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„An erster Stelle kommt für Türken der Stolz“

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Ein Genie, das viel getadelt wurde, dann aber auf Schultern getragen wurde: Christoph Daum. Jeder kennt ihn, aber mit anderen Erinnerungen. Er arbeitete viele Jahre in der Türkei, jetzt blickt er zurück.

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Christoph Daum, der Mann mit den Ayranspuren im Schnurrbart. Die flippigen Augen und die Wutadern am Spielfeldrand. Die verpassten Meisterschaften in letzter Sekunde. Christoph Daum, der erste Türk-Deutsche. Jedermann kennt ihn in der Türkei. Sein Lebenslauf liest sich wie Ebbe und Flut. Seine größte fußballerische Errungenschaft war es, mit dem 1.FC Köln Amateurmeister der Saison 1981 zu werden. Für einen Star-Trainer ungewöhnlich bescheiden. Verglichen mit anderen bekannten Gesichtern am Spielfeldrand überzeugte Daum erst als Trainer.

Seine Trainerlaufbahn begann in Köln. Über die Station VFB Stuttgart kam Daum 1994 in die Türkei. Bei Beşiktaş JK war Daum erstmals angestellt und ging nach nur zwei Jahren, obwohl er Meister wurde. Nach einer längeren Zeit bei Bayer 04 Leverkusen kehrte er nach Istanbul zurück. Diesmal blieb das deutsche Genie nur ein Jahr bei Beşiktaş und zog nach Wien, um den Posten bei der Austria zu übernehmen. Nicht Mal ein Jahr konnte er es fernab vom Bosporus aushalten.

Jetzt begann ein neues Kapitel für ihn bei Beşiktaş-Konkurrent Fenerbahçe. In drei Jahren holte er zwei Meistertitel, doch seine Gesundheit zwang ihn zum Rücktritt. Nach einer erneuten Zwischenstation in Köln kehrte Daum 2009 zu Fenerbahçe zurück, blieb aber diesmal erfolglos. Danach wurde es im Lebenslauf nicht mehr sonderlich prickelnd. Vor seiner aktuellen Ruhephase war er aber noch kurz bei Bursaspor, also wieder in der Türkei – seiner großen Liebe nach Köln.

Die türkische Sportzeitschrift „Four Four Two“ führte kürzlich ein Interview mit Christoph Daum. Wir präsentieren hier einen Auszug.

Wie funktionieren die Türken Herr Daum?

An erster Stelle kommt für sie der Stolz.

Wenn Sie heute auf Ihre Zeit in der Türkei zurückblicken, an welche Momente erinnern Sie sich dann?

Einer meiner Spieler bei Fenerbahçe war Robert Enke. Ich sprach mit seinem Manager über seine Krankheit. Ich habe eine Gewohnheit: Ich schreibe mir alles auf. Jedes Gespräch, jede Beobachtung. Ich wusste von seiner Krankheit. Schon lange vor seinem Tod. Aber sein Manager wollte noch Geld mit ihm verdienen. Ich bin sehr traurig und enttäuscht.

Es heißt, als Sie in Deutschland eine Mannschaft trainierten, hätten Sie in die Umkleidekabine einen Sack voller Geld mitgebracht und gesagt: „Bei Sieg gehört das Geld euch.“ Über Türken sagten Sie, man könne sie emotional besser motivieren. Worin unterscheiden sich türkische von deutschen Spielern?

Ich habe meine Spieler in Deutschland zur Motivation auch mal über Glasscherben laufen lassen, aber ich habe wie alle anderen auch Siegprämien verteilt… Türkische Spieler sind hingegen zweifelsohne emotional. Wichtig ist es, diese Emotionen richtig einzustellen. Ein Trainer muss zunächst in die Köpfe, danach in die Herzen der Spieler gelangen. In Deutschland ist es schwer, in die Herzen der Spieler zu gelangen, in der Türkei lässt sich das gleiche in Bezug auf die Köpfe sagen…

Hat sich Fenerbahçe-Präsident Aziz Yıldırım sehr in Ihre Arbeit eingemischt?

Bei Fener wurden alle Transfers Aykut Kocaman und dem Vorstand abgewickelt. Ich teilte ihnen mit, wen ich haben will, aber wenn ich einen für die Abwehr wollte, bekam ich einen Stürmer! Doch als ich Roberto Carlos und Wederson als Linksverteidiger hatte, kam auch noch Andre Santos hinzu – drei Hochkaräter für eine Position. Unfassbar!

Wer holte Alex de Souza?

Ich erstellte wieder meine Transfer-Wunschliste, sowohl 2002/03, als auch 2003/04. Alex war wirklich ein schwerer Brocken. Aziz Yıldırım, Hakan Bilal Kutlualp und Mahmut Uslu haben gekämpft und sind dutzende Mal nach Brasilien geflogen. Das muss gesagt werden.

Zunächst kam Pierre van Hooijdonk, danach Alex de Souza. Sie haben die Mannschaft immer um einen Spieler herum aufgebaut. Dadurch haben Sie diese Spieler zu echten Stars aufgewertet. Dennoch haben Van Hooijdonk, als Sie noch da waren, und Alex nach Ihnen unter ungünstigen Verhältnissen den Verein verlassen. Werden solche Star-Spieler nach einer Zeit zu einem Problemfall?

Ich habe sehr für das Gleichgewicht im Team gekämpft. Die Balance ist wichtig. Sonst verliert man den Faden. Da muss man aufpassen. Als sich Van Hooijdonk immer häufiger verletzte, haben wir Anelka geholt.