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Geschichte

Brunnen aus der osmanischen Ära sind Zeugen der „Wasserzivilisation“

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Wer in Istanbul war, dem werden die zahlreichen Brunnen aufgefallen sein. Hinter jedem von ihnen steckt eine eigene Geschichte… (Foto: zaman)

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Jede  Zivilisation hat ihre Eigenart. Die Osmanische Ära wird oft auch als die „Zivilisation des Wasser und Marmors“ bezeichnet. Damit ist gemeint, dass die Osmanen in der Architektur sehr viel Marmor verwendet haben und Wasser für sie eine besondere Rolle spielte. Am deutlichsten zeigt sich dieses an der Hamam- und der Brunnenkultur. Zudem wurden Wasserklänge auch bei der Behandlung von kranken Menschen eingesetzt.

Am Umgang mit Wasser zeigt sich jedoch auch die Religiosität und die Bedeutung von Sauberkeit für die Osmanen. Wasser stand nicht nur für die äussere Sauberkeit, sondern auch für die innere Reinheit. So heisst ein Sprichwort aus der osmanischen Zeit, „Sei wertvoll und erhaben, wie das Wasser – Su gibi aziz ol.“

Heute kaum vorzufinden – Damals ein Bestandteil der Stadtarchitektur

Man konnte Brunnen an Wänden oder an öffentlichen Plätzen finden, als Teil einer Moschee. Oder sie standen frei, an Ecken, in Räumen und sogar manchmal an Säulen: Dies waren die Formen der verschiedenen Brunnen und Fontänen in Istanbul zur osmanischen Zeit. Viele von Ihnen mussten der Modernisierung weichen oder sind aus dem Mittelpunkt der Stadtarchitektur verschwunden.   Jedoch können sie auch heute gefunden werden, wenn man genau weiß, wo man suchen muss.

Über die Jahrhunderte hinweg konnte İstanbul den Wasserbedarf seiner Bürger decken, indem Wasserleitungen aus entfernten Wasserquellen gebaut wurden. Zu jener Zeit war dies das Kapital des Oströmischen Reiches im 4. Jahrhundert. Dank ständiger Reparaturen und Erneuerungen der Wassersysteme schafften es die Byzantiner, den Wasserfluss beizubehalten. Nachdem die osmanischen Türken die Stadt 1453 erobert hatten, wurde das System komplett erneuert. Die zusätzlichen Wasserquellen wurden erst im nächsten Jahrhundert unter der Herrschaft Sultan Süleymans des Prächtigen (1520-1566) fertig gestellt. Es wurden Brunnen in der ganzen Stadt gebaut, eine Idee, die vermutlich von den Persern oder Seldschuken stammte.

Brunnen und wohltätige Arbeit

Almosen sind eine Pflicht für jeden Muslim. Den Armen und Hilfsbedürftigen ist zu helfen. Eine Art, ihnen zu helfen, war es, Wasserbrunnen an öffentlichen Stellen aufzubauen. Die Sultane, ihre Familien und die Paşas (die höchsten Regierungsoffiziere) ließen Moscheen, Schulen und Krankenhäuser erbauen, während niedrigere Offiziere und wohlhabende Männer Brunnen bauen ließen. Viele der Brunnen haben eine eigene Geschichte und sind wunderschöne Kunstwerke mit Innschriften, die ein Zeugnis über die Zeit, in der sie erbaut wurden, ablegen.

Die Geschichte des Saliha-Sultan-Brunnens in Azapkapı erzählt – lange, bevor dieses Prinzip zum Inbegriff des „Amerikanischen Traumes“ werden sollte – die Geschichte des Tellerwäschers, der zum Millionär wird. Die Sultansmutter Rabiye Gülnüş lief an einem kleinen Mädchen vorbei, das neben einem zerbrochenen Krug stand und weinte. Sie ging zu ihr und bot ihr Geld an, welches das kleine Mädchen jedoch ablehnte. Sie ging mit dem Kind zu ihren Eltern, sprach mit der Mutter und nahm es mit in den Harem. Das Mädchen namens Saliha sollte zu niemand Geringerem als der Frau von Sultan Mustafa II. und der Mutter von Mahmud I. werden. Sie vergaß ihre Vergangenheit aber nicht und ließ 1732 an der gleichen Stelle, an der sie von der Sultansmutter mitgenommen worden war, einen noch größeren und schöneren Brunnen bauen.

Viele der prächtigen osmanischen Brunnen wurden zwischen 1718 und 1730 zur so genannten Tulpenzeit erbaut (Lale Devri). Zu dieser Zeit herrschte größtenteils Frieden. Es wurden außerdem viele Paläste und prächtige Villen gebaut. Feiern und Feste wurden veranstaltet, Musik, Poesie und Tanz waren weit verbreitet. Der gefeierte Poet Nedim empfand dabei eine besondere Vorliebe für den wunderschönen Ort Sadabad. Um dies auszudrücken, nutzte er in seinen Gedichten dafür oft die Metapher des Brunnens.

„Lass uns diese Herzen müden Herzen beruhigen

lasst uns Sadabad, meine schwankende Zypresse, besuchen, lasst uns gehen!

Schaut, dort ist ein schneller Segler, der am Pier bereit steht,

Lasst uns Sadabad, meine schwankende Zypresse, besuchen, lasst uns gehen!

Lasst uns dort den Genuss des Lebens kosten, wenn wir lachen und spielen,

aus den neu-gebauten Fontänen trinken, als wäre es ein Schluck aus dem Tasnim*,

die verzauberten Gewässer anzuschauen, wie sie aus den Wasserspeiern fließen,

Lasst uns Sadabad, meine schwankende Zypresse, besuchen, lasst uns gehen!”

*Ein Fluss im Paradies

Auch einen deutschen Brunnen (Alman Çeşmesi) gibt es in İstanbul, direkt gegenüber des Mausoleums, das für Sultan Ahmed I. errichtet wurde. Dieser wurde 1900 im Andenken an den Besuch des deutschen Kaisers Wilhelm II. in Istanbul 1898 errichtet. Die einzelnen Teile wurden in Deutschland hergestellt und nach Istanbul verschickt. Die Bronzetafel am Brunnen trägt folgende Inschrift: „Wilhelm II., Deutscher Kaiser, stiftete diesen Brunnen in dankbarer Erinnerung an seinen Besuch bei seiner Majestät, dem Kaiser der Osmanen, Abdulhamid II., im Herbst des Jahres 1898.”

alman cesmesi

Es gab dann außerdem noch eine Zeit, in der die größten Brunnen in İstanbul gebaut wurden, vor allem der Brunnen vor den Haupttoren des Topkapı Palastes. Sultan Ahmed III. ließ diesen 1728 erbauen und er ist ein Beispiel für die typischen Brunnen aus der Tulpenzeit. Die Orte der Brunnen waren auch gute Orte, um den neusten Klatsch auszutauschen.

Mit der Zeit wurden neue Wasserrohre verlegt und die Systeme modernisiert, da es im 19. Jahrhundert İstanbuls Absicht war, sich zu verwestlichen. Die Folge dessen war, um es in Mehmed Akifs Worten auszudrücken, der die Türkische Nationalhymne schrieb:

„Die Kanäle sind weg

die Brücken zerstört.

Die Quellen sind ausgetrocknet und

die Brunnen verriegelt.”