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Politik

CSU sollte eine Kampagne für Türkisch starten

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Kurz vor dem CSU-Parteitag hat die Partei mit ihrem Vorstoß „nur Deutsch zu Hause“ für Einwanderer für landesweiten Wirbel gesorgt und unter den Einwanderern Unsicherheit verursacht. Spricht die CSU von Integration, meint aber Assimilation? (Foto: dpa)

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CSU-Parteitag in Nürnberg.
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Falls es das Ziel der Christlich-Sozialen Union (CSU) war, mit ihrer Forderung nach „nur Deutsch zu Hause“ für Einwanderer Aufmerksamkeit über die Grenzen des Freistaates Bayern hinaus auf sich zu ziehen, ist das ihr wahrlich gelungen. Ihr ist es auch gelungen das Gerede über Integration von bayrischen Stammtischen in die Massenmedien zu tragen und die Türken aufzuschrecken.

Angefangen von dem Botschafter der Türkei, Hüseyin Avni Karslıoğlu, bis zu den türkischen Verbänden haben sich zu der unsinnigen Forderung der CSU alle geäußert. Das Gemeinsame an diesen Stellungnahmen ist, dass die Türken ihre Kultur und Sprache einer staatlichen Reglementierung ausgesetzt sehen.

Türkei und die Deutschtürken sind der CSU egal

Die Türkei und die Deutschtürken mögen der CSU ja egal sein. Der CSU ist aber viel mehr gelungen oder anders formuliert: Sie hat viel mehr Schaden angerichtet. Sie hat mit ihrem lächerlichen Vorstoß dem neuen Selbstbild des vereinten Deutschlands geschadet. Deutschland hat sich – nicht nur durch die Einwanderung – verändert. Und Mehrsprachigkeit ist Normalität in diesem demokratischen Land. Die Gesellschaft befindet sich in einem stetigen Wandel und auch eine CSU kann die Zeituhr nicht zurückdrehen.

Wir hatten in den vergangenen 15 Jahren eine intensive Debatte über Integration, Ein- und Auswanderung und über die Notwendigkeit von Sprachkursen. Es wurden Integrationsgipfel und Islamkonferenzen einberufen und neue Gesetze erlassen. Ein Präsident musste gehen, weil er sagte, der Islam gehöre zu Deutschland. So wenigstens sieht er es und mit ihm auch viele Deutschtürken.

CSU stellt Konsens infrage und stärkt die Assimilationsthese

Zwei Sachen fallen hierbei auf: Einen Konsens darüber, dass der Islam ein Teil Deutschlands ist, gibt es nicht. Noch nicht. Ein Konsens darüber jedoch, dass Deutsch ein „muss“ für das Zusammenleben ist, gibt es. Mit ihrem unglücklichen Vorstoß schwächt die CSU die Kräfte unter den Einwanderern, die sich für das Zusammenleben aussprechen und tagtäglich Kritikern aus eigenen Reihen erklären müssen, dass es der deutschen Integrationspolitik nicht um Assimilation, sondern um Integration geht. Oder?

Die CSU hat nicht nur für viel politischen Wirbel gesorgt, was nach meiner Ansicht nach unnötig war, sondern stellt auch Deutschlands Integrationskonzept, das im internationalen Vergleich relativ erfolgreich ist, infrage und schadet ihr.

Wir erinnern uns alle immer noch daran, wie die Aussage von der Bundeskanzlerin Angela Merkel während einer Tagung der Jungen Union, „Multikulti ist gescheitert“ durch die internationalen Medien ging.

CSU schadet Deutschland

Oft ist die Rede davon, dass in einem Integrationsprozess BEIDE Seiten lernen und sich verändern. Die CSU hat mit ihrem Vorstoß gezeigt, dass sie lernresistent ist. Ich befürchte zudem, dass Deutschland dank der CSU in Zeiten, in denen Ausländer und Einwanderer für den Wahlkampf instrumentalisiert wurden, zurückfallen könnte.

Bayern ist ein wirtschaftlich erfolgreiches Bundesland, welches das Ziel verfolgt gute Wirtschaftsbeziehungen mit der Türkei zu pflegen. Auch wenn die Bayuvaren die Türkei nicht gerne in der EU sehen, so leben doch viele Türken in Bayern und einige davon sind zufällig auch Mitglieder der CSU.

Die CSU macht sich lächerlich, schadet Deutschland und macht das über die Integrations- und Islampolitik der vergangenen Jahre mühselig aufgebautes Vertrauen zunichte. Oder geht es unter der Bezeichnung „Integrations- und Islampolitik“ um eine dauerhafte Stigmatisierung einer Gemeinschaft: Früher Ausländer, heute Muslime. Ein normaler Bestandteil einer pluralistischen Gesellschaft? Das wollen die Konservativen wohl verhindern.

Erwartet die CSU etwa, dass ihre Rhetorik, die eindeutig auf eine rechtsgesinnte Wählerschaft ausgerichtet ist, nicht durchschaut wird? Und dass auf Kosten der Einwanderer und des sozialen Friedens in diesem Land. Kann das bitteschön ein Mitglied der CSU, wenn möglich eines mit „Migrationshintergrund“ mit deutlichen Worten erklären – auf Deutsch natürlich! Denn von Mehrsprachigkeit halten die Ewiggestrigen ja anscheinend nicht viel.

Zu einem anderen Land am Mittelmeer fühlt sich Bayern besonders verbunden: Griechenland. Die Farben der griechischen Fahne – blau, weiß – haben die Griechen von den Bayern und im 19. Jahrhundert war ein Bayer 30 Jahre lang König von Griechenland.

Wenn nicht von den Türken, dann vielleicht von den Griechen

Die Eleftheros Typos ist eine griechische Tageszeitung. Sie ist Konservativ, genau wie die CSU. Die Tageszeitung hat eine Auflage von ca. 40 000 und ist damit eines der viel gelesenen griechischen Blätter.

Wie türkische Medien berichten, hat eben diese konservative, griechische Tageszeitung als Wochenendbeilage Lernmaterialien für Türkisch an seine Leser verteilt. Die konservative, deutsche CSU könnte sich doch ein Beispiel an der konservativen, griechischen Eleftheros nehmen und eine Kampagne für Türkisch starten. Wieso nicht?

Sie würde damit vielleicht ein paar Stimmen am rechten Rand verlieren, aber gleichzeitig die Herzen von vielen Menschen gewinnen und zudem dem Zusammenleben von Deutschen und Einwanderern dienlich sein.