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Kolumnen

Das GroKo-Dilemma der SPD

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Ein Bündnis mit Angela Merkel eingehen und die Basis verprellen oder Neuwahlen mit voraussehbaren Verlusten riskieren? Die SPD steckt in einem Dilemma. Marin Schulz muss nun beweisen, dass er die verunsicherte Partei einen kann – oder sofort abtreten.

Stille. Kein Wort drang nach außen. Auch nach dem ersten Treffen zwischen SPD-Chef Martin Schultz, CDU-Chef Horst Seehofer und CDU-Kanzlerin Angela Merkel beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier herrschte Stillschweigen. Am Donnerstag trafen sie sich im Schloss Bellevue in Berlin um über eine neuerliche Große Koalition (GroKo) zu verhandeln.

Besonders für Schulz sind die Gespräche heikel, hatte er doch bereits am Abend der Bundestagswahl angesichts des historisch schlechten Ergebnisses der SPD eine neuerliche GroKo kategorisch ausgeschlossen. Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen blieb er erst dabei, um drei Tage später doch Gesprächsbereitschaft zu signalisieren.

Umfaller Schulz

Das kam nicht bei allen in der Partei gut an. „Wir bleiben dabei: Die Absage der SPD an eine Fortsetzung der Großen Koalition war zwingend und richtig,“ heißt es in einer Online-Kampagne der SPD-Jugendorganisation Jusos. Gerade die Parteijugend und der linke Flügel sperren sich weiterhin kategorisch gegen eine Regierungsbeteiligung mit einer Kanzlerin Merkel.

Schulz gibt indes vollends den Umfaller und stellt erste Forderungen an eine mögliche GroKo. Der ehemalige EU-Parlamentspräsident möchte eine tiefgreifende Reform der Europäischen Union und des deutschen Sozialsystems erringen. Schulz würde damit zwar ursozialdemokratische Wertvorstellungen erfüllen. Dennoch ist es fraglich, ob er überhaupt in den Verhandlungen anwesend sein würde.

In der kommenden Woche will die SPD nämlich auf einem Parteitag über ihren Vorsitzenden abstimmen lassen. Schulz stellt sich zwar der Wiederwahl und will gleichzeitig ein Mandat seiner Mitglieder bekommen, in Sondierungsverhandlungen einzutreten, sein Verbleib an der Parteispitze gilt aber als unsicher.

Neuwahlen oder Regierung

Schulz, dem Hitzköpfigkeit und impulsives Verhalten vorgeworfen wird, steckt in einem Dilemma. Er hat genau zwei Möglichkeiten, aber beide scheinen, schlecht zu sein. Möglichkeit Nummer eins: Er könnte ein Bündnis mit Merkel eingehen, ergo eine weitere GroKo aushandeln und auf den Weg bringen. Das würde aber seine Rolle als Parteichef schwächen und ihn als Mann entlarven, der nicht zu seinem Wort stünde.

Hinzu kommt: Mit Merkel hätte er dann wieder das gleiche Problem wie vor der Wahl. Ihre Strahlkraft und ihr Regierungsgeschick absorbieren alle Lorbeeren der Regierungskoalition. Ergo: Egal was die SPD auf den Weg brächte, am Ende profitiert Merkel davon. Schulz‘ Kalkül ist deswegen: Den Preis für eine neuerliche Regierungsbeteiligung mittels Verzögerungen und rhetorischen Nebelkerzen möglichst hochtreiben.

In einer neuen GroKo soll die SPD sichtbarer und die Regierungspolitik linker werden. Sein Risiko: Schulz könnte sich selbst an der Kehrtwende verbrennen. Und das in einer Zeit, in der die SPD einen Vorsitzenden bräuchte, der die Partei eint und auf die Zukunft vorbereitet.

Seine zweite Möglichkeit: Neuwahlen. Schulz scheint das Szenario vermeiden zu wollen. Er weiß, dass seine Partei weder personell noch strategisch auf einen Wahlkampf reloaded vorbereitet ist. Außerdem sind die Kassen leer. Und das letzte Ergebnis mit ihm als Spitzenkandidaten war vernichtend. Schulz dürfte sicher nicht noch einmal antreten.

Andererseits wer würde es sonst machen wollen? Alle Umfrage bescheinigen der SPD schlechte Erfolgsaussichten. In der Wählergunst könnte die älteste aktive Partei Deutschlands weiter sinken. Verluste sind angesichts der inkonsequenten Taktik des ranghöchsten Sozialdemokraten der Bundesrepublik vorprogrammiert. Niemand aus der SPD-Chefetage würde sich in einer solchen Konstellation freiwillig opfern.

Schulz steht vor entscheidenden Tagen. Er muss nun beweisen, dass er die verunsicherte Partei einen kann – oder sofort abtreten.