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Politik

„Ein Bürgerbegehren gegen eine Religion richtet sich auch gegen unsere Gesellschaft“

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In den bayerischen Städten und Gemeinden ist es für kleine Parteien leichter als je zuvor, Mandate zu erringen. Deshalb wittern auch rechte Kräfte ihre Chance. Aber sie stoßen auf Widerstand – etwa durch Marian Offman. (Foto: B. Aydın)

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Am kommenden Sonntag finden im Freistaat Bayern Kommunalwahlen statt. Es gibt keine Sperrklausel mehr und durch die Umstellung des Auszählungsverfahrens vom d’Hondtschen System auf die Methode nach Hare-Niemeyer könnten bereits 0,6-0,7% der Stimmen für ein Mandat im Stadtrat reichen. Aus diesem Grund rechnen mit der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“ und der NPD-Tarnliste „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ gleich zwei rechtsextreme Wahlvorschläge damit, Mandate im neuen Stadtrat der Landeshauptstadt zu bekleiden.

Einer, der sich deren rassistischen Umtrieben seit Jahr und Tag am vehementesten entgegenstellt, ist der CSU-Stadtvertreter Marian Offman, der sich auch am Sonntag wieder zur Wahl stellen wird.

Dem DTJ stand er für ein Interview zur Verfügung.

Sehr geehrter Herr Offman, im Rahmen Ihrer Tätigkeit als Stadtrat spielten Themen wie Religionsfreiheit und religiöse Rechte für Sie stets eine wesentliche Rolle. Warum ist Ihnen dies so wichtig?

Ich habe den größten Teil der väterlichen Familie im Holocaust verloren, deshalb war der Holocaust für mich stets ein wichtiges Thema. Und deshalb ist für mich auch der Kampf dafür, dass so etwas nie wieder passiert, besonders wichtig. Ich bin zwar kein besonders religiöser Mensch, aber für mich hat die Religion alleine schon deshalb einen Stellenwert, weil sie auch unsere Kulturen, unsere Zivilisation und unsere Gesellschaft maßgeblich beeinflusst hat. Für mich sind alle drei Buchreligionen, Judentum, Islam und Christentum, gleichwertig.

Sie haben sich vor allem durch Ihren Einsatz gegen islamfeindliche Gruppen einen Namen gemacht. Wie kam es dazu?

Wir haben in Deutschland die Religionsfreiheit, die auch zu verteidigen ist. Und deshalb trete ich auch für die Errichtung einer Moschee für die etwa 120 000 Muslime in München ein. Ich habe mich deshalb bewusst gegen ein Bürgerbegehren von Michael Stürzenberger gewehrt, das sich gegen eine Religion (nämlich den Islam) wendet. Denn für mich ist es inakzeptabel, dass man gegen eine Religion ein Bürgerbegehren durchführt. Das ist ein Bürgerbegehren gegen die Zivilisation, gegen die Kultur und Ethik auch unserer Gesellschaft. Deshalb war ich auf den Veranstaltungen von Herrn Stürzenberger oft als sichtbarer Gegner. Das bereitete ihm Schwierigkeiten, weil er sich dem Vorwurf, rechtsradikal zu sein, entziehen will, indem er sich proisraelisch und projüdisch gibt. Er hat am Anfang die Flagge Israels an seinen Infoständen gehabt. Das habe ich dann über das Israelische Konsulat unterbinden lassen. In der Tat ist er auch antijüdisch und natürlich sehr antiislamisch. Er ist gegen die Beschneidung und gegen das Schächten. Damit trifft er Islam und Judentum gleichermaßen.

„Die Freiheit“ ist aber nicht die einzige rechtsextreme Gruppierung, die in der Öffentlichkeit präsent ist…

Neben meinem Engagement gegen Rechtspopulismus engagiere ich mich gegen die Neonazis, die sich in ihrer Ideologie überhaupt nicht vom Nationalsozialismus unterscheiden. Die Neonazis sind fremdenfeindlich und damit auch menschenfeindlich. Zu ihren Veranstaltungen gehe ich hin und belasse es nicht nur bei Worten. Sie sollen sehen, dass ich keine Angst vor ihnen habe. Die Taktik von Rechtsextremen ist es, Menschen einzuschüchtern.

Die Rechtsextremen dürften entsprechend auch Ihre Bemühungen nicht so ohne weiteres hingenommen haben?!

Wegen meines Einsatzes habe ich eine Flut von Hassmails bekommen. Ich denke, ich habe mitgeholfen, dass die Rechtspopulisten die Wahlkampfauseinandersetzungen mit dem Thema „Islamhass“ nicht dominieren konnten. Gegen Herrn Stürzenberger habe ich auch in einem Gerichtsverfahren erreicht, dass er auf seiner Website PI ohne meine Zustimmung keine Filme und Fotos von mir und auch nicht meine E-Mail-Adresse veröffentlichen darf. Für jede Zuwiderhandlung muss er 3000 € Strafe zahlen. 6000 € sind bereits fällig, da er nach dem Vergleich wieder zweimal meine E-Mail-Adresse auf seine Website eingestellt hat.

Aber selbst, wenn man die Ergebnisse zusammenaddiert, erreichen „Freiheit“ und NPD kaum 2% der Wählerstimmen. Wird die Gefahr da nicht überschätzt?

Bis Bekanntwerden der NSU-Morde war ich der Meinung, dass gegen Rechtsextremisten gekämpft werden muss, aber sie für die Gesellschaft nicht wirklich gefährlich sind. Heute bin ich völlig anderer Meinung. Mit diesen Morden haben die Nazis gezeigt, dass sie brandgefährlich sind, weil sie Menschen nur wegen einer anderen Herkunft brutal ermorden. Ihre Strategie ist, Angst und Schrecken zu verbreiten. Als der Neonazi Karl Richter bei der Vereidigung vor sechs Jahren den Hitlergruß zeigte, hat meine Fraktion gegen ihn Anzeige erstattet. Die Verhandlung hat gezeigt, dass die Einschüchterungsversuche der Neonazis durchaus Früchte tragen. Diese Nazis verbreiten Angst und Schrecken. Vor kurzem wurden zwei Menschen bei einer Nazidemonstration von Nazis geschlagen. Die haben aus Angst keine Anzeige erstattet und sind davongelaufen. Das ist schlimm und ganz gefährlich. In der nächsten Amtsperiode wird meine Partei, die CSU alles daransetzen, damit die Neonazis keinen Fuß auf den Boden bekommen.

Gibt es noch etwas, das Sie speziell an die türkische Einwanderercommunity richten wollen?

Türkischstämmige Bürgerinnen und Bürger sind ein integraler Bestandteil unserer Gesellschaft. Ich bin froh, dass sie durch ihre Kultur unsere Gesellschaft bereichern. Alle Kinder mit Migrationshintergrund und natürlich auch türkischstämmige Kinder sollen die identischen Bildungschancen wie Kinder ohne Migrationshintergrund bekommen. Mein Appell an diese Familien ist, dass sie ein Bildungsbewusstsein entwickeln sollten. Kinder aus den Einwandererfamilien müssen die gleichen Chancen für den Weg bis zur Universität haben wie die anderen Kinder. Das schnelle Geld zu verdienen, darf nicht die einzige Option sein.

Marian Offman wurde 1948 in München geboren, ist seit über 30 Jahren verheiratet und hat zwei Kinder. Er ist seit 12 Jahren Stadtrat und gehört seit über 20 Jahren dem Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde in München an.