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Kultur/Religion

Bayreuther Festspiele? Ohne osmanische Finanzspritze undenkbar!

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Über 130 Jahre nach der finanziellen Unterstützung durch Sultan Abdülaziz erntet nun der türkische Botschafter die Früchte dieser Förderung – in Form von einer Freikarte. (Foto: epa)

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Bayreuther Festspiele? Ohne osmanische Finanzspritze undenkbar!
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Am 25. Juli hob sich am Grünen Hügel in Bayreuth der Vorhang für die Festspielsaison 2012. Zum Auftakt konnten die beiden Festspielleiterinnen Eva Wagner-Pasquier und Katharina Wagner zahlreiche prominente Festspielgäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur begrüßen. Die Besucher der Premierenvorstellung sahen sich die Neuinszenierung der Wagner-Oper „Der fliegende Holländer“ von Regisseur Jan Philipp Gloger unter der musikalischen Leitung von Christian Thielmann an.

Neben den Premierengästen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Schauspielerin Veronica Ferres befand sich unter den internationalen Diplomaten erstmalig auch der türkische Botschafter Hüseyin Avni Karslıoğlu, der von seiner Gattin Gamze begleitet wurde.

Seit mehreren Jahren ist die osmanische Beteiligung am Festspielhaus-Bau nun bekannt. Besonders hervorzuheben sind die frühen freundschaftlichen Beziehungen, die das Osmanische Reich nach Bayreuth geknüpft hat, denn schon Sultan Abdülaziz zeigte großes Interesse an der europäischen Kultur und Musik.

Archivmaterial belegt, dass der Sultan des Osmanischen Reiches die ersten Festspiele 1872 finanziell unterstützte. Der Regent hatte im September 1872 drei Patronatsscheine zu je 300 Taler gekauft und somit zum Bau des Hauses mit 900 Talern (entsprechen heute etwa 70000 €) beigetragen. Mit diesen Scheinen wollte Richard Wagner damals Geld für den Bau des Festspielhauses auftreiben, gleichzeitig erwarben die Käufer dadurch ein Anrecht auf Eintrittskarten.
Die versprochene Gegenleistung, einen „bequemen Sitzplatz“ bei Aufführungen von Wagner-Opern, konnte der Sultan nie in Anspruch nehmen; er verstarb kurz vor der Premiere der Bayreuther Festspiele im Jahr 1876.

Dies war zur Eröffnung der diesjährigen 101. Bayreuther Festspiele dem türkischen Botschafter in Berlin, Hüseyin Avni Karslıoğlu, vergönnt. Karslıoğlu leitete von den Patronatsscheinen zwar keine größeren Ansprüche ab, fügte jedoch hinzu: „Die Wartezeit für Festspiel-Karten liegt aktuell bei sechs bis acht Jahren, jedoch wurde ich von diesen Bestimmungen befreit. Die Festspielleiterinnen und zugleich Wagner-Urenkelinnen haben sich meines Erachtens an das Prinzip der Vertragstreue gehalten. Das war eine feine Geste, die ich zu schätzen weiß.“

Der osmanische Sultan als Sponsor

Der berühmte deutsche Komponist Richard Wagner hatte im Jahre 1867 mit der Erbauung eines Theaters begonnen, worin er seine Opernstücke mit innovativer Technik inszenieren wollte. Der Bau verzögerte sich aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten. Nachdem die Geldspritze des bayrischen Königs Ludwig II. nicht ausreichte, bat Wagner europäische Aristokraten um Unterstützung. Trotz seiner Bemühungen bekam er nicht die erhoffte Hilfe. Doch dann die Wende: Als letzten Ausweg und ohne große Hoffnung hatte Wagner Kontakt zur Hohen Pforte in Konstantinopel aufgenommen – der Rest ist bekannt.

Im Archiv von Bayreuth wird der Dankesbrief aufbewahrt, den Wagner an Sultan Abdülaziz für die finanzielle Unterstützung richtete. Die Spende lenkte das Interesse vieler Künstler und Intellektueller auf den eigenwilligen Charakter des Sultans und der Komponist Franz Liszt sah sich veranlasst, die europäischen Herrscher und Prinzen aufzufordern, sich ein Vorbild am Verhalten des Sultans zu nehmen.

Eröffnung: Des Sultans Platz bleibt leer

Als 1876 das Festspielhaus in Bayreuth endlich fertiggestellt wurde, konnten die ersten Richard-Wagner-Festspiele stattfinden. Zur Uraufführung des „Ring der Nibelungen“ am 13. August 1876 erschienen viele Mitglieder europäischer Herrscherhäuser und hochrangigen Aristokraten. In dem ausverkauften Saal blieb nur ein Platz leer, versehen mit einer persönlichen Einladungskarte: Der für Sultan Abdülaziz. Zweieinhalb Monate zuvor war er nach einem Staatsstreich gestürzt worden; man fand später seine Leiche im Zimmer, in dem er gefangen gehalten wurde. Die Todesumstände konnten nie vollständig geklärt werden.

„Seine Majestaet der Sultan von Konstantinopel“

Die Patronatsscheine im Original mit den Nummern 229 bis 231 werden im Archiv des Richard Wagner Museums aufbewahrt. Als Inhaber ist „seine Majestaet der Sultan zu Konstantinopel“ ausgewiesen.

Hier der weitere Wortlaut der Urkunde:
„Durch die hiermit quittierte Einzahlung von 300 Thalern hat der Inhaber dieses Scheines die Rechte eines Patrones der in Bayreuth zu bewerkstelligenden drei vollständigen Aufführungen des Bühnenfestspieles „Der Ring der Nibelungen“ erworben, als welche Rechte ihm die unbedingte Verfügung über einen bequemen Sitzplatz für jeden der zwölf Abende, in denen die dreimalige Aufführung des vierteiligen Werkes bestehen wird, sowie ferner die Betheiligung an der Bildung einer Patronat-Commission zuerkannt sind, welcher die Verfügung über 500 Freiplätze für jede der durch die Beisteuer der Patrone ermöglichten Festaufführungen zustehen soll, und in welcher der Inhaber dieses Scheines sich für eine Patronatstimme durch Delegirung verteten lassen wird. Bayreuth, 23. September 1872“
Funda Karaca