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Gesellschaft

„Das hat nichts mit dem Islam zu tun“ – Warum wir Muslime uns nicht so leicht herausreden können

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Was hat der weltweit wütende Terror, dem mehrheitlich Muslime zum Opfer fallen, mit dem Islam zu tun? Der Prediger Fethullah Gülen meint, dass sich Muslime mit dieser Frage beschäftigen müssen, Nicht-Muslime sie dabei aber nicht alleine lassen dürfen.

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Der kapitale Fehler von Terrorgruppen ist es, dass sie sich Zitate aus dem Heiligen Koran und der Sunna herauspicken, die bereits zu ihrer vorgefertigten Meinung passen und diese aus ihrem Kontext reißen, um sie für ihre Taten zu instrumentalisieren. Diese aus ihrem geschichtlichen, literarischen, sozialen und religiösen Kontext gerissenen Zitate verwenden sie leider auch in einem diametralen Widerspruch zu der Religion, die sie zu repräsentieren behaupten.

Ein weiterer Aspekt der islamischen Tradition, die missverstanden und seitens Terroristen missbraucht wird, sind Richtlinien über das Kriegsgeschehen. Angriffskriege erlaubt der Koran nicht. Und Verteidigungskriege sind streng reglementiert. Im Verteidigungsfall, so schreibt der Koran vor, sind zunächst sämtliche Instrumente der Diplomatie auszuschöpfen, um militärische Auseinandersetzungen möglichst zu vermeiden. Ist eine kriegerische Auseinandersetzung aber nicht vermeidbar, so ist vorgeschrieben, die Verluste möglichst auf einem Minimum zu halten, Geiseln menschlich zu behandeln und Verletzte medizinisch zu versorgen.

Wir Muslime können uns jedoch nicht einfach aus der Verantwortung ziehen, indem wir zurecht darauf hinweisen, dass Terrorismus keine Legitimierung im Islam hat, Terroristen unislamisch handeln oder von irgendwelchen Mächten manipuliert und instrumentalisiert werden. Denn letztlich sind es unsere muslimischen Communities, aus denen diese Gruppen ihre Unterstützer rekrutieren und hierfür unsere heiligen Quellen missbrauchen. Das grausame Vorgehen imperialistischer Nationen gegenüber Muslime in der Vergangenheit oder die gegenwärtigen Repressalien vom Westen gestützter Autokraten gegen Muslime darf nicht dazu führen, dass wir die barbarischen Taten der Terroristen stillschweigend dulden. Der legitime Zweck, Unterdrückung zu stoppen, legitimiert nicht das Mittel des Tötens von unschuldigen Zivilisten.

Den modernen Konzepten der Demokratie und des staatlichen Säkularismus standen Muslime distanziert gegenüber, weil sie ihnen fremd waren und ihre Umsetzung in muslimischen Ländern mit erheblichen Mängeln und Fehlern verbunden war. Die Grundpfeiler der Demokratie wie Rechtsstaatlichkeit, Gerechtigkeit, Grundrechte und Toleranz gegenüber individuellen Unterschieden stehen jedoch im Einklang mit islamischen Werten.

Es ist von elementarer Bedeutung, dass auch Muslime einen Platz in den Runden erhalten, in denen an Lösungskonzepten zum Problem des Terrorismus gearbeitet wird. In der gegenwärtigen Atmosphäre der Angst vor und des Generalverdachts gegen Muslime ist dieser Schritt gewiss eine Herausforderung, doch er ist unabdingbar für stabile und harmonische gesellschaftliche Beziehungen künftiger Generationen.

In unserer globalisierten Welt liegt es an Nicht-Muslimen eine Sache zu realisieren: Es wird nicht möglich sein, den Terrorismus von Boko Haram, IS oder Al-Qaida zu bekämpfen, ohne ein positives Verhältnis zu den einfachen Muslimen zu etablieren. Es liegt in ihrem ureigenen Interesse, dass Muslime nicht von ihren Gesellschaften entfremdet werden und dass anti-muslimische Hetzer und Fanatiker marginalisiert werden.


Diesen Artikel schrieb Gülen im Vorfeld einer Konferenz in Brüssel, die vergangene Woche stattfand.