Politik
Bundeswehr in der Türkei: Königshaus räumt „unklare Absprachen“ ein
Der türkische Generalstab ist vom Inhalt der öffentlichen Anschuldigungen des Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus über angeblich unwirtliche Bedingungen in türkischen Kasernen, denen deutsche Soldaten ausgesetzt wären, überrascht. (Foto: dpa)
Große Aufregung in deutschen Medien: Vor wenigen Tagen hatte sich der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP), zu Wort gemeldet und von „erheblichen Missständen“ gesprochen, denen sich deutsche Soldaten im osttürkischen Kahramanmaraş ausgesetzt sähen. Die etwa 300 Soldaten sind stationiert, um die Patriot-Flugabwehrraketen zu warten und zu bedienen, die in die Region geschafft worden waren, um die Türkei im Rahmen des NATO-Statuts vor möglichen Angriffen aus Syrien zu schützen.
In seinem Bericht bezeichnete er die Zusammenarbeit der beiden Nato-Partner als „problembehaftet“. Die Bundeswehrsoldaten empfänden die türkische Seite als „wenig hilfreich“.
Die türkische Armee unterbinde im Bericht zitierten Soldaten zufolge den Kontakt zwischen ihren Soldaten und den Deutschen. Türkische Soldaten, die dennoch Kontakt mit deutschen Soldaten aufnähmen, würden durch ihre Vorgesetzten gemaßregelt. Zudem habe die türkische Seite gefordert, in der Kaserne die deutsche Flagge und die deutschen Ortsschilder von Standorten der Heimatverbände zu entfernen.
Drei Soldaten seien, so die „Zeit“ unter Berufung auf den Bericht, tagelang daran gehindert worden, die Kaserne zu verlassen. Die Verpflegung sei eintönig, in der Regel gebe es nur kaltes Essen. Auch von mangelnden hygienischen Zuständen ist in dem Bericht des Wehrbeauftragten die Rede. Die Zustände im Sanitärbereich der türkischen Kaserne seien unhaltbar. Toiletten seien völlig verdreckt, viele verfügten nicht einmal über eine Wasserspülung. Hundekadaver auf dem Gelände seien ein weiteres Hygiene-Risiko.
„Berliner Zeitung“ mahnt interkulturelles Training an
Feldpost würde über Tage oder sogar Wochen festgehalten, heißt es weiter. Ein Paket für einen deutschen Soldaten sei erst nach viereinhalb Wochen zugestellt worden. Euros müssten zu schlechtem Kurs in privaten Wechselstuben getauscht werden. Außerdem wäre ein General des türkischen Generalstabes unsanft gegen mehrere männliche und weibliche Feldjäger vorgegangen, um einem Konvoi mit dem deutschen Verteidigungsminister die Durchfahrt zu erzwingen.
Der Bericht hat zahlreiche deutsche Medien einmal mehr zur Befeuerung antitürkischer Ressentiments angestachelt – skurrilerweise dabei vor allem jene, die sonst dem türkischen Militär gerne als Bannerträger der so genannten „westlichen Werte“ lobgehudelt hatten, wenn dieses wieder einmal einen Putsch gegen eine missliebige Regierung androhte oder durchführte.
Der türkische Generalstab hat mittlerweile zu den wider die Armee erhobenen Vorwürfen Stellung genommen. Er bestritt darin eine schlechte Behandlung deutscher Soldaten und bezeichnete die Berichte als „übertrieben“.
Vor allem seien seitens der deutschen Streitkräfte zu keiner Zeit Beschwerden an türkische Stellen herangetragen worden. Auch die deutsche Kanzlerin und der Verteidigungsminister hätten türkische Einheiten für ihre Unterstützung der deutschen Truppen gelobt.
Was die Unterbringung anbelangt, betont der Generalstab, die deutschen Einheiten wären vor ihrer Ankunft in Kahramanmaraş am 22. Januar in Vier- und Fünf-Sterne-Hotels untergebracht gewesen, bevor ihre Barackenunterkünfte fertiggestellt worden wären.
Darüber hinaus betont der Generalstab in seiner Stellungnahme, dass die deutsche „Patriot“-Staffel Feldtoiletten und ihre eigenen mobilen Toilettenanlagen verwenden würde. Das türkische Verteidigungsministerium hat jedoch mittlerweile die Schaffung von Toilettencontainern mit sechs Toiletten und drei Waschräumen veranlasst, die am Montag geliefert werden sollen.
