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Gesellschaft

Protestantisch, Atheistisch, Katholisch, Muslimisch

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Berlin, sagen Insider, sei keineswegs eine areligiöse oder gar heidnische Metropole, wie oft zu hören ist. Neuere Statistiken zur Religion in der Hauptstadt können aber gerade die beiden großen Kirchen – vor allem die evangelische – nicht beruhigen. (Foto: rtr)

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Berlin ist keine heidnische Stadt.
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In Berlin gibt es mittlerweile mehr Konfessionslose als evangelische Christen. Insgesamt aber überflügeln 940.000 Protestanten und Katholiken die im Zensus 2011 ausgewiesenen 763.500 Religionslosen und Atheisten. Zählt man die 10.200 Juden und 250.000 gemeldeten Muslime hinzu, addiert sich die Zahl der Anhänger der monotheistischen Religionen an der Spree auf gut 1,28 Millionen.

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) zählt in der Bundeshauptstadt nur noch rund 600.000 Mitglieder. Das geht aus den Daten des letzten Zensus hervor, die Volontäre der Evangelischen Journalistenschule Berlin in Zusammenarbeit mit dem „Tagesspiegel” ausgewertet haben. Demnach sind 326.000 Berliner katholisch, und 204.000 Berliner gehören einer orthodoxen oder freikirchlichen Gemeinde an. Die einst große Kluft zwischen der Zahl der Christen in Ost- und Westberlin nach der Wende gleicht sich mehr und mehr an, wenn auch auf einem insgesamt sinkenden Level. Auch eine Studie der Evangelischen Kirche in

Deutschland ergab jüngst, dass in Glaubensdingen zwischen West- und Ostdeutschen „keine signifikanten” Unterschiede mehr bestehen. Dies gilt auch für die Hauptstadt.

Doch während die Zahl der Katholiken durch Zuzüge aus dem übrigen Bundesgebiet wächst, hat die evangelische Kirche offenbar ein Mitgliederproblem. Seit der Wende, im Zeitraum 1990 bis 2011, verlor sie in der Hauptstadt rund 255.000 Mitglieder. Betrachtet man die 2004 gegründete Gesamtkirche EKBO, so hat sie ein Fünftel ihrer

Gemeindeglieder verloren. Im Jahr des Zusammenschlusses von Evangelischer Kirche in Berlin-Brandenburg und Evangelischer Kirche der schlesischen Oberlausitz zählte die neue Landeskirche noch 1,3 Millionen Gemeindeglieder in Berlin, Brandenburg und Sachsen. Heute sind es noch 1,06 Millionen.

Gewinne für Katholiken, Verluste für Protestanten

Alle Initiativen der EKBO für ein „Wachsen gegen den Trend”, die unter anderen der ehemalige Berliner Bischof und Ratsvorsitzende der EKD, Wolfgang Huber, vorgelegt hatte, sind offenbar fehlgeschlagen. Nur während Hubers Amtszeit gelang es der Kirche in manchen Jahren, die Zahl der Erwachsenentaufen an die Zahl der Kirchenaustritte anzunähern. Der Sterbeüberhang und der Wegzug evangelischer Familien aus der Region konnte bislang aber nie ausgeglichen werden. Denn auch von den Zuzügen nach Berlin und Brandenburg profitiert die EKBO nicht.

Während der Anteil der Katholiken an den Zuzüglern dank Bayern, Schwaben und EU-Ausländern in der Regel höher ist, als jener der ostdeutschen Gesamtbevölkerung, schafft es die evangelische Kirche nicht mehr, auf diese Weise einen positiven Saldo zu erreichen. Denn in Deutschland, aber auch in Europa, gibt es nur noch wenige Regionen, in denen die Bevölkerung noch mehrheitlich evangelisch ist. Berlin und Brandenburg, einst rein protestantisch, haben diesen Status dagegen längst verloren.

Ein beliebtes Argument schrumpfender Kirchen ist der Verweis auf die angeblich zunehmende Abneigung der Menschen gegen langfristige Bindungen. Das trifft indes für Berlin nicht zu, wie etwa das Beispiel der größten Sportorganisation in der Bundeshauptstadt zeigt: Dem Berliner Fußballverband (BFV) ist es allein 2013 gelungen, etwa 5.000 neue Mitglieder zu werben. Er zählt jetzt 134.000 Aktive. Im Jahr 2008 waren es noch knapp 105.000 Mitglieder.

„Berlinprojekt”

Beispiele finden sich aber auch im religiösen Bereich: Orthodoxe und Freikirchlicher zeigen, dass es möglich ist, in Berlin neue Mitglieder zu werben. Ihre Anhängerschaft ist laut Zensus von 43.000 im Jahr 1990 auf 205.000 im vergangenen Jahr gestiegen. Und das liegt nicht nur an Zuzügen aus Süd- und Osteuropa. Es liegt vor allem an

der wachsenden Zahl missionarisch erfolgreicher Freikirchen. Das in einem ehemaligen Berliner Kino beheimatete „Berlinprojekt” des Bundes Freier Evangelischer Gemeinden etwa hat mittlerweile ebenso mehrere Tochtergemeinden gegründet wie die pfingstkirchliche Gemeinde Reset aus Charlottenburg-Wilmersdorf.

So wäre es gut möglich, dass es diese Gemeinden sind, die langfristig für den Protestantismus in der deutschen Hauptstadt stehen werden. (KNA/dtj)