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Gesellschaft

Berliner Rechtsphilosoph nimmt Burka-Verbot auseinander

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Der Berliner Rechtsphilosoph Christoph Möllers hält ein Verbot der Vollverschleierung von muslimischen Frauen in Deutschland für verfassungsrechtlich fragwürdig. In freiheitlichen Gesellschaften laute eine Regel, „allen Handlungen Freiwilligkeit zu unterstellen, solange nicht das Gegenteil belegt ist“, schreibt Möllers in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ (Montag). „Daher müssen wir vorsichtig sein, vollverschleierte Frauen ohne Weiteres wie Unmündige zu behandeln“, so der Professor, der an der Berliner Humboldt-Universität Öffentliches Recht und Rechtsphilosophie lehrt.

Sei tatsächlich Zwang im Spiel, „kann man ein Verbot schlecht gegen das Opfer des Zwangs richten, sondern nur gegen den Erzwinger“, argumentiert Möllers weiter. Zu den „Seltsamkeiten der Verbotsdebatte“ gehöre es, Frauen in Nikab oder Burka einerseits als Unmündige zu behandeln, um sie andererseits wie Mündige sanktionieren zu wollen. „Dass niemand auf die Idee gekommen ist, Männern zu verbieten, Frauen zu zwingen, begründet wiederum die Vermutung, dass ein Verbot nicht die Freiheit der Frauen zum Zweck haben kann.“

Er habe den Eindruck, so der Wissenschaftler weiter, dass das eigentliche Ziel des sogenannten Burka-Verbots darin bestehe, „unser Unwohlsein an der Burka loszuwerden, also einer sehr unangenehm erscheinenden Wirklichkeit ihre Sichtbarkeit zu nehmen“. Er fühle sich bei der Debatte an Kinder erinnert, „die glauben, die Welt verschwände, wenn sie die Augen schließen“. Daraus allerdings lasse sich kaum eine Rechtfertigung herleiten.

„Liberale Rechtsordnungen unterscheiden zwischen Regeln für den Staat und Regeln für das öffentliche Auftreten der Bürger“, so Möllers. „Für Richter, Lehrer und Polizisten gelten strengere Regeln.“ Deswegen sei es „möglich und richtig“, Frauen in Vollverschleierung von der Ausübung öffentlicher Ämter auszuschließen. „Aber eben nicht allgemein aus dem öffentlichen Raum.“

Das Fazit des Leibniz-Preisträgers: „Besser wäre es, sich zu fragen, welchen Preis die Gesellschaft insgesamt dafür zahlt, ein solches Verbot für ihr unbehagliche Minderheiten zu erlassen – schon weil niemand weiß, ob er nicht auch mal zu einer solchen Minderheit gehören wird. Denn die Regel, welche die Vollverschleierung schützt, schützt auch diejenigen, die ihr Verbot fordern.“ (kna/dtj)