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Kultur/Religion

Berlinale: Filmemachen unter Zensur

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Mit seinem Film „Taxi“ bietet der iranische Regisseur Jafar Panahi Einblick in den Alltag der iranischen Menschen. Mit einer versteckten Kamera in einem Taxi filmt er die Fahrgäste und nutzt sie als „offenes Auge“. (Foto: dpa)

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Verglichen mit Cannes und Venedig fehlt es der Berlinale oft an den großen Stars. Nicht jeder tauscht halt Hollywoods Sonne gerne gegen das Berliner Februar-Eis ein. Vielleicht verkauft Berlinale-Direktor Dieter Kosslick das Festival an der zufrierenden Spree auch deshalb als das politische unter den großen Filmfesten: Hier zeigt man demnach eben nicht nur Glamour, sondern die Wirklichkeit. Ein Versprechen, das am Ende nur wenige Filme einlösen können.

Mit „Taxi“, der am Freitag zu Beginn der Berlinale lief, war die Absicht des iranischen Regisseurs Jafar Panahi zu zeigen, dass politische Botschaft und ästhetische Größe einander nicht ausschließen. Der Beitrag sollte eine ebenso listige wie verzweifelte Anklage gegen die Zensur sein und zugleich ein überzeugendes Bekenntnis zur großen Utopie des freien Kinos.

„Taxi“ ist ein kleiner Film, eine Low-Budget-Produktion. Im Wesentlichen zeigt er den Arbeitstag eines Taxifahrers in Teheran. Leute steigen ein, reden, steigen aus; eine junge Verwandte des Fahrers lässt sich abholen und zelebriert Leistungen und Launen eines aufgeweckten Teenagers; kleine und große Malheurs holen die Stadt und ihre Geschichten in den Wagen.

Dass der Film dabei alles andere als harmlos ist, zeigt sich schon an der Figur des Taxifahrers: Es ist Jafar Panahi, der Regisseur selbst, der seine Passagiere und die Zuschauer durch die iranische Hauptstadt fährt. Auf dem Armaturenbrett sind Kameras installiert, und wie es scheint, sind sie so diskret, dass sie den Fahrgästen nicht auffallen. „Ist das eine Überwachungsanlage?“, fragt der erste Kunde mit Blick in die Kamera.

Jafar Panahi ist das international bekannteste Zensur-Opfer Irans. 2010 wurde er zu sechs Jahren Haft und zu einem Berufsverbot von 20 Jahren verurteilt, 2011 durfte er seinen Platz in der Berlinale-Jury nicht wahrnehmen. Und so handelt „Taxi“ vor allem vom Filmemachen unter den Bedingungen der Zensur.

Panahi kontert diese eindringliche Reflexion zum Thema Zensur mit einem drastischen Einbruch gefilmter Wirklichkeit: Ein Bekannter spielt ihm auf seinem Tablet-Computer einen von einer Überwachungskamera aufgenommenen Raubüberfall vor. Er selbst war das Opfer, und obwohl er den Täter erkannte, zeigte er ihn nicht an – aus Mitleid mit dessen finanziellen Sorgen.

Die Kamera ist das offene Auge, das die Wirklichkeit zeigen kann, wie sie ist – solange man sie lässt. Panahis „Taxi“ beabsichtigt zu zeigen, wie gefährdet dieses Auge ist, wenn es nicht frei auf die Welt blicken kann. Der Filmemacher zeigt, dem traurigen Thema zum Trotz, wie die Menschen sind, wenn sie die scheinhafte Wahrheit der Repression hinterfragen, wenn sie beginnen, nach der Freiheit zu fragen. Das Fachpublikum reagierte begeistert. „Taxi“ hat gute Chancen, einen der begehrten Berliner Bären zu gewinnen. (kna/dtj)