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Gesellschaft

Das Leben ist wenig wert – der Tod ebenso

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Im Westen mögen es geografische Distanz und Vorurteile sein, die bei vielen wenig Empathie für die Angehörigen der Toten in Ägypten und Syrien entstehen lassen. Warum aber steht auch die islamische Welt selbst all dem so machtlos gegenüber? (Foto: rtr)

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Syrische Kinder spielen in einem Flüchtlingslager in der Türkei.
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Von Samet Er

Die aktuelle Lage in Ägypten und Syrien scheint nicht für alle ein Problem darzustellen. Woran ich das erkenne? An der weit auseinanderdriftenden Kluft in den Zeitungsartikeln, Fernsehberichten und Dokumentationen weltweit. Während einige das Regime Assads und den Militärputsch in Ägypten hart verurteilen, bekunden andere ihre Solidarität mit dem syrischen Diktator und befürworten den undemokratischen Sturz Mursis. Aber eine Tatsache wird denke ich hier völlig übergangen: Tagtäglich sterben dort unschuldige MENSCHEN!

Manche Nahost-Experten oder solche, die es gerne sein wollen, sprechen von ‚einigen Toten‘ in beiden Ländern, während Fernsehsender anderer Länder von mehreren Tausend berichten. Wie dem auch sei: Unser Ziel hier kann es nicht sein, für eine Seite Partei zu ergreifen. Unser Ziel ist es vielmehr, dem Faktor „MENSCH“ unser Augenmerk zu widmen.

Auch wenn es nur einige wenige Tote sind, reicht das denn nicht schon aus, um Solidarität zu zeigen, wie damals in Norwegen geschehen, als im Juli 2011 77 unschuldige Menschen umkamen? Wo ist hier nun der Unterschied? In Syrien und Ägypten kamen bisher auch Menschen um und es scheint auch kein Ende in Sicht. Sind wir nicht in der Lage, Mitgefühl zu zeigen, weil Ägypten oder Syrien mehrere gefühlte tausend Kilometer von Deutschland entfernt oder durch eine andere Kultur geprägt sind?

Die kleine Maryam weint über ihre Eltern. Sie weint, weil ihr Vater und ihre Mutter vor einer Woche gestorben sind. Beide waren Gegner des Putsches und mit dem demokratischen Ergebnis im letzten Jahr zufrieden. Sie haben ihre demokratischen Rechte durch die Teilnahme an Demonstrationen wahrnehmen wollen und sind dabei ums Leben gekommen. Maryam hatte Glück, sie war nicht dabei. Glück? Kann man hier von Glück sprechen? Kann sie sich glücklich schätzen, weil sie noch am Leben ist?

Wir vergessen, was ein Menschenleben wert ist

Wer ist nun daran schuld? Ist das hier tatsächlich die Frage? Oder nicht vielmehr: Warum müssen diese Menschen sterben? Wieso töten einander die Menschen? Wieso schaden sie einander? Wieso werden Autos, Läden, Wohnungen und Universitäten zerstört, Moscheen, Kirchen und Synagogen zerbombt?

Liegt es nicht auch an uns selbst? Wieso sind weite Teile der islamischen Welt immer noch Gegenden, in denen ein Menschenleben wenig wert ist – und wo deshalb auch ein Toter nicht viel wert sein kann? Und dies, obwohl der Prophet uns gelehrt hat, dass, wer einen Menschen tötet, handelt, als würde er die gesamte Welt töten, und wer einen Menschen rettet, handelt, als würde er die gesamte Welt retten.

Vor kurzem sah ich mir eine Dokumentation über das Jagdverhalten wilder Tiere an. In einer Szene wurde ein Panther gezeigt, wie er nach einer langen mühevollen Jagd einen schwangeren Affen zu fassen bekommt. Als der Panther zupackt, gebärt der Affe aus Angst. In dem Moment lässt der Angreifer von seinem Opfer ab und schnüffelt am Neugeborenen. Er sieht, dass dieser am Sterben ist und leckt dessen Gesicht. Dies führt dazu, dass das Neugeborene atmen kann und auf diese Weise am Leben bleibt. Der Panther lässt nicht zu, dass das Neugeborene stirbt. Selbst dieses wilde Tier ist fähig, sich zu erbarmen. Wieso schaffen die Menschen das nicht? Die Bilder der sterbenden Kinder in Syrien haben wir noch alle vor Augen. Sind wir Menschen nicht dazu in der Lage, friedlich miteinander zu leben, wenn sogar Wildtiere dazu fähig sind?

Wir haben vergessen, dass wir auf derselben Erde leben, dieselbe Luft atmen und derselben Spezies angehören. Wir nehmen uns das Recht, Menschen zu verurteilen, nur weil sie nicht vollständig die Vorstellung einer Gesellschaft entsprechen, die der unseren gleich ist. Wir verstecken uns hinter unserer Sturheit und vergessen, dass diejenigen, die sterben, Menschen sind. Mütter, Väter, Geschwister, Kinder… keine Ägypter, Syrier oder Iraker. Sondern Menschen wie wir hier in Deutschland. Mit einem Kopf, zwei Augen, zwei Händen, zwei Füßen. Genau das haben wir vergessen. Wir haben das vergessen und streiten uns immer noch über unnötige Dinge, die keinem zum Nutzen gereichen. Und in dieser Zeit leiden unsere Mitmenschen in Syrien, Ägypten und in so vielen anderen Ländern weiter.