Connect with us

Politik

Ahmet Davutoğlu – Ministerpräsident von Erdoğans Gnaden

Spread the love

Ahmet Davutoğlu ist seit August Ministerpräsident der Türkei. Weder sein Auftreten noch seine Worte erreichen bislang das Gewicht seines Vorgängers. Ihm haftet der Makel an, sich nicht aus dem Schatten Erdoğans befreien zu können.

Published

on

Davutoglu mit Erdogan
Spread the love

MEINUNG Ahmet Davutoğlu, Ministerpräsident der Türkei, besucht Deutschland. Am Montagmittag kam er mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen; am Abend steht eine Ansprache im Berliner Tempodrom an die Deutschtürken auf dem Programm.

Doch anders als bei den Besuchen seines Vorgängers Recep Tayyip Erdoğan – heute Staatspräsident mit eigenem Palast – erregt er kaum Aufmerksamkeit. Warum wohl?

Das dürfte mehrere Gründe haben.

Zum einen heißt er nicht Erdoğan. Auch wenn er manchmal den Eindruck erweckt, seinem Förderer nachzuahmen.

Eigenes Gewicht hat er auch nicht viel. Er ist zwar Ministerpräsident, aber einer von Erdoğans Gnaden. Man kann sogar sagen, dass er das Amt kommissarisch verwaltet. Die tatsächliche Macht liegt bei Erdoğan.

Das kann man immer wieder sehen. Neulich wagte er sich nach vorne. Er behauptete, die Regierung zeige der Korruption keine Toleranz. Er wurde sogar pathetisch, meinte: „Dies sagen wir als Garantie an unsere Nation: Die Hand, die sich an den Rechten der verwaisten Kinder vergreift, reißen wir ab, auch wenn es die Hand unseres eigenen Bruders sein sollte.“

Mit den Rechten der verwaisten Kinder ist das Gemeingut des Volkes gemeint.

Aber was darauf folgte, war weniger pathetisch. Der von den Abgeordneten seiner Partei dominierte Untersuchungsausschuss des türkischen Parlaments sprach alle vier Minister, die wegen Korruptionsvorwürfen zurückgetreten sind, frei. Den türkischen Medien nach sollen sie vorher beim Prunkpalast des Staatspräsidenten und tatsächlichen Machthabers im Land gewesen sein.

Massives Glaubwürdigkeitsproblem

Zum anderen vertritt Davutoğlu auch ein Land, dass nicht mehr das Land von vor zehn Jahren ist. Ungefähr bis 2010 befand sich die Türkei auf dem Weg in die Europäische Union (EU). Unzählige Reformen waren auf den Weg gebracht worden.

Heute dagegen ist die AKP eine Partei, die die Reformen von damals rückgängig gemacht hat und weiterhin macht. Sie hat nicht nur – wohl um Korruptionsvorwürfe zu ersticken – die Gewaltenteilung im Land faktisch und weitgehend aufgehoben, nein, sie hat auch einen Keil zwischen die Bevölkerung getrieben. Heute ist die türkische Gesellschaft gespaltener und polarisierter denn je.

Also:

Zum Amt des Ministerpräsidenten von Erdoğans Gnaden, zum nicht vorhandenen politischen Eigengewicht kommt auch ein massives Glaubwürdigkeitsproblem hinzu:

Davutoğlu mahnt hier in Deutschland zur Besonnenheit, klagt Islamophobie an, verlangt von der Bundesregierung ein Eintreten für Mäßigung und gegen extremistische Kreise. Er möchte wohl als Schutzmacht der Muslime in Europa angesehen werden.

Aber in seinem Land wird gegen einen Teil der Bevölkerung offen Hetze betrieben, Hass geschürt. Er führt die Polarisierungspolitik seines Vorgängers fort. Womöglich muss er das, hat keine andere Wahl.

Auch ist das Verhältnis seiner Regierung zu problematischen Kreisen im syrischen Bürgerkrieg keineswegs klar – während er in Europa Terror verurteilt.

Bei dem Treffen hätte durchaus auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren türkischen Amtskollegen zu mehr Mäßigung im eigenen Land anhalten können. In Berlin fordert Davutoğlu von den Deutschen Kampf gegen Islamfeindlichkeit, im eigenen Land jedoch führt die AKP-Regierung einen Kampf gegen Muslime. Genauer gesagt gegen die muslimische Bildungsbewegung Hizmet, die auf die Ideen des Prädigers Fethullah Gülen zurückgeht. Was für eine Heuchelei!

Deutschtürken sollten auf die deutsche Demokratie setzen und nicht auf Ankara

Das, woran sie sich halten sollen, worauf sie vertrauen und bauen können, ist das Grundgesetz, die demokratische Kultur, die Toleranz der hiesigen Mehrheitsgesellschaft. Und nicht die zweifelhafte Unterstützung für ein Land, das zu Hause die demokratischen Rechte mit den Füßen tritt, unbescholtene Journalisten mit äußerst zweifelhaften Anschuldigungen anklagt, vor dem eigenen Haus überhaupt nicht kehrt.

Auf die Unterstützung eines solchen Landes kann ich verzichten. Bauen wir auf die hiesige Demokratie, werden wir Bürger; bauen wir auf die Unterstützung einer zweifelhaften ausländischen Regierung, bleiben wir ein Dauer-Integrationsproblem.