Panorama
Çiftlik-Bank-Gründer ergibt sich in Brasilien
Vor etwa drei Jahren flüchtete der Entwickler des Spiels „Çiftlik Bank“ ins Ausland, nachdem sich herausgestellt hatte, dass er mithilfe des Spiels zehntausende Menschen betrog. Nun hat er sich ergeben – aus einem naheliegenden Grund.
Wie ein virtuelles Spiel gravierende Auswirkungen auf die Realität haben kann, das bewies vor etwa drei Jahren der junge Programmierer Mehmet Aydın. Mithilfe einer Spiele-App betrog er zehntausende Menschen um ihr Geld und flüchtete ins Ausland.
Rund um den Globus wurde nach ihm gefahndet, während er mit Bildern auf einer Yacht posierte. Interpol nahm den heute 30-Jährigen damals in die Liste der mit einem „Red Notice“ gesuchten Türken auf. Das Ziel: eine möglichst schnelle Festnahme.
Über seinen mutmaßlichen Aufenthaltsort gab es viele Spekulationen. Jetzt meldet sich der junge „Geschäftsmann“ zurück und ergibt sich der türkischen Justiz. Am Donnerstagabend veröffentlichte die türkische „Sözcü“ ein Video von Aydın, in dem er erklärt, dass er sich ergeben werde.
„Böswillige Menschen“
Er habe niemanden betrügen wollen, sagte der App-Entwickler. Auch er sei durch das starke Wachstum und die „böswilligen Menschen in seinem Umfeld“ Opfer der Angelegenheit geworden. Er habe im Ausland versucht, die Probleme zu beseitigen. Doch die Fahndungen hätten ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Am Freitagmorgen stellte sich Aydın dann den Behörden in der türkischen Botschaft in São Paulo (Brasilien).
Hinter dem dubiosen Spiel steckte eine simple Idee: Die Gamer sollten mit der Smartphone-App selbst Geld verdienen. Das Spiel ähnelte gewissermaßen dem internationalen bekannten „Farmville“ und nahm schnell virale Dimensionen ein.
Von Hühnern und Kühen
In dem Game konnten Hühner und Kühe gekauft werden. Wie im echten Leben fielen dafür Haltungskosten an. Schließlich sollten die in der App erworbenen Tiere tatsächlich existieren und gefüttert werden. Überall in der Türkei sollten Filialen beziehungsweise Bauernhöfe der „Çiftlik Bank“ (Bauernhof Bank) gebaut werden, wo die Spieler durch den Verkauf von Eiern, Milch und vielen weitere Naturprodukten, die aus ihren eigenen Tieren stammen sollten, Geld verdienten.
„Wer 200.000 Türkische Lira (TL) einzahlt, bekommt monatlich 50.000 TL zurück“: So lautete das großzügige Versprechen von Aydın, der in türkischen Medien auch „Jungbulle“ genannt wird. Der Verkauf von realen Produkten, dessen Herkunft aber nicht immer ganz klar war, verschaffte der Firma eine gewisse Seriosität.
Warum sich Aydın ergeben hat
Doch es dauerte nur wenige Jahre, bis die andere Seite der Medaille zum Vorschein trat: Zwischen 2016 und 2017 soll Aydın laut türkischen Medienberichten knapp 511 Millionen TL Umsatz gemacht haben. 77.000 Geschädigte soll es geben. Etwa 63.000 Menschen sollen insgesamt 398 Millionen TL zurückbekommen haben. Der Rest des Geldes floss aber später auf die Privatkonten des „Jungbullen“.
In den sozialen Medien wird gewitzelt, dass Aydın sich nur ergebe, weil ihm das Geld ausgegangen sei. Der Journalist Ismail Saymaz hält das nicht für unwahrscheinlich. Er vermutet aber auch, dass er sich ergebe, um von einem 2019 verabschiedeten Amnestiegesetz zu profitieren.
Durch dieses Gesetz gelangten viele Kriminelle in Freiheit, die ähnliche Taten begangen hatten. Das könnte auch auf den Entwickler zutreffen, weil er seine Straftat vor 2018 begangen hatte. Deshalb, so vermutet Saymaz, würde Aydın maximal zwei Jahre hinter Gittern sitzen.