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Gesellschaft

Dauerstreitthema muslimische Frauen: Komplexe Vorurteile und Wege zur Überwindung

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Gender-Forscherin Christine Kulke hat sich zur Wahrnehmung muslimischer Frauen in der Mehrheitsgesellschaft geäußert. Einer Bewegung bescheinigt sie, positiven Einfluss auf die Entwicklung der Position von Frauen in muslimischen Gesellschaften zu haben.

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Die Gender-Forscherin und Professorin für Politische Sozialisation der TU Berlin, Christine Kulke, hat in einem Interview mit der Zeitschrift Fontäne gesagt, dass die Stereotypen in den westlichen Gesellschaften über die muslimische Frau „sehr komplex“ seien. Zudem seien sie stark davon abhängig, auf welche sozialen Räume man seine Aufmerksamkeit richte: „Es macht einen Unterschied, ob sich die Erfahrungen auf Kontakte zu muslimischen Frauen an der Universität beziehen, wo diese uns als Studierende oder Lehrende, als Autorinnen und Künstlerinnen begegnen oder auf andere soziale Räume und Regionen. Zum Beispiel können sich Beobachtungen auf prekäre ökonomische Verhältnisse in Großstadtvierteln, etwa auf französische Vorstädte, stützen und dann zu (Vor-)Urteilen über die Abhängigkeit muslimischer Frauen gelangen, ohne zu reflektieren, dass die Stellung von Frauen – übrigens auch die der nicht-muslimischen – mit deren sozialer Stellung und ihrem sozio-ökonomischen Milieu zusammenhängen.“

Kulke: Hizmet-Bewegung bietet neue Chancen für Frauen

Nach Überzeugung von Kulke sind also persönliche Kontakte zu muslimischen Frauen von großer Bedeutung. Sie selbst berichtet in dem Interview von Bekanntschaften mit muslimischen Frauen, die in der Hizmet-Bewegung aktiv sind. Kulke hat sich auch mit Aussagen und Schriften des muslimischen Predigers Fethullah Gülen über die Rolle der Frau beschäftigt. Die muslimische Bewegung stützt sich auf Ideen Gülens und wirkt mit Bildungs- und Dialogprojekten in mehr als 150 Ländern.

Kulke ist der Ansicht, dass die Hizmet-Bewegung Frauen „neue Chancen“ eröffnet. Die emeritierte Professorin hat auch eine Erklärung für ihre These: „Die neue Chance, die die Hizmet-Bewegung speziell Frauen eröffnet, liegt in einer Aktivität, die sichtbar und ‚öffentlich’ wird. Das heißt, die Rolle von Frauen ändert sich von der im privaten Raum und im Beruf tätigen hin zu einer Mitgestalterin von sozialen und kulturellen Initiativen. Diese umfassen ‚Care‘ (Unterstützung vielfältiger Art), humanitäre Aufgaben sowie Bildungsarbeit.“ Diese könnten, so Kulke, „als Schlüssel zur Veränderung sozial unverträglicher Verhältnisse“ dienen. Die Hizmet-Bewegung erfülle somit eine Brückenfunktion zur Umgestaltung der Rolle der muslimischen Frau in der Gesellschaft.

Die Rolle der Frau im Islam und ihre Stellung in den muslimischen Gesellschaften und Gruppen ist seit jeher ein heiß diskutiertes Thema – auch unter Muslimen. Nach Kulkes Auffassung hat sich Gülen in dieser umstrittenen Frage klar für die ‚Gleichwertigkeit der Geschlechter‘ positioniert: „Er konzipiert somit die Gleichstellung beider Geschlechter. Eine solche Auffassung schließt die Perspektive einer praktizierten Gender-Gerechtigkeit mit ein. So betont Fethullah Gülen, dass Frauen gleiche Rechte haben und diese einfordern können.“

Vehementer Widerspruch zwischen Stereotypen und Wirklichkeit

Zwischen der von Fethullah Gülen postulierten Gleichstellung muslimischer Frauen und dem Bild von der muslimischen Frau im Westen scheint jedoch ein „vehementer Widerspruch“ zu bestehen. Als Grund nennt Kulke hierbei die Präsenz ‚des Westens‘, die sich durch vielschichtige und divergente Positionen, Vorurteile und Medien-Meinungen auszeichnet – auch in Bezug auf die Rolle der Frau im Islam.

Die von Gülen beschriebene und vertretene Ansicht über die Rolle der Frau aus islamischer Sicht und die ‚diskursive und alltagsweltliche Initiative zur sozialen und kulturellen Veränderung‘, die von der Hizmet-Bewegung ausgeht, wird jedoch nach Kulke in der deutschen Mehrheitsgesellschaft ‚nur vereinzelt‘ wahrgenommen.

Das ganze Interview lässt sich in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Fontäne, die auch im Handel erhältlich ist, nachlesen.