Connect with us

Allgemein

ByLock – Was ist und was nicht ist

Spread the love

m großen Geflecht der Inhaftierten in der Türkei eine verschwindend geringe Zahl. Der Schlüsselmoment in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass alle unter den 250 Verhafteten eine ganz bestimmte App genutzt haben sollen. Auch der Anwalt Taner Kilic, Präsident von Amnesty International in der Türkei, war Anfang Juni wegen der Nutzung dieser App verhaftet worden und sitzt seit dem hinter Gittern.

Published

on

Spread the love

Die ersten Tage im Oktober. Die türkischen Behörden haben im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 die Festnahme von mehr als 250 Verdächtigen angeordnet. 250.Im großen Geflecht der Inhaftierten in der Türkei eine verschwindend geringe Zahl. Der Schlüsselmoment in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass alle unter den 250 Verhafteten eine ganz bestimmte App genutzt haben sollen. Auch der Anwalt Taner Kilic, Präsident von Amnesty International in der Türkei, war Anfang Juni wegen der Nutzung dieser App verhaftet worden und sitzt seit dem hinter Gittern.

ByLock. Ein Begriff, der für Laien womöglich kaum was bedeuten wird. Aber in der Türkei ist das für dutzende Menschen der Inbegriff einer schweren Katastrophe. ByLock; das ist der Name einer Smartphone-Applikation. Auf dem ersten Blick eine Anwendung unter vielen der  modernen Telekommunikation. Doch im Hintergrund zu dieser technischen Installation brodelt eine große Verschwörungsküche. Ist ByLock, eine geheime Telekommunikationsstruktur eines Geheimbundes? Gar das logistische Telekommunikationszentrum zur Vorbereitung und Durchführung des Putschversuches vom 15. Juli 2016? Türkische Gefängnisse und Gerichte sind im Augenblick voll von Zivilisten, die wegen angeblicher ByLock-Nutzung den Zorn des türkischen Staates auf sich gezogen haben. Aber bis heute ist noch nicht klar, was an den Gerüchten dran ist und was davon möglicherweise sogar frei erfunden wurde.

ByLock als stärkstes Beweismittel 

Auch der Amnesty International-Aktivist Taner Kilic wurde mit dem Vorwurf, den Verschlüsselungs-Messenger ByLock genutzt zu haben. Deshalb sei er ein Mitglied von Hizmet, besser bekannt als die Gülen-Bewegung. Kilic, so die Behauptung, hätte die App im Jahr 2014 auf seinem Smartphone gehabt. „Taner Kilic ist weder ein Unterstützer noch ein Anhänger der Fethullah Gülen-Bewegung. Tatsächlich hat er deren Rolle in der Türkei kritisiert. Das einzige Beweismittel gegen ihn ist, dass auf seinem Smartphone angeblich eine Applikation vorhanden war. Selbst wenn das stimmt, wäre das keine Straftat. Ihm darf nicht der Prozess gemacht werden auf Basis von solch fadenscheinigen und unangemessenen Vorwürfen“, wird Salil Shetty, Generalsekretär von Amnesty International, auf der Webseite der Menschenrechtsorganisation zitiert.

Die Verwendung von ByLock wird von der türkischen Regierung als Beweismittel für die Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung bewertet. Auch die türkische Justiz betrachtet ByLock unter diesem Blickwinkel, da die App ausschließlich von den Mitgliedern in Hizmet-Kreisen benutzt worden sei, so die Behauptung. Dabei gibt es eine kräftigere Behauptung bezüglich dieser App, die sogar tief in die internen Kreise der regierenden AKP hineingreifen. Es kursieren im Internet Namenslisten von AKP-Abgeordneten, Oberbürgermeistern und einfachen Mitgliedern, die diese App ebenfalls lange Zeit genutzt haben sollen. 

Nicht nur die Gülen-Bewegung auf ByLock aktiv

Im Gegensatz zu der offiziellen Regierungsmeinung waren es offenbar nicht nur Gülen-Anhänger, die die App heruntergeladen und genutzt haben. Insgesamt sollen über 600 000 Menschen, von denen die überwiegende Mehrheit in der Türkei lebt, das Programm auf ihrem Handy gehabt haben. Auch im Iran und in Saudi Arabien wurde es heruntergeladen – beides Länder, in denen die Gülen-Bewegung nicht oder nur mit einer handvoll Menschen vertreten ist. Zu den Nutzern von ByLock, was man von März 2014 bis Januar 2016 sowohl für Android als auch für iPhone-Endgeräte herunterladen  konnte, sollen darüber hinaus auch 125 Parlamentsabgeordnete gehören, berichtet die Tageszeitung Cumhuriyet. Von ihnen sollen 82 der regierenden AKP, die verbliebenen 43 den Oppositionsparteien CHP, MHP und HDP angehören.

Entwickler von ByLock bot Hilfe bei Aufklärung des Putschversuches an

Der Eigentümer der Rechte an dem Dienst ist ein Amerikaner mit türkischen Wurzeln: David Keynes. In einem Interview mit der türkischen Tageszeitung Hürriyet, schildert er ausführlich, dass der Dienst von einem Mitglied der Gülen-Bewegung entwickelt wurde. Aus diesem Grund sei die App besonders in dieser Community innerhalb kürzester Zeit beliebt geworden. Nach Angabe von Keynes, der seine Nähe zur Gülen-Bewegung nicht verschweigt, diente ByLock tatsächlich als Kommunikationsplattform. Über die App ByLock seien Bittgebete und Anekdoten verbreitet worden. Doch der Server der App hat bereits Anfang des Jahres 2016 seinen Betrieb eingestellt, so Keynes. Diese Aussage stimmt und stellt die These der AKP Regierung, über ByLock sei der Putschversuch geplant und durchgeführt worden, grundsätzlich in Frage. Dennoch habe Keynes nicht nur mit Hürriyet über seine App gesprochen, sondern auch dem Vorsitzenden des Putsch-Untersuchungsausschusses im türkischen Parlament, Reşat Peker von der AKP, eine Kooperation angeboten. Keynes rief ihn aus den USA an und sicherte dem Ausschuss seine Unterstützung bei der Aufklärung der Rolle von ByLock für die Putschplanung zu. Sein Angebot sei aber durch den AKP-Politiker Peker abgelehnt worden. 

ByLock führt zur Festnahme einer älteren Gemüsehändlerin

Derweil greift der staatliche Zorn auch in ziemlich fragwürdigen Situationen durch. Berühmt wurde der Protest für eine zunehmend willkürliche Ausführung der Anordnung, Bylock-Nutzer festzunehmen, als eine Gemüsehändlerin in einem türkischen Straßenbazar abgeführt wurde. Sie bekam den Beinamen ByLock-Teyze, also ByLock Tante. Zwar kam die zu Unrecht verdächtigte Frau relativ schnell wieder frei, aber verdeutlichte, wie grotesk die strafrechtliche Strategie der Regierung ausgerichtet ist.

[paypal_donation_button]