Dem Statement zufolge gäbe es 20 Toiletten in einem zweistöckigen Kasernenbau mit 91 Räumen und fünf in einer weiteren Unterkunft mit sieben Zimmern. Zehn weitere Toiletten in einem weiteren Bauwerk würden zudem gerade errichtet. Laut Generalstab würde dies dem internationalen Standard für 400 Personen entsprechen. Für die Reinigung der Toiletten wären die deutschen Truppen selbst verantwortlich, allerdings stehe ihnen auch ein Hausmeisterservice zur Verfügung.
Von Handgreiflichkeiten keine Rede
Auch von einer Diskriminierung könne nach Angaben des Generalstabes keine Rede sein. Alle Einrichtungen inklusive Krankenstationen, Sporträumen, eines Militärpubs oder anderer Gemeinschaftsräume würden gemeinsam mit den türkischen Truppen benutzt. Das Militär habe zusätzliches deutschsprachiges Personal eingesetzt, um die Kommunikation zu verbessern.
Was die Flaggen anbelangt, hätte man nur davor gewarnt, deutsche Flaggen in fehlerhafter Form aufzuziehen und die Verwendung von Bundesländer- oder Stadtflaggen als „unangemessen” bezeichnet. Vor einem operativen Gebäude würde der Generalstab nur türkische, deutsche und NATO-Flaggen erlauben.
Auch die Schilderungen über den Zwischenfall an der Absperrung seien unzutreffend. Während der türkische, der deutsche und der niederländische Verteidigungsminister die Gazi-Baracken besucht hätten, wären Fahrzeuge eines türkischen Brigadegenerals und von Abgeordneten aus Kahramanmaraş in Begleitung der Verteidigungsminister durch acht bis zehn Soldaten blockiert worden. Auf die Aufforderung der türkischen Seite hin, den Weg freizumachen, hätten die deutschen Soldaten diese ignoriert und zwei weitere Personen zur Verstärkung der Blockade hinzugezogen. Erst dann sei der Brigadier ausgestiegen und habe die Soldaten persönlich aufgefordert, den Weg freizumachen – was in weiterer Folge auch geschah. Zu Tätlichkeiten sei es dabei nicht gekommen.
Über den Vorfall wäre auch mit dem Kommandanten der deutschen „Patriot“-Einheiten am 28.2. gesprochen worden. Letzterer hätte sich am Ende dafür entschuldigt, dass offenbar ein Befehl missverstanden worden wäre.
Auch ein Offizieller des Außenministeriums hat mittlerweile unter Zusicherung der Anonymität „Today`s Zaman“ gegenüber betont, dass es nie eine offizielle Beschwerde an die türkische Seite gegeben hätte. Die Behauptungen wären unzutreffend oder übertrieben.
In der „Berliner Zeitung“ übte Frank Nordhausen indessen Kritik am Vorpreschen des Wehrbeauftragten. Dieser habe auf diese Weise den Verteidigungsminister bloßgestellt, der erst vor wenigen Tagen die Soldaten vor Ort besucht hatte. Er hätte erst mit diesem beziehungsweise mit den türkischen Stellen vor Ort reden sollen. Nordhausen empfiehlt der Bundeswehr ein „interkulturelles Training“ vor solchen Einsätzen, so wie dies bei Geschäftsleuten üblich wäre.
Indessen rudert auch Königshaus zurück. Wie die „Rheinische Post“ berichtet, warnt der Wehrbeauftragte nun vor einseitigen Schuldzuweisungen an die Türkei wegen der problematischen Unterbringung der dort eingesetzten Bundeswehrsoldaten gewarnt. „Die türkischen Gastgeber tragen nicht die alleinige Verantwortung“, sagte Königshaus der Zeitung am Montag. Bei den kritisierten hygienischen Verhältnissen gehe es auch um unklare Zuständigkeiten zwischen deutschen und türkischen Stellen. Auch das Gerangel zwischen einem türkischen Offizier und einer deutschen Feldjägerin zeige, dass klarere Absprachen über die Befugnisse nötig seien.