Politik
Böhmermanns Erklärung: Der professionelle Spaßvogel wird todernst, wenn es um die Türkei geht
Nachdem die Mainzer Staatsanwaltschaft bekanntgegeben hatte, dass sie nicht weiter gegen ihn ermittelt, veröffentlichte Jan Böhmermann eine Video-Erklärung. In dieser wird der sonst so ironisch-entrückte Satiriker streckenweise todernst – wenn es um die Situation in der Türkei geht.
Jan Böhmermann hat das Ende der Ermittlungen gegen ihn wegen seines „Schmähgedichts“ mit scharfer Kritik an der türkischen Politik kommentiert. „Im Vergleich zu dem, was kritische Journalisten, Satiriker oder Oppositionelle in der Türkei damals und auch jetzt gerade durchmachen, ist dieses ganze Theater um die Böhmermann-Affäre schon wieder ein großer trauriger Witz“, sagte der Satiriker in einem am Mittwoch veröffentlichten YouTube-Clip. Auch den Wirbel, den das Gedicht in Deutschland ausgelöst hatte, kommentierte er mit einer Spitze: „Wenn ein Witz eine Staatskrise auslöst, ist das nicht das Problem des Witzes, sondern des Staates.“
Dabei wurde Böhmermann streckenweise ungewohnt ernst, vor allem als er sich mit der Lage der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei befasste: „Während Sie dieses Video sehen, sitzen in der Türkei Menschen in Haft ohne die Chance auf einen fairen Prozess, müssen ihre Reisepässe abgeben, dürfen das Land nicht verlassen, verlieren ihren Job, weil sie sich kritisch mit ihrem Land auseinandergesetzt haben, öffentlich oder in einem zu großen Kreis eine andere Meinung vertreten haben als erlaubt.“ Ob etwas Humor oder Straftat ist, habe zu allererst der „professionelle Spaßvogel“ zu entscheiden, danach dessen Publikum und „erst im allergrößten Notfall die zuständigen Gerichte und Staatsanwaltschaften. Und sonst niemand.“
Auch an die Deutsch-Türken adressierte der Satiriker ernste Worte: „Und Deutsche mit türkischen Wurzeln – also Deutsche – sind zerrissen und verunsichert, telefonieren mit ihren Familien in der Türkei, haben Angst davor, am Telefon frei zu sprechen oder öffentlich zu ihrer Meinung zu stehen, egal wie sie ist, weil sie Repressalien für ihre Verwandten in der Türkei oder für sich hier in Deutschland befürchten. Das ist scheiße, und genau darum geht es.“
Auslöser der Affäre war ein „Schmähgedicht“ über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, das der 35-Jährige Ende März in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ vorgetragen hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte darauf unter anderem wegen Verdachts auf Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts gegen den TV-Moderator. Am Dienstag erklärte die Staatsanwaltschaft, nicht weiter zu ermitteln. Böhmermann merkte ironisch an, er freue sich, „dass die Staatsanwaltschaft Mainz nicht den Aufwand gescheut hat, sich die komplette Neo-Magazin-Royale-Sendung vom 31. März anzusehen“ und das „Schmähgedicht“ in den entsprechenden inhaltlichen und zeitlichen Kontext gesetzt hat. Dabei sei sie zu dem Schluss gekommen, dass er „verkürzt gesagt ein unseriöser Quatschvogel“ sei, der „beruflich Blödsinn macht“, so der Grimme-Preisträger ironisch. „Alles andere hätte ich zwar schmeichelhaft, aber auch einigermaßen beunruhigend empfunden.“
Yeneroğlu: „Armutszeugnis für die deutsche Justiz“
In der türkischen Regierungspartei AKP teilt man diese Einschätzung der Sachlage naturgemäß nicht. Der deutsch-türkische Abgeordnete Mustafa Yeneroğlu nannte die Einstellung des Verfahrens am Mittwoch einen „Skandal“. Das sei „ein Armutszeugnis für die deutsche Justiz“, sagte der Erdoğan-Vertraute.
Yeneroğlu kritisierte: „Dass eine derart offensichtliche Verletzung eines Straftatbestandes mit juristischen Taschenspielertricks und bester haarspalterischer Manier nicht weiterverfolgt wird, hätte ich als in Deutschland ausgebildeter Jurist nicht für möglich gehalten.“ Er warf der Staatsanwaltschaft vor, diese habe sich „mitreißen lassen von der allgemeinen Stimmung gegen den türkischen Präsidenten und dabei jegliches Gespür für die juristische Rechtsanwendung verloren“.
Der Münchner Anwalt Erdoğans gab denn auch bekannt, Beschwerde gegen die Einstellung des Böhmermann-Verfahrens einlegen zu wollen. „Ich kann bestätigten, dass die Beschwerde eingelegt werden soll“, sagte Michael-Hubertus von Sprenger der Deutschen Presse-Agentur am Mittwochabend. Zuerst hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet. Die Beschwerde müsse binnen 14 Tagen eingelegt werden, sagte von Sprenger weiter. „Bild“ zufolge hat Erdoğan seinen Anwalt angewiesen, die Entscheidung der Staatsanwaltschaft Mainz anzufechten. (dpa/dtj)
Wer sich selbst ein Bild von Böhmermanns Erklärung machen will, kann das hier: