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Bildung & Forschung

[BLOG] „Ich gehe ins Türkei“ – oder wie heißt es doch?

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„INS Türkei, Halle oder NACH Aldi gehen“ – Einige Formulierungen bringen unseren Blogger Said Gül aus der Fassung. Warum kommen solch offensichtliche Fehler in unserer Alltagssprache vor?

Von Said Gül 

Es war zum Haare raufen, als ich die Stimme meiner türkischen Nachbarin aus dem offenen Fenster vernommen hatte. Nein, nein, nicht dass sie eine entsetzliche Stimme besaß, sondern die Formulierung eines Satzes in deutscher Sprache brachte mich völlig aus der Fassung. Ich saß in meinem Zimmer und war gerade in einen wissenschaftlichen Text vertieft und wurde regelrecht konsterniert. Instinktiv warf ich einen Blick nach draußen. Sie hing ihre Wäsche an die Leine und unterhielt sich während dessen mit ihrem Nachbarn. Hatte ich falsch gehört? In der Tat hatte sie einen merkwürdigen, seltsamen Satz gebildet. Wenn ich sie an dieser Stelle wortwörtlich zitieren darf, sagte sie: „Ich gehe ins Türkei“. Ich war wie vom Donner gerührt.

Vor Jahren besuchten wir dieselbe Grundschulklasse. Also sind wir doch von Kindesbeinen an in Deutschland aufgewachsen, dachte ich mir. Ich ging der Frage nach, was in aller Welt wohl dazu geführt haben könnte, dass sie nach 40 Jahren Aufenthalt in Deutschland immer noch so skurril redete. Nachdem ich mich mit diesem sprachwissenschaftlichen Problem auseinandergesetzt hatte, kam ich zu der Erkenntnis, dass sie kein Phänomen in diesem Gebiet war. Viele Menschen mit Migrationshintergrund begingen denselben oder ähnlichen Fehler. Es war der Albtraum der Verhältniswörter in der deutschen Sprache. Oder der Präpositionen wie der Fachkundige dazu sagen würde.

Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen. Doch viele schlugen bis heute meine Warnhinweise in den Wind und waren einfach „uncoachable“. Nun ja, die Einheimischen wären sehr tolerante und verständnisvolle Menschen, hieß es öfter in meinem Bekanntenkreis. Die verstünden schon, was gemeint ist.

„ich gehe nach Aldi, ins Aldi oder zu Aldi?“

Doch nun kommen wir zum Kern des Problems. Präpositionen sind Verhältniswörter, die es in der modernen Sprache der Germanen in Hülle und Fülle gibt. Abgesehen von der Unterscheidung zwischen lokalen und temporalen, bedarf es auch einer Unterscheidung zwischen kausalen und modalen Wörtern. Hinzu verlangen diese Wörter auch einen bestimmten Kasus. Liegt der Satz nun im Akkusativ, Genitiv oder Dativ vor? „Mein lieber Gott ist das ein Dschungel?“ fragt sich einer, der seine liebe Not mit der deutschen Sprache hat. Und dieser einer muss auch nicht unbedingt einen Migrationshintergrund haben.

So werden wir auch täglich Zeuge von Kommunikationen, in denen diese Wörter falsch eingesetzt werden. Wie äußert man sich, wenn man den berühmten Discounter mit dem blauen Logo besuchen will? Heißt es „ich gehe nach Aldi, ins Aldi oder zu Aldi? Natürlich „zu“, weil es ein Laden ist und kein Land. Wir sagen ja schließlich „Ich fahre nach England“. Aber halt! So einfach kann doch die deutsche Sprache nicht sein. Was ist mit den vielen Ausnahmen, mit denen wir gegen andere Nationen protzen. Gerade das macht doch unsere Sprache so reichhaltiger. Genau, wir fahren zwar nach England, aber dafür in die Schweiz, in die Türkei und in den USA. Wobei wir beim letzteren lieber fliegen.

Aber so wie ich die Türken kenne, besitzen sie neben ihrer Gastfreundschaft noch ein weiteres wichtiges Merkmal. Sie sind sehr flexibel und lösungsorientiert. Wenn sie vor einem schier unlösbaren Problem stehen, erfinden sie einfach eine Notlösung. Nein, ich meine nicht die Nachbarin, die ins Türkei fahren wollte. Sondern die Jugendlichen, die eine viel genialere Lösung anzubieten haben.

„Ich gehe Halle“

Ein Jugendlicher mit türkischen Wurzeln kam mir auf der Straße entgegen. Als ich ihn fragte, wohin er so um diese Zeit ginge, antwortete er mir, er gehe Halle. Bitte, was? Sie haben richtig gehört. Ich zitiere ihn noch einmal wortwörtlich: „Ich gehe Halle“. Der Junge wollte mit seinen Freunden Fußball spielen und war auf dem Weg in die Sporthalle. Doch wer macht sich denn schon die Mühe, um herauszufinden, ob es „in die Halle“, „zur Halle“ oder was ganz anderes heißt. Für ihn hieß es „Ich gehe Halle“. Präpositionen sind ein Fluch für die jungen Türken. Also lassen sie es ganz aus dem Satz fallen. So löst man ein jahrzehntelang währendes sprachliches Problem sehr flexibel und geistreich. Sollen sich doch die Sprachwissenschaftler und Rechtschreibreformer ihren Kopf damit zerbrechen. Wir lösen unsere Probleme auf unsere Art und Weise.

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