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Gesellschaft

Türkei ist Zufluchtsort für bedrohte Christen aus Irak und Syrien

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Der Besuch des Papstes Franziskus in der Türkei ist vor allem auch für die chaldäischen Katholiken ein Zeichen der Hoffnung. Seit 2003 sollen bereits mehr als 55 000 von ihnen den Irak verlassen haben und auf der Suche nach einer neuen Heimat sein. (Foto: dpa)

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Der Papst begrüßt seine Anhänger in Istanbul. Viele Christen sind aus Syrien und dem Irak in die Türkei geflohen.
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Der Besuch des Oberhauptes der Katholischen Kirche, Papst Franziskus, in der Türkei ist auch ein Zeichen für die kleine Gemeinde der Chaldäischen Katholiken, die offiziell lediglich 816 Personen umfasst. Die Chaldäischen Katholiken hatten sich im 16. Jahrhundert gemeinsam mit einem großen Teil der assyrischen Community von der Orthodoxie getrennt und dem Papst unterstellt. Für sie ist der Papstbesuch einer der Höhepunkt des für viele Teile der Gemeinschaft bitteren Jahres.

Seit der US-Invasion im Jahre 2003 haben immer mehr Angehörige der Glaubensgemeinschaft den Irak verlassen, da das Zweistromland in konfessioneller Gewalt versank und Christen zur Zielscheibe von Extremisten wurden. Der Vormarsch der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) hat die Situation nun noch weiter verschärft. Die Einnahme Mossuls führte dazu, dass alle in der Stadt verbliebenen Chaldäer fliehen mussten. Der IS eroberte auch mehrere christliche Städte im Nordirak.

Im Laufe der letzten Jahre sollen insgesamt 55.000 Chaldäer aus Syrien und dem Irak in die Türkei gekommen sein, von dort aus konnten sie nach Ausfüllen zahlreicher Formulare in andere Länder gehen, um dort – oft von Verwandten oder speziellen Hilfsorganisationen für Katholiken unterstützt – Fuß zu fassen. Auf Grund des großen Ansturms von Flüchtlingen prüfte die türkische Regierung auch die Errichtung eines eigenen Flüchtlingslager für Christen.

Messe in Istanbul: Katholiken aus dem gesamten Nahen Osten dabei

Angesichts der Vielzahl an Flüchtlingen ist die Situation nunmehr jedoch schwer erträglich geworden. Flüchtlinge strömen aus Syrien und aus dem Irak ins Land. Es wird damit gerechnet, dass es noch Jahre dauern könnte, bis die Betroffenen in ihre Zielländer weiterreisen könnten, da es eine so hohe Anzahl an Anträgen in der Türkei gibt, die auf ihre Bearbeitung warten. Gleichzeitig haben die Flüchtlinge aus dem Irak bislang keine Arbeitserlaubnis, die es ihnen ermöglichen würde, bis dahin ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten. Für Flüchtlinge aus Syrien ist eine solche Regelung geplant. Sie bleiben dadurch auf Hilfe seitens der christlichen Community in İstanbul angewiesen oder auf Spenden aus dem Ausland, unter anderem der Europäischen Union.

Wenn am Samstag Papst Franziskus in der Kathedrale des Heiligen Geistes die katholische Heilige Messe zelebrieren wird, werden Katholiken aus dem gesamten Mittleren Osten mit dabei sein. Nicht nur in der chaldäischen Community wird der Besuch als ein gutes Zeichen gesehen, auch für tausende Flüchtlinge in der Türkei ist er ein Zeichen der Hoffnung.

Der Papstbesuch in der Türkei findet unterdessen unter starken Sicherheitsvorkehrungen statt. Die Polizei sperrte den Bereich um die beiden Besuchsstationen in der Altstadt am Morgen ab. Zugang ist nur mit speziellem Erlaubnisschein und nach strengen Sicherheitskontrollen mit Metalldetektoren gestattet. Mehrere hundert Schaulustige versammelten sich vor den Absperrungen; einige hatten Fahnen der Türkei und des Vatikanstaates dabei.

Papst feiert Gottesdienst mit Katholiken der Region in Istanbul

Für den Nachmittag stehen ein Gottesdienst mit den Katholiken der Region sowie eine erste Begegnung mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., auf dem Programm. Eigentlicher Anlass des dreitägigen Türkei-Besuches ist am Sonntag die gemeinsame Feier des Andreasfestes, des Patronatsfestes des griechisch-orthodoxen Patriarchates. Der Patriarch von Konstantinopel ist das Ehrenoberhaupt von rund 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit. Für Sonntag ist eine gemeinsame Erklärung zur Ökumene vorgesehen.

Von den rund 75 Millionen Bewohnern der Türkei sind offiziell über 99 Prozent Muslime. Die Bevölkerungsanteil der Christen sank in den vergangenen 100 Jahren von etwa 30 Prozent auf heute nur noch etwa 0,2 Prozent. Ursachen für den drastischen Rückgang sind unter anderem der Konflikt mit den Armeniern während des Ersten Weltkriegs, der griechisch-türkische Bevölkerungsaustausch im Zuge des Vertrags von Lausanne 1923 und eine über Jahrzehnte für Christen ungünstige Religionspolitik.

Das Prinzip des Laizismus in der türkischen Verfassung sieht eine strikte Trennung zwischen Religion und Staat sowie Religions- und Kultfreiheit vor. In der Praxis kontrolliert jedoch eine staatliche Behörde für Religiöse Angelegenheiten alle Aktivitäten, die mit dem Islam in Verbindung stehen. Unter der Regierung des heutigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat sich die Lage der Christen in einigen Punkten verbessert. So dürfen die aramäischen Christen in Istanbul zum ersten Mal seit 1928 ihren Kindern Schulunterricht in der eigenen Sprache erteilen.

Das von der türkischen Regierung im Herbst 2013 beschlossene Demokratiepaket beinhaltete auch eine schärfere Strafen für aus Hass begangene Straftaten, sog. „hate crimes“. Für die Rückgabe der 12 Parzellen, welche der Mor Gabriel Klosterstiftung der aramäischen Gemeinden gehörten und 2008 durch einen Gerichtsbeschluss enteignet worden waren, bedankten sich im Oktober 2013 die Aramäer in der Türkei bei Erdoğan. Die christlichen Kirchen werden jedoch weiterhin nicht als juristische Personen anerkannt. (dtj/kna)