflossen. Für uns stellt sich das Ganze aber so dar: Erdoğan hat sich in seinen eigenen Illusionen verrannt, sich in Lügen verloren und hat seinen Verstand abgeschaltet. Er glaubt entweder selbst an seine irrealen Chimären, künstlichen Feindbilder und bizarren Ängste oder er will sie uns nur verkaufen. Erdoğan täuscht sich selbst und die Nation“, so Bahçeli.

Bahçeli warf Erdoğan vor, seine wahre Absicht sei es, die Aufmerksamkeit von den Korruptionsermittlungen wegzulenken und im Angesicht harter Fakten zu den Korruptionsvorwürfen die Realität zu leugnen. Bahçeli sprach sich auch gegen das Vorhaben aus, die Ergenekon- und Balyoz-Prozesse wieder aufzurollen, da dies in weiterer Folge dazu führen würde, dass auch Tausende von weiteren Prozessen wieder aufgerollt werden würden, vom Wettskandal bis hin zu den KCK-Terroristen. So etwas brauche das Land derzeit nicht, so Bahçeli.

Bahçeli spielte in diesem Zusammenhang insbesondere auf die Aussagen des Chefberaters Erdoğans, Yalçın Akdoğan, an, der in diversen Zeitungen geschrieben hatte, die Prozesse seien das Resultat eines Komplotts gegen die Türkischen Streitkräfte (TSK). In diesem Fall wäre der erste Schritt, der zu gehen sei, die Verschwörer aufzuspüren und vor Gericht zu stellen, so Bahçeli. Eine Wiederaufnahme und eine darauf folgende Freilassung wäre weder ein Trost für die Verurteilten nach sieben Jahren im Gefängnis, noch würde sie Erdoğan und die Komplottanten von ihrer Verantwortlichkeit befreien.

Vor den Kommunalwahlen im März versucht sich die MHP in Position zu bringen und der in Umfragen weiterhin starken AKP Stimmen abzuringen – mit zum Teil ungewöhnlichen Maßnahmen. Bahçeli, der am 1. Januar seinen 66. Geburtstag feierte, hatte 1997 nach dem Tod von Alparslan Türkeş den Parteivorsitz übernommen. Er gilt als umstritten. Kritiker werfen ihm fehlendes Charisma und ein mangelhaftes politisches Konzept vor. Abgesehen von der Zeit zwischen 1999 bis 2002, als er in mehreren Koalitionsregierungen mit der DSP und der ANAP als stellvertretender Ministerpräsident der Türkei fungierte, ist er seit 1997 in der Opposition